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Neuer McLaren-Windkanal in Woking
So entsteht der künstliche Wind

Im vergangenen Herbst ist McLaren in seinen neuen Windkanal eingezogen. Das Upgrade der Infrastruktur soll dabei helfen, Red Bull herauszufordern. Beim Bau mussten jedoch einige Probleme überwunden werden.

McLaren - F1-Windkanal - 2023
Foto: McLaren

Geld ausgeben, um Geld zu sparen, lautete das Motto, als die McLaren-Führung unter dem damaligen Teamchef Andreas Seidl 2019 entschied, einen neuen Windkanal zu bauen. Eigentlich hätte das Infrastruktur-Vorhaben schon 2021 fertig werden sollen. Doch eine Reihe von Verzögerungen, darunter die Corona-Pandemie, Probleme mit den Lieferketten und finanzielle Nöte, verzögerten den Einzug um zwei Jahre. Erst Mitte 2023 konnten die Ingenieure mit der Kalibrierungsphase beginnen. Nach der Sommerpause startete dann die eigentliche Entwicklungsarbeit mit dem 2024er-Modell.

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Mit der Inbetriebnahme war endlich Schluss mit den zeit- und kostenintensiven Reisen der Aerodynamiker nach Köln. McLaren hatte sich seit 2010 im Windkanal von Toyota eingemietet, nachdem der alte Windkanal in der Fabrik in Woking nicht mehr den Ansprüchen der modernen Formel 1 genügt hatte. Doch die komplizierte und zeitraubende Logistik sowie die Mehrausgaben für Miete sowie den Transport von Teilen und Personal bremsten das Entwicklungstempo.

Vor allem seit Einführung des Budget-Deckels im Jahr 2021 konnte und wollte man sich die operativen Extra-Kosten nicht mehr leisten. Nach 13 Jahren ohne eigenen Windkanal ist es nun vorbei mit den Dienstreisen ins 620 Kilometer entfernte Köln. Die Aero-Tests werden seit September wieder direkt im McLaren Technology Center (MTC) in Woking durchgeführt, in direkter Nachbarschaft der Büros der Designabteilung.

Geld spielte auch beim Bau der neuen Anlage eine wichtige Rolle. Laut McLaren-Boss Zak Brown hätte man für einen brandneuen Windkanal bis zu 80 Millionen Euro hinblättern müssen. Das kam für den damals finanziell angeschlagenen Rennstall nicht infrage. Stattdessen entschieden sich die Verantwortlichen dazu, so viele Komponenten der alten Anlage wie möglich wiederzuverwenden. So reduzierte man die Investitionssumme am Ende auf rund 30 Millionen Euro.

McLaren - F1-Windkanal - 2023
McLaren

Mit der neuen Anlage will McLaren Geld sparen. Und die Ergebnisse sollen besser werden.

60- statt 50-Prozent-Modell

"Als das Projekt genehmigt wurde, haben wir direkt mit dem Designprozess für den neuen Windkanal begonnen, während gleichzeitig der Abriss des alten Modells lief", erklärt Projektleiterin Hannah Allan. "Beim Abbau mussten wir große Metallträger in kleine Teile zerlegen, damit sie durch die Türen im Gebäude passten."

Die Entscheidung gegen einen kompletten Neubau machte die Angelegenheit zwar günstiger, aber nicht gerade einfacher. Die neuen Komponenten mussten ebenfalls in kleinen Abschnitten angeliefert werden, um dann vor Ort zusammengeschweißt oder festgeschraubt zu werden. Der limitierte Platz in den alten Räumlichkeiten zwang die Techniker dazu, sich bei den Dimensionen stark einzuschränken.

"Der neue Windkanal ist so hoch und breit wie möglich", verrät Entwicklungsdirektor Christian Schramm. "Wir mussten beim Design viele individuelle Lösungen finden. Das hat Zeit gekostet. So ist zum Beispiel die rollende Laufbahn exakt so breit wie die Tür, durch die sie geliefert wurde."

Die Vorgängeranlage fiel kompakter aus, weil sie nur für 50-Prozent-Modelle ausgelegt war. Nun können in Woking endlich Probeläufe mit Testträgern durchgeführt werden, die das Original im maximal erlaubten Maßstab von 60 Prozent nachbilden. Je größer das Modell, desto genauer sind die Ergebnisse.

McLaren - F1-Windkanal - 2023
McLaren

Die Ingenieure mussten bei der Konstruktion zaubern. Die Rollbahn ist so breit, wie die Tür, durch die sie geliefert wurde.

Platzproblem durch große Autos

Innerhalb des sogenannten Testbereichs, in dem das verkleinerte Auto über einen von der Decke hängenden Steg fixiert wird, ist nur moderne Technik verbaut. Bei der externen Stahlkonstruktion konnte man dagegen noch viel vom alten Bauwerk übernehmen. Die ganze Anlage hat die Form einer geschlossenen Röhre mit vier Ecken, in der die Luft durch ein Axialgebläse beschleunigt wird.

"Beim Hochfahren verbraucht die Anlage bis zu einem Megawatt an Leistung", rechnet Schramm vor. "Ist die Luft aber erst mal in Bewegung, dann wird es deutlich weniger. Dabei ist es wichtig, dass die Rotorblätter bis ganz nah an den Rand der Röhre reichen. Das verbessert die Effizienz."

