Schon wieder ein McLaren-Doppelsieg. Der einzige Gegner fuhr ab der 45. Runde mit dem Rücken zur Wand. Charles Leclerc musste Tempo aus seiner Fahrt nehmen. Warum wollte Ferrari nicht sagen. So blieben nur noch die zwei McLaren übrig. Doch da fuhren Lando Norris und Oscar Piastri bereits unter umgekehrten Vorzeichen.
In der ersten Hälfte des Rennens war Piastri der Mann, der auf Sieg gespielt wurde. Lando Norris fiel in der Startrunde auf den fünften Platz zurück und schaute dann 18 Runden lang George Russell in den Auspuff. Zu dem Zeitpunkt hatte der Engländer bereits fünf Sekunden Rückstand auf Piastri, der dem Ferrari von Leclerc nur mit Mühe folgen konnte.
Die schlechte Startrunde erwies sich später als Glück für Norris. Da reifte in ihm der Gedanke, es vielleicht mit einem Einstopp-Rennen zu versuchen. Mit der gleichen Taktik wäre er nie mehr an seinem Teamkollegen vorbeigekommen. McLaren-Teamchef Andrea Stella gab zu, dass man mit beiden Autos mit zwei Reifenwechseln plante, weil man einen für schwer machbar hielt.
Zweifel, ob ein Stopp funktioniert
Als sich Piastri und Leclerc mit Boxenstopps in den Runde 18 und 19 neutralisierten und Norris auf seinen älteren Reifen immer mehr Boden verlor, war klar, dass seine einzige Chance darin bestand gegen den Strom zu schwimmen. "Selbst da waren wir noch skeptisch, dass ein Stopp funktioniert", zweifelte Stella.
Erst als Norris seinen Boxenstopp bis zur 31. Runde hinauszögern konnte und mit überraschend schnellen Runden auf alten Medium-Reifen den Rückstand auf Leclerc und Piastri erträglich hielt, gab McLaren der Alternativ-Strategie des Engländers die Absolution. Für Norris ging es da noch nicht einmal um den Sieg. "Zu dem Zeitpunkt dachte ich eher an den zweiten Platz."

McLaren verfolgte zwei komplett unterschiedliche Taktiken.
Als Norris seinen 39-Runden-Stint mit den harten Reifen begann, lag er 18,9 Sekunden hinter seinen Gegnern und damit bereits in deren Boxenstopp-Fenster, Daraus entwickelte sich ein Katz- und Mausspiel. Jetzt musste Norris den Boden gutmachen, von dem er am Schluss zehren konnte. In der 39. Runde hatte er den Rückstand auf Leclerc auf 14,1 und auf Piastri auf 12,5 Sekunden reduziert. Dann ging Leclerc an die Boxen und verschwand wegen seiner Probleme schnell vom McLaren-Radar.
Für Piastri war der Einstopp-Zug schon mit dem frühen ersten Boxenstopp abgefahren. Jetzt stand er vor der Aufgabe, die Norris zwischen den Runden 18 und 31 meistern musste. Er durfte den Vorsprung auf Norris nicht zu klein werden lassen, weil er jedes Zehntel, das er jetzt verlor, am Ende wieder aufholen musste.
12 Sekunden in 24 Runden
Piastris Crew entschied sich so lange wie möglich zu warten, auch auf die Gefahr hin, Leclerc auf der Strecke überholen zu müssen. Man konnte aber schon am Zeitenmonitor erkennen, dass der Ferrari-Pilot gehemmt fuhr. Der würde Piastri nicht lange aufhalten. In der 45. Runde holte sich der Australier in rekordverdächtigen 1,9 Sekunden vier neue harte Reifen ab. Medium-Gummis hatte McLaren nicht mehr im Angebot.
Piastri blieben 24 Runden um zwölf Sekunden aufzuholen. Eine machbare Aufgabe bei einem Reifen-Delta von 14 Runden. Fünf Runden vor Schluss lag der WM-Spitzenreiter im DRS-Bereich seines Stallrivalen. Doch bis auf einen Verzweiflungsangriff in der ersten Kurve, bei dem sich die beiden Papaya-Rennen fast berührt hätten, kam nichts mehr heraus.

Keine schlechte Stimmung: Piastri freute sich mit Norris.
Das Überhol-Delta für den Hungaroring lag bei einer Sekunde. Piastri war zu dem Zeitpunkt aber nur noch fünf bis sechs Zehntel schneller. Er stellte auch fest: Freie Fahrt ist etwas anderes als Fahren im Verkehr. "Die Auswirkungen der Turbulenzen sind in langsamen Kurven inzwischen schlimmer als in schnellen", verrät Nico Hülkenberg.
Piastri räumte ein: "Ich hätte zwei Zehntel näher an Lando dran sein oder er hätte einen Fehler machen müssen. Beides ist nicht passiert. Und je näher du auffährst, umso mehr bezahlst du den Preis. Du holst mit zwei, drei guten Kurven im Mittelsektor auf und wirst in der nächsten Kurve bestraft, weil der Anpressdruck fehlt."
Piastri bekam eine faire Siegchance
Der Strategie-Split warf die Frage auf, ob das im Rahmen der Papaya-Regeln ablief, die sich Fairness auf ihre Fahnen geheftet haben. Die McLaren-Fahrer haben in dieser Saison zwar schon öfter beim Boxenstopp-Timing abweichende Strategien gefahren, doch so unterschiedlich waren die Rennen von Piastri und Norris noch nie.

Der Angriff von Piastri auf Norris sah spektakulär aus.
Piastri sah darin keine Benachteiligung. "Aus meiner Position war es wichtig, an Leclerc vorbeizukommen. Ein Stopp wäre dazu ein zu großes Risiko gewesen. Als sich Lando dafür entschied hatte er nichts zu verlieren. Was mich betrifft, war es vielleicht nicht die beste Idee so früh einen Undercut gegen Leclerc zu versuchen, doch hinterher bist du immer schlauer."
Auch Andrea Stella sah in der unterschiedlichen Behandlung keine Strafe für Piastri. Ganz im Gegenteil. "Wir haben mit dem späten zweiten Stopp sichergestellt, dass Oscar noch eine faire Chance hat, Lando zu schlagen. Er bekam das größtmögliche Reifen-Delta und genug Runden, den Rückstand noch aufzuholen."