Beim Rennen um die Tagesbestzeit hatte sich Lando Norris am Donnerstag (27.2.) versteckt. Als er einmal aussichtsreich unterwegs war, bog er in die Boxengasse ab. Doch dann zeigte der McLaren, was er kann. Der Vize-Weltmeister legte eine Rennsimulation auf die Bahn, an der die Formel-1-Konkurrenz zu knabbern hat.
Norris hängte Charles Leclerc im Ferrari, Andrea Kimi Antonelli im Mercedes und Liam Lawson deutlich ab. Der Engländer war mit einer durchschnittlichen Rundenzeit von 1.35,5 Minuten im ersten Stint im Schnitt um drei Zehntel schneller als Antonelli und vier als Leclerc. Im zweiten Stint betrug der Vorsprung des McLaren-Piloten auf seine beiden Mitstreiter jeweils drei Zehntel im Mittel.
Im Schlussabschnitt packte Norris dann den Hammer aus. Seine durchschnittliche Rundenzeit lag mit 1.32,9 Minuten 1,2 Sekunden unter der von Ferrari und 1,3 Sekunden unter der von Mercedes. Das ist nur zum Teil damit erklärbar, dass Norris mit dem weicheren C2-Reifen unterwegs war, seine Konkurrenten aber mit Pirellis härtester Mischung C1. Dafür war es im Mittel-Stint umgekehrt. Leclerc und Antonelli hatten C2-Reifen auf dem Auto montiert, Norris den C1-Gummi. Und trotzdem war der vierfache GP-Sieger schneller.

McLaren hat beim MCL39 die Traktion gegenüber dem Vorgänger-Modell verbessert.
McLaren mit besserer Traktion
Im italienischen Blätterwald wurde bereits Alarm ausgerufen. Tenor: Ferrari verliert über die Renndistanz eine Minute auf McLaren. Mercedes reagierte entspannter. Dort geht man davon aus, dass George Russell mit seinem Erfahrungsvorsprung in einem Longrun noch drei Zehntel pro Runde schneller sein sollte als der Formel-1-Rookie Antonelli.
Genauso rechnet Red Bull. Liam Lawson muss erst mit der Aufgabe wachsen. Max Verstappen ist ein anderes Kaliber. Dazu war der Red Bull erst am letzten Testtag (28.2.) mit der Melbourne-Spezifikation unterwegs. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag kamen ein neuer Frontflügel und ein modifizierter Unterboden ans Auto.
Eines sollte den Gegnern von McLaren aber zu denken geben. "Bahrain war für uns in der Vergangenheit immer eine schwierige Strecke. Im letzten Jahr waren wir nur die vierte Kraft. Hier wird viel Traktion verlangt, und da haben wir Zeit verloren. Jetzt sieht es so aus, als hätten wir an unserer Schwachstelle dazugewonnen, ohne unsere Stärke in den mittelschnellen Kurven zu opfern", fasst Teamchef Andrea Stella den ersten Longrun mit dem neuen MCL39 zusammen.
Während die meisten Teams Bahrain mit seinem seltsamen Layout und wenig Varianz in den Kurvenradien eher als Ausreißer und deshalb als keine relevante Teststrecke beurteilen, sieht das Stella anders: "Für uns ist Bahrain ein guter Indikator dafür, ob wir unsere Probleme gelöst haben. In Melbourne oder Suzuka hätten wir weniger gelernt."

Lando Norris überzeugte bei seiner Rennsimulation am zweiten Testtag (27.2.).
Der McLaren MCL39 ist überall schnell
Ein Fragezeichen bleibt, aber das gilt für alle. Die ungewöhnlich tiefen Temperaturen in Verbindung mit dem Wind und dem rauen Asphalt könnten die Testergebnisse verfälscht haben. Erst am Finaltag der offiziellen Formel-1-Testfahrten kam die Sonne heraus und heizte den Asphalt auf über 33 Grad auf. Auch nicht gerade das, was man von Bahrain erwartet, aber doch ein ganzes Stück repräsentativer.
Deshalb warten alle gespannt auf den Nachmittag des letzten Testtages, wenn alle noch einmal für eine Rennsimulation ausrücken. Eines ist aber jetzt schon sicher. Der Weg zum Sieg führt über McLaren. GPS-Messungen zeigen, dass die Papaya-Renner an den ersten beiden Tagen das Maß aller Dinge waren. Norris erzielte mit 322 km/h den höchsten Topspeed, und er war trotzdem in allen Kurventypen der Schnellste.