Zahlreiche Leitbleche an den Seitenwänden des Luftkanals sorgen dafür, dass keine unerwünschten Wirbel entstehen. Die Strömung wird zwischendurch auch noch durch einen Wärmetauscher geschickt. Dieser stellt sicher, dass der künstlich erzeugte Wind immer die gleiche Temperatur von 20 Grad aufweist. Um repräsentative Ergebnisse zu bekommen, müssen bei jedem Run identische Bedingungen herrschen. Kurz, bevor der Luftstrom dann auf das Modell trifft, wird seine Geschwindigkeit auf 50 Meter pro Sekunde (180 km/h) beschleunigt. Mehr erlaubt das aktuelle Formel-1-Reglement nicht.

Beinahe wäre das Infrastruktur-Projekt an der Platznot gescheitert. Weil die echten Autos in den letzten Jahren immer größer wurden, musste auch der Windkanal mitwachsen. "Die Laufbahn unter dem Auto bewegt sich in der gleichen Geschwindigkeit wie die Luft im Windkanal", erklärt Entwicklungsingenieur Alan Stovold. "Wir können das Modell in unterschiedlichen Arten darauf positionieren, um bestimmte Fahrzustände und Strömungswinkel auf der Rennstrecke zu simulieren und dabei die aerodynamischen Kräfte zu messen. Wenn dabei aber ein Teil des Modells zu nah an die Wände ragt, wird der Luftstrom gestört und die Daten verfälscht."

McLaren - F1-Windkanal - 2023
McLaren

Bei der Einrichtung gab es weniger Probleme als erwartet. Der Übergang von Köln nach Woking verlief reibungslos.

Höhere Trefferquote

Kompliziert ist vor allem die Simulation von Kurvenfahrten, bei der die eingeschlagenen Vorderräder und die nicht mehr frontal auf das Auto treffende Strömung die Aerodynamik negativ beeinflussen. Hier erhoffen sich die Techniker in Zukunft deutlich aussagekräftigere Daten im Vergleich zu den Testläufen im Toyota-Windkanal.

Wichtig ist aber nicht nur das Sammeln der Daten, sondern auch deren Interpretation. Manchmal bringen die Experimente Topwerte bei Abtrieb oder Luftwiderstand hervor, die jedoch nur in einem kleinen Fenster erzielt werden können. Für die Aerodynamik-Spezialisten ist es aber wichtiger, stabile Bedingungen in so vielen Fahrzuständen wie möglich zu erreichen, damit das Fahrverhalten berechenbar ist und der Pilot Vertrauen aufbauen kann.

Selbst die Beschaffenheit der Oberfläche der laufenden Rolle unter dem Auto kann einen Einfluss auf die Ergebnisse haben. Ist die Struktur rauer, passen die Ergebnisse besser mit Strecken überein, die einen gröberen Asphalt aufweisen. Leider lässt sich die Rolle nicht einfach zwischen den Runs austauschen.

Die Techniker müssen also viele Faktoren einbeziehen, um herauszufinden, ob ein neues Teil wirklich in Produktion gehen soll. Durch den Budget-Deckel wird ein Upgrade heutzutage nur noch dann gebaut, wenn es auch einen wirklichen Fortschritt verspricht. Die Zeiten von "trial and error", in denen auch mal etwas einfach in der Praxis ausprobiert wurde, sind vorbei.

McLaren - F1-Windkanal - 2023
McLaren

Echte Fotos aus dem Testbereich gibt es keine. Der ist streng geheim. Zur Veranschaulichung hat McLaren aber ein paar computergenerierte Bilder zur Verfügung gestellt.

Viele Runs und gute Ideen

Um zu checken, ob die Daten der neuen Anlage auch mit früher ermittelten Werten übereinstimmen und auf die Rennstrecke übertragbar sind, stellten die Ingenieure kurz vor der Sommerpause 2023 noch einmal ein altes Auto in den gerade fertiggestellten Windkanal. "Normalerweise befürchtet man in dieser letzten Phase der Einrichtung immer kleinere Überraschungen, die Nachjustierungen zur Folge haben. In diesem Fall lief aber alles reibungslos und besser, als wir es erwartet haben", lobte Teamchef Andrea Stella seine Kollegen.

In der zweiten Hälfte der Saison profitierte McLaren vom schlechten Start in das Jahr. Zum Stichtag am 30. Juni lag das Traditionsteam nur auf Rang sechs in der Konstrukteurswertung und bekam dank des Handicap-Systems mehr Windkanal-Runs zugestanden als Red Bull, Mercedes, Ferrari, Aston Martin und Alpine. "Man kann viele Windkanal-Runs haben, aber was es wirklich ausmacht, ist die Qualität der Ideen und der verschiedenen Konzepte, die man ausprobiert. Da waren wir in einer sehr guten Position", erinnert sich Stella.

In der neuen Saison soll es schon früh die ersten Upgrades geben. Man will Red Bull direkt unter Druck setzen. "Wir konnten das hohe Entwicklungstempo, das wir während der Saison mit dem 2023er-Auto angeschlagen haben, auch bei den ersten Schritten mit dem 2024er-Modell fortführen. Ob die Verbesserungen ausreichen, werden wir aber erst auf der Strecke sehen. Wir können leider nicht abschätzen, was die anderen machen."

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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