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McLaren MCL36 für F1-Saison 2022
Geheimfavorit aus Woking?

McLaren zieht das Tuch vom neuen MCL36. Mit ihrem neuen Rennwagen wollen Lando Norris und Daniel Ricciardo der Formel-1-Spitze einen Schritt näher kommen. Der MCL36 zeigt einige interessante Technik-Details – und eine im Vergleich zum Vorgänger deutlich andere Lackierung.

McLaren MCL36 - Formel 1 - Saison 2022
Foto: McLaren

Bei McLaren stimmt der Trend. Nach einer Katastrophensaison und dem neunten Platz in der Team-WM 2017 hat sich der Rennstall neu aufgestellt, gefangen und verbessert. Auf einen sechsten Platz 2018 folgte ein vierter im Jahr darauf und der dritte WM-Rang hinter Mercedes und Red Bull 2020. Im Vorjahr musste McLaren als Vierter Ferrari zwar nach langem Kampf ziehen lassen.

Trotzdem verbuchte die Teamführung um Andreas Seidl das Jahr als Erfolg. Die Punktausbeute wurde von 202 auf 275 Zähler gesteigert, der Abstand zu den beiden Topteams verkürzt, die Fehlerquote in Abläufen wie den Boxenstopps verringert und die Zuverlässigkeit erhöht. Daniel Ricciardo beendete mit dem Sieg in Monza eine neunjährige Durststrecke für das Team. Lando Norris eroberte in Russland die Pole Position und hätte ohne späten Regen auch gewonnen. Der dritte Dino der Formel 1 neben Ferrari und Williams meldete sich endgültig zurück.

Unsere Highlights

MCL36 mit Pullrod-Vorderachse

2022 will McLaren den nächsten Schritt zurück an die Formel-1-Spitze gehen. Das neue Regelwerk, das die Formel 1 völlig umkrempelt, gibt dazu die Möglichkeit. Alle Teams begannen mit dem Fahrzeugkonzept bei Null. "Wir haben uns das Leben bestimmt nicht leicht gemacht. Wir sind in einigen Bereichen ins Risiko gegangen", verspricht Technikchef James Key. "Es sind ein paar Designs, die schwer umzusetzen waren, aber die wir aus guten Gründen so gemacht haben. Wir erwarten, viel Potenzial für die Entwicklung unter der Saison zu haben. Der eingeschlagene Weg sollte uns gute Möglichkeiten für die Zukunft eröffnen." McLaren rechnet wie die Gegner mit einer intensiven Weiterentwicklung über die 23 Grands Prix.

McLaren MCL36 - Formel 1 - Saison 2022
McLaren
McLaren setzt an der Vorderachse auf Zugstreben (Pullrod) statt Druckstreben.

Der neue McLaren MCL36 wirkt aufgeräumt ohne die zahlreichen Leitbleche, die nun verboten sind, in manchen Bereichen aber auch aggressiv. Zum Beispiel an der unkonventionellen Pullrod-Vorderradaufhängung und den neuen Pushrods an der Hinterachse. Illusionen, bereits in dieser Saison die Königsklasse anzuführen, gibt sich McLaren nicht hin. Dafür muss erst die in den letzten Jahren angeschobene neue Infrastruktur fertiggestellt werden. Die Rückkehr zu alten Glanzzeiten ist ein Langzeitprojekt ohne Abkürzungen. Der neue Windkanal und Fahrsimulator gehen erst im Lauf des Jahres ans Netz.

Das 2022er Auto wurde noch mit den alten Werkzeugen entwickelt. "Wir brauchen mehr Zeit, um zu wachsen", sagt Teamchef Seidl, der seine Mannschaft auffordert, das positive Momentum aufrecht zu erhalten und die Lücke zu den Führenden weiter zu verkürzen. "Ohne die neuen Werkzeuge müssten wir schon in anderen Bereichen deutlich besser arbeiten als Mercedes und Red Bull. Das ist nicht realistisch", sagt Lando Norris, der im Winter seinen Vertrag bis einschließlich 2025 verlängert hat.

McLaren mit veränderter Lackierung

Zusammen mit Daniel Ricciardo bildet der junge Engländer "eine der besten Fahrerpaarungen im Feld", wie Seidl findet. Die Ingenieure haben im Winter alles gegeben, um ihnen das bestmögliche Auto zu bauen. Das Ergebnis ist der MCL36, der im Toyota-Windkanal in Köln aerodynamisch geformt wurde.

Zunächst einmal fällt die veränderte Lackierung auf. Der Anteil an schwarzen Flächen ist deutlich gestiegen. Wer genau hinschaut, sieht die Carbonstruktur der einzelnen Teile. Das Frontflügelhauptblatt, die Unterseite der Nase, die vorderen Chassis-Wände, der untere Bereich der Motorabdeckung sowie des Seitenkastens, der Eingang in den Seitenkasten selbst und das Heckflügel-Hauptblatt sind in Sichtcarbon gehalten.

Das McLaren typische "Papayagelb" sticht weiterhin heraus. Es ist so dunkel wie bei der Sonderlackierung in Monte Carlo 2021. Aus den ehemals dunkelblauen Farbtönen, die noch beim Vorgänger MCL35M untergemischt waren, ist ein helleres Blau geworden. Lando Norris ist angetan. "Mir gefallen die hellen Farben und das exponierte Carbon. Das erinnert mich an meine Formel-3-Zeiten." Teamkollege Ricciardo meint: "In der Formel 1 geht es in aller erster Linie um Performance. Dann kommt das Aussehen. Unser Auto sieht super aus. Das können wir also schon mal abhaken."

Dritte Interpretation der neuen Regeln

Viel wichtiger als die Lackierung ist die Technik. McLaren hat nach Haas und Aston Martin den dritten Ansatz gezeigt, wie man das völlig neue Regelwerk interpretieren kann. Drei Elemente des Frontflügels wachsen dem MCL36 aus der Nase, die der des Aston Martin AMR22 ähnelt. Wie beim Konkurrenzprodukt aus Silverstone ist das Hauptblatt vom restlichen Flügel abgesetzt. Es wird durch vier kleine Verbindungsstege und die Endplatten getragen. Die Nase ist im Profil äußerst dünn.

Bei der Vorderradaufhängung geht McLaren einen anderen Weg als Aston Martin, Haas und dann auch Ferrari. Statt Druckstreben (Pushrod) verbauen die Ingenieure Zugstreben (Pullrod). Die Dämpfer- und Federelemente liegen also nicht oben, sondern unten in der Chassisröhre. Das senkt den Schwerpunkt ab und sollte besser für die Aerodynamik sein. Jedoch birgt die Lösung mechanische Risiken. Ferrari hatte bis 2015 auf eine Pullrod-Vorderradaufhängung gesetzt, schwenkte dann aber um. An der Hