McLaren lässt nicht locker. Dabei hat man in der Konstrukteurs-WM schon 207 Punkte Vorsprung auf Ferrari. Und Max Verstappen müsste schon zwei Rennen gewinnen, bei gleichzeitigem Ausfall der McLaren-Piloten, um wieder in Schlagdistanz zu kommen. Trotzdem steckte McLaren am Red-Bull-Ring mitten in einem dreistufigen Technik-Upgrade.
Das hat bei McLaren Methode. Seit es immer schwieriger wird, mit diesen Autos Rundenzeit zu finden, seit die Konkurrenz immer häufiger mit den Nebenwirkungen von zu großen Entwicklungsschritten zu kämpfen hat, schlägt McLaren lieber den vorsichtigen Weg ein. Das Technikbüro bringt die Upgrades in kleinen Portionen. So sieht man schnell, ob man sich auf der richtigen Spur bewegt. Und landet man mal keinen Treffer, ist das verantwortliche Teil schnell ausgemacht.
Im letzten Jahr verteilte man nach der Runderneuerung des Autos in Miami die weiteren Upgrades auf jeweils zwei Schritte. Das erste kam in Zandvoort und Monza, das zweite in Austin und Mexico-City. Der jüngste Entwicklungsschritt des MCL39 ist dreistufig ausgelegt. In Montreal Frontflügel, Heckflügel und Vorderachse, in Spielberg Bremsbelüftungen und Querlenker vorne, eine Änderung am Chassis und die Hinterachse. Für Silverstone wird der Abschluss des Upgrades erwartet.

Stillstand bedeutet Rückschritt in der Formel 1. Deshalb entwickelt auch McLaren sein Auto immer weiter.
Mehr Effizienz, mehr Gefühl
McLaren ging in Österreich erstaunlich offen mit den Bemühungen um, den Abstand zu den Verfolgern zu vergrößern. Der Frontflügel von Montreal ist zusammen mit den Bremsbelüftungen, der Chassis-Kosmetik und den Querlenker-Verkleidungen an der Vorderachse ein Paket, das die vordere Partie des Autos aerodynamisch effizienter macht. Also mehr Grip bei weniger Luftwiderstand. Es wurde angedeutet, dass die entsprechenden Maßnahmen im Heck noch folgen sollen.
Die Modifikationen an der Geometrie der Vorderachse in Montreal zielten ausschließlich darauf ab, den Fahrern ein besseres Gefühl für den Grip des Reifens auf der Bremse zu geben. Lando Norris nahm das Geschenk dankend an. Oscar Piastri kehrte wieder zur alten Version zurück. "Das ist kein Upgrade im eigentlichen Sinne", erklärt Teamchef Andrea Stella, "sondern eher so etwas wie ein Abstimmungs-Werkzeug. Die Fahrer können entscheiden, ob sie es möchten oder nicht."

Beherrscht jetzt auch McLaren den Trick mit dem absenkenden Heck?
Hängen Hinterachse und Top-Speed zusammen?
Das interessanteste Detail an McLarens Technik-Offensive ist die Hinterradaufhängung. Hier ging es hauptsächlich um die Kinematik. Und die stabilisiert eine ohnehin schon gute Aerodynamik-Plattform. Neil Houldey, einer von drei Technikdirektoren bei McLaren, erklärte in Spielberg, dass man sich da etwas von der Konkurrenz abgeschaut habe und einem Trend folge, den andere gesetzt haben.
In Detail wollte das McLaren-Urgestein nicht gehen. Man kann sich aber vorstellen, dass McLaren nun auch jene "Absenkvorrichtung" benutzt, die die Fahrzeughöhe ab einer bestimmten Last auf den gewünschten Wert bringt, und damit sicherstellt, dass der Abtrieb stabil bleibt. "Die neue Aufhängung gibt dem Auto am Kurveneingang mehr Stabilität", verrät Houldey.
Nach Aussagen von Teams, die ein solches System verwenden, liegt ein Vorteil auch im höheren Top-Speed. Zusammen mit den Änderungen an der Frontpartie könnte das den McLaren also auf den Geraden helfen. Bis Montreal rangierten die Papaya-gelben Autos beim Top-Speed immer in hinteren Drittel des Feldes. In Spielberg waren Norris und Piastri sowohl im Rennen als auch im Qualifying plötzlich bei allen Speed-Messungen vorne.

Schon zur Saisonhalbzeit sind McLaren die WM-Titel kaum noch zu nehmen.
Baukasten mit Aero-Optionen
Houldey verrät noch eine interessante Konsequenz der jüngsten Entwicklungsschritte. "Wir haben generell Performance gefunden, aber nun auch einen Baukasten aus unterschiedlichen Aerodynamik-Optionen, die wir je nach Strecke oder nach Präferenz der Fahrer miteinander verbinden können. Manche Dinge bringen auf bestimmten Strecken Vorteile, auf anderen weniger. Wenn man sie richtig auswählt, führt das zu einem weiteren Zeitgewinn."
Stella fasst das ganze einfach zusammen: "Uns ist es gelungen, ein gutes Auto noch besser zu machen." Wer soll McLaren da noch schlagen?