Bei McLaren hat man erkannt, dass man sich den Fahrertitel von Lando Norris abschminken kann, wenn man weiter so macht wie in Monza. Oscar Piastri hatte seinen Teamkollegen in der ersten Runde attackiert, wodurch sich Charles Leclerc zwischen die beiden McLaren schob. Am Ende blieben nur die Positionen zwei und drei, wobei sich Norris mit dem Bronzeplatz zufriedengeben musste.
In Zukunft soll das anders aussehen. Attacken wie in Monza, von der die Konkurrenz profitieren kann, soll es nicht mehr geben. Wenn es nicht gerade um Siege geht, werden die Plätze notfalls getauscht, damit Norris maximale Punkte einfährt. "Wir wollen nicht mehr in solche Situationen wie in Monza kommen. Das hat dem Team geschadet", erklärte Teamchef Andrea Stella im Gespräch mit der BBC.
Zu härteren Duellen unter den beiden Teamkollegen soll es nicht mehr kommen.
Neuer Ansatz bei McLaren
Nach dem GP Italien hat sich die Teamleitung mit den Fahrern zusammengesetzt, um neue Regeln aufzustellen: "Wir haben uns drei Aufgaben gestellt: Erstens wollen wir sicherstellen, dass nichts, was auf der Strecke passiert, dem Team schadet. Zweitens wollen wir beide WM-Titel gewinnen. Und drittens wollen wir die Ziele erreichen, ohne rücksichtslos vorzugehen."
Die unterstützende Rolle von Piastri soll erst einmal für die Rennen in Baku und Singapur gelten. Danach wird geschaut, wie es gelaufen ist und wie sich der Rückstand von Norris auf WM-Rivale Verstappen verändert hat. Wie Regeln auf der Strecke nun genau gelten, ist nicht klar. Auch die Fahrer konnten nicht sagen, in welchen Situationen ab sofort Stallregie ausgesprochen wird.
"Alle verschiedenen Szenarios durchzugehen, wäre unmöglich", erklärte Piastri in Baku. "Es geht auch nicht einfach nur darum, dass ich für Lando zur Seite fahre. So will er das auch gar nicht. Es geht mehr darum, den Fahrer zu belohnen, der an einem Rennwochenende den besseren Job gemacht hat. Ich habe selbst ja auch noch Ziele in der WM. Es ist uns wichtig, dass das Vertrauen und der Respekt nicht verloren gehen."
Andrea Stella will eine Stallregie - aber mit dem nötigen Respekt.
Muss Piastri Siege abgeben?
Die Frage lautet, ob Piastri im Ernstfall auch einen möglichen Sieg abgeben muss. Teamchef Stella hat seinen Youngster schon mal auf diese Situation vorbereitet: "Ich habe ihn gefragt, ob er einen Sieg aufgeben würde. Er hat geantwortet, dass es für ihn schmerzhaft wäre, er es aber für das Team machen würde. Ich bin sehr beeindruckt von seinem Teamgeist und seiner Reife."
Norris selbst will aber gar keine geschenkten Siege. "Vielleicht kommt es am Ende so, dass er mir gar nicht helfen muss. Wenn er um einen Sieg kämpft und den auch verdient, dann darf er ihn behalten. Die mögliche Hilfe betrifft eher die Positionen dahinter. Ich möchte aber nicht, dass man mir den Titel einfach schenkt. Auf so etwas kann man dann am Ende nicht stolz sein. Ich will beweisen, dass ich der Beste auf der Strecke bin."
Piastri selbst hofft, dass er in der Zukunft selbst davon profitiert, wenn er seinem Teamkollegen jetzt hilft. Keiner kann sagen, wie sich das Verhältnis der beiden Fahrer entwickelt. Möglicherweise sind die Rollen schon in der nächsten Saison vertauscht und Norris muss den Support liefern.
Piastri hat sich damit arrangiert, für den Rest der Saison den Wasserträger zu spielen.
Zeitpunkt passt
Piastri gibt sich vor dem Rennen in Baku als Teamplayer: "Natürlich macht Stallregie niemals Spaß. Aber ich sehe das große Bild. Es geht nicht nur um mich. Ich fahre für ein Team, das mir die Möglichkeit gibt, in der Formel 1 zu fahren und hier Rennen zu gewinnen. Dafür bin ich dankbar. Da nehme ich jetzt gerne eine unterstützende Rolle ein."
Piastri weiß auch, dass sein Teamkollege aktuell deutlich bessere Chancen als er selbst besitzt, Verstappen in der WM-Tabelle noch abzufangen. "Hätte man die Stallregie früher in der Saison angeordnet, wäre es zu extrem gewesen. Aber jetzt ist es der passende Zeitpunkt, um dem Team dabei zu helfen, beide Meisterschaften zu gewinnen."
