Technik-Analyse: Die Geheimnisse des McLaren MCL39

Was macht McLaren so überlegen?
Die Technik-Geheimnisse des MCL39

GP Spanien 2025
Veröffentlicht am 12.06.2025

Die Zahlen sprechen eine klare Sprache. McLaren hat sieben der neun Grands Prix gewonnen. Drei davon im Doppelpack. Oscar Piastri stand viermal auf der Pole-Position, Lando Norris zweimal. Sieben der neun schnellsten Runden gingen an einen der beiden McLaren-Fahrer, die in der Weltmeisterschaft eine mittlerweile recht komfortable Doppelführung einnehmen. Nur Max Verstappen hat noch halbwegs Sichtkontakt.

Der deutlichste Nachweis der Überlegenheit des britischen Rennstalls ist der Punktestand in der Gesamtwertung der Konstrukteure. McLaren hat bereits 362 Punkte gesammelt. Macht 40,2 im Schnitt. 43 Zähler sind das Maximum an einem Wochenende ohne Sprint. Wenn es in dem Stil weitergeht, wird McLaren am Ende mehr Punkte vorweisen können als Ferrari, Mercedes und Red Bull zusammen.

Bis jetzt lockte nur Max Verstappen die neue Macht in der Formel 1 aus der Reserve. Das passiert immer dort, wo die Kurven schnell, der Asphalt glatt und die Reifenabnutzung gering ist. Bis jetzt traf das nur in Suzuka, Jeddah und Imola zu.

Oscar Piastri - Lando Norris - McLaren - Formel 1 - GP Spanien - Barcelona - 31. Mai 2025
Mark Sutton - Formula 1 via Getty Images

Dominanz schwer greifbar

Überall sonst sind die McLaren praktisch unschlagbar. Das fällt nur nicht so krass auf wie die Einmannshow von Verstappen 2023, weil die Abstände in der Qualifikation relativ klein sind. Im Q1 sind die 20 Fahrer oft nur durch eine Sekunde getrennt. McLaren zeigt seine Stärke meist erst am Sonntag. Und dann auch nur dezent, weil Piastri und Norris nur das Nötigste tun, wenn sie mal vorne sind. Bei Bedarf ziehen sie das Tempo von einer Runde zur nächsten auf Knopfdruck an.

Es ist eine Art Dominanz, die nur schwer greifbar ist. Die Konkurrenz tut sich schwer, hinter das Geheimnis der Papaya-Renner zu kommen, weil die keine ausgewiesenen Stärken oder Schwächen haben. Sie sind an keiner Stelle überragend, aber überall gut. Sie kommen mit schnellen Kurven genauso zurecht wie mit langsamen, gewinnen auf der Bremse nicht mehr als am Scheitelpunkt oder beim Beschleunigen. Wenn überhaupt etwas aus der Reihe fällt, dann der schlechte Topspeed. Doch dafür gibt es Gründe.

Die hervorstechendste Eigenschaft ist, wie die McLaren mit ihren Reifen umgehen. Es sind die einzigen Autos, die den Reifen der weichsten Mischung in den Qualifikationsrunden über die gesamte Runde bringen. Die anderen müssen sich entscheiden, ob sie im ersten Sektor angasen und dafür im letzten mit Gripverlust büßen oder sich am Anfang der Runde zurückhalten, um die Reifen bis zum letzten Sektor im Temperaturfenster zu halten. Verstappen entschied sich in Barcelona für die zweite Variante. Er verlor im ersten Abschnitt 0,195 Sekunden auf Piastri, im zweiten 0,124 Sekunden, machte zum Schluss der Runde aber nur 0,027 Sekunden gut.

McLaren Radträger - GP Miami 2025
ams

Reifen-Rätsel noch immer nicht gelöst

Noch krasser ist dieses Verhalten im Rennen. Die Konkurrenz verliert nach ein paar Runden Grip, weil die Reifen zu heiß werden. Bei McLaren bleibt die Temperatur stabil. Und das liegt nicht nur daran, dass die McLaren-Piloten an der Spitze meistens in sauberer Luft fahren. Das Auto trägt viele kleine Geheimnisse in sich, die schwer zu entschlüsseln sind. Die biegsamen Flügel, vorne wie hinten, waren es nicht. McLaren überstand beide Testverschärfungen unbeschadet. Max Verstappen kommentierte fast schon resignierend: "Ein gutes Auto bleibt ein gutes Auto."

McLaren hat seit Sommer 2023 über einen Entwicklungszyklus mit sechs großen Upgrades und vielen Detailänderungen ein Auto auf die Räder gestellt, das von der Nasenspitze bis zum Heckflügel optimiert wurde. Die Ingenieure Rob Marshall und Peter Prodromou haben bei der Suche nach Abtrieb genau das Maß getroffen, bei dem der Anpressdruck gerade noch stabil ist. Im Gegensatz zu den Gegnern vergrößerte McLaren das Fenster an Fahrzeughöhen, bei denen der MCL39 berechenbaren Abtrieb liefert – für langsame und schnelle Kurven.

Frontflügel, die Geometrie der Vorderachse, seine Querlenker und die Venturi-Kanäle im vorderen Bereich sind eine Komposition, die das Zentrum des Anpressdrucks zentral legt, exakt dort, wo der Fahrer sitzt und das Auto aufsetzt. Deshalb hat der McLaren einen eigenen Kühlkreislauf für das Cockpit. Spezialflüssigkeit zirkuliert durch ein System von Kühlkanälen. Unterbodenkanten, Seitenkästen und die hinteren Bremsbelüftungen sind so gestaltet, dass sie Luftwirbel erzeugen, die die Spalte zwischen Diffusor und Hinterräder wirksam abdichten.

McLaren MCL39 - Technik - GP Saudi-Arabien 2025
xpb

Warum bleiben die Hinterräder ab?

Die Kühlung des Gesamtfahrzeugs wurde so verbessert, dass weniger strömungsstörende Auslasskiemen in die Verkleidung gestanzt werden müssen. Das ganze Auto strahlt weniger Hitze ab, was auch den Reifen hilft. Die Luftführung zwischen den beiden Bremstrommeln ist so angelegt, dass sie die Hitze von den Bremsen ab einem bestimmten Punkt gegen die Felgeninnenwand abschirmt.

Ob dabei Metalle mit niedrigem Phasenwechsel als Hitzeschild verwendet werden, ist nicht bekannt. McLaren äußert sich zu den Themen nicht. Dass der hohe Aufwand für die Kühlung aller möglichen Teile am Auto Luftwiderstand kostet, nimmt McLaren in Kauf. Wer vorne fährt, kann auf Topspeed verzichten.

Ungeklärt ist auch, warum McLaren im eigentlich bedeutungslosen dritten Training immer ans Limit geht und die Gegner mit Fabelzeiten schockt. Oder warum die Mechaniker sich als Sichtschutz in Reihe vor dem Auto aufbauen, wenn an den Bremsbelüftungen gearbeitet wird. Oder warum die Autos in der Startaufstellung als einzige hinten nackt dastehen. Die Hinterräder werden immer erst in letzter Minute montiert. Die Konkurrenz muss noch einige Rätsel entschlüsseln.