Dieses Auto bleibt eine Diva. Einen Tag schnell genug, um mit beiden Fahrern in die erste Startreihe zu fahren. 24 Stunden später so aus der Balance, dass Lewis Hamilton im Q1 ausscheidet und George Russell mit dem Kopf durch die Wand crasht. Keiner im Team kann sich diese extremen Schwankungen erklären. Zumal die Bedingungen am Samstag nicht viel anders waren als am Tag davor.
Der Umschwung deutete sich schon im Sprint an. Acht Runden lang fuhr Russell auf Schlagdistanz mit dem späteren Sieger Max Verstappen und dessen Beschatter Lando Norris. Dann ging die Reise rückwärts. Der Engländer hatte sich in den schnellen Kurven seinen linken Vorderreifen ruiniert, weil er zu früh und zu ungestüm Lando Norris attackierte.
Lewis Hamilton drehte von der ersten bis zur letzten Runde ohne Aussicht auf Besserung auf dem siebten Platz seine Runden. Bei ihm litten die Hinterreifen. Nach dem Sprint diagnostizierten die Ingenieure ein Problem mit der Vorderachse des Mercedes. Ein Lager war ausgeschlagen.

Die Mercedes-Piloten erkannten ihr Auto am Samstag kaum wieder.
Mercedes-Absturz in 24 Stunden
Hamilton ließ sein Auto umbauen. Russell änderte nichts. Beide Fahrer merkten schon früh, dass ihre Autos sich ganz anders anfühlten als am Vortag. "Dabei waren die Bedingungen ähnlich wie gestern", rätselte Russell. Die Asphalttemperaturen lagen an beiden Tagen bei 37 Grad. Nur der Wind hatte etwas aufgefrischt. Doch das konnte keine Erklärung dafür sein, dass ein potenzielles Siegerauto plötzlich zum Problemfall wurde.
Russell sah darin einen Spiegel der gesamten Saison. "Wenn wir unser Auto in das magische Fenster bringen, können wir auf die Pole-Position fahren und Rennen gewinnen. Wenn nicht, stehen wir im Nirgendwo." Hamilton beschrieb das Nirgendwo so: "Das Auto war ein Alptraum. Ich fand keinen Grip, die Balance schwankte von einem Extrem ins andere."
Die Quittung war, dass selbst das Q1 für den fünffachen Austin-Sieger zur unüberwindbaren Hürde wurde. Sein Fazit: "Das Auto ist so schlecht, dass ich besser alles umbaue und aus der Boxengasse starte." Es wird ein langer Weg nach vorne. Eine um 95 Meter verkürzte DRS-Zone auf der lange Gerade hat das Überholen schwieriger gemacht.

Hamilton hat angeboten, dem Schwesterauto seine Upgrade-Teile zur Verfügung zu stellen.
Zu wenige Ersatzteile für zwei Fahrer
George Russell kam mit Ach und Krach durch die erste K.O.-Runde und schaffte es dann sogar bis ins Q3. Aber auch der Österreich-Sieger klagte über Balanceprobleme. "In der letzten Runde wollte ich es erzwingen. Dabei ging mir in Kurve 19 die Straße aus." Der Aufprall in die Absperrungen war so heftig, dass das Medical-Car ausrücken musste. Also über 15 g Verzögerung. Einziger Lichtblick: "Bis Kurve 12 lag ich auf der Zeit von Norris."
Weil die gelbe Flagge an dieser Stelle alle anderen einbremste, behielt Russell seinen sechsten Platz. Doch Freude kam nicht auf. Der 26-jährige Engländer wusste genau, dass es von dem mit so viel Hoffnung begleiteten Upgrade (Frontflügel, Unterboden, Motorabdeckung, Vorderachse, Querlenker) nur zwei Exemplare gibt. Und seines hatte sich in einen Haufen Kohlefaser-Müll verformt.
Hamilton bot dem Kollegen sofort sein Upgrade-Kit an, weil Russells Chancen am Sonntag von Startplatz 6 deutlich besser gewesen wären als die des Rekordsiegers. Doch die noble Geste ließ sich nicht realisieren. Weil der Schaden so umfangreich war, mussten die Mechaniker schon um 7 Uhr abends mit der Reparatur anfangen, als das Auto eigentlich hätte unter Parc-fermé-Bedingungen ruhen müssen.
Die Folge ist ein Start aus der Boxengasse für Russell am Sonntag. Mercedes bestückte den Silberpfeil mit den Teilen der Singapur-Spezifikation und ließ das Upgrade am Auto von Hamilton. Hamilton wollte mit einem neuen Setup eigentlich auch aus der Boxengasse starten. Doch die Ingenieure entschieden sich schließlich gegen einen Umbau. Hamilton rückt somit in der Startaufstellung auf P16 auf.