Vier Titel-Kandidaten 2025: McLaren lehnt Favoritenrolle ab

Von der Beinahe-Pleite zum Weltmeister
McLaren lehnt Favoritenrolle ab

Veröffentlicht am 23.01.2025

Dieser Aufstieg ist beispiellos. McLaren-Chef Zak Brown kann es manchmal selbst kaum glauben. "Im Corona-Jahr 2020 standen wir kurz vor der Pleite. Wenn wir nicht von unseren Anteilseignern aus Bahrain und einem externen Finanzinvestor eine Geldspritze bekommen hätten, wäre es nicht weitergegangen. Seit 2023 arbeitet McLaren profitabel."

Und seit dem Finale 2024 in Abu Dhabi ist McLaren wieder Konstrukteurs-Weltmeister. Zum ersten Mal seit 1998. Bis 2012 baute McLaren noch siegfähige Autos. Dann ging es bergab. McLaren geriet in den Teufelskreis, in dem erst der Erfolg und dann die Sponsoren ausblieben. Tiefpunkte waren die Jahre 2015 und 2017, in denen der zweitälteste Rennstall der Formel 1 jeweils auf Platz neun landete.

Ab 2018 ging es, mit einer kleinen Delle 2022, nur noch bergauf. Brown nennt die Gründe dafür: "Die Menschen, die Strukturen ein neuer Teamgeist, eine alte Story neu verpackt. McLaren ist wieder angesagt. Und heute haben wir die besten Sponsoren der Welt." Der WM-Titel war das Sahnehäubchen auf die Erfolgsstory, die mit dem Upgrade beim GP Österreich 2023 so richtig Fahrt aufnahm. Seitdem brachte jeder Entwicklungsschritt eine Steigerung.

Lando Norris - McLaren - GP Abu Dhabi 2024 - Yas Marina - Formel 1
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Bewährte Führungsstruktur bei McLaren

Teamchef Andrea Stella änderte dafür die Stellschrauben im Technikbüro. Die Verantwortung trägt jetzt ein Trio aus Rob Marshall, Peter Prodromou und Neil Houldey. Es versickert nichts mehr in komplizierten Hierarchien. Entscheidungen werden schneller umgesetzt. Und jeder der Abteilungsleiter ist Meister seines Fachs. Marshall für das Gesamtkonzept, Prodromou für die Aerodynamik, Houldey für die Performance des Autos.

Mit Marshall ist McLaren ein echter Glücksgriff gelungen, dem Red Bull längst hinterher weint. "Rob hat den Überblick über das Gesamtpaket, vom Layout bis zum Detail. So einer hat uns vorher noch gefehlt", lobt Stella.

Und Marshall ist ein Experte auf dem Gebiet der Aero-Flexibilität, was in der Saison 2024 zum Matchwinner wurde. Keiner verbog den Frontflügel so kontrolliert wie McLaren. Keiner wagte sich beim Heckflügel so nah ans Limit und manchmal auch ein bisschen drüber hinaus. Getreu nach dem Motto: Erlaubt ist, was die FIA absegnet.

Weniger Zeit im Windkanal

Seit der neue Windkanal und der modernisierte Simulator in Woking ans Netz gegangen sind, konnte McLaren die Schlagzahl erhöhen. "Als wir noch in Köln bei Toyota waren", erzählt Stella, "wurde ein neues Teil fertig, und es hat zwei Tage gedauert, bis wir es im Windkanal hatten. Jetzt können wir es in zwei Stunden testen."

Als Weltmeister muss sich McLaren im ersten Halbjahr mit 70 Prozent der Windkanalzeit im Vergleich zum siebtplatzierten Referenz-Team (Haas) begnügen. Zum Start des Vorjahres war der Rennstall als Vierter noch mit 85 Prozent der Standard-Belegungszeit eingestuft. Stella macht der Rückfall aber keine großen Sorgen: "Wir setzen auf Qualität statt Quantität und haben vermehrt unser Wissen gestärkt und effizientere Testabläufe eingeführt."

Obwohl McLaren über weite Strecken der abgelaufenen Saison das schnellste Auto hatte und mit Lando Norris und Oscar Piastri fahrerisch bestens besetzt ist, verweigert Zak Brown die Favoritenrolle: "Es wäre arrogant so zu denken. Für mich gibt es vier Teams, die gewinnen können. Und wir sind einer dieser Kandidaten."

Der Erfolg von McLaren hat gezeigt, dass man als Kunde vor den Werksteams keine Angst haben muss. "Es gibt keine Nachteile mehr, seit die FIA die Motorkennfelder für alle Teams eines Herstellers gleichgeschaltet hat. Der Motor, den Hamilton gefahren ist, war nicht besser als der von Lando", beteuert Brown. "Das Werksteam hat nur noch einen Vorteil. Es kennt die Daten seines Motors früher. Das verschafft ihnen einen kleinen Vorsprung bei der Verpackung der Komponenten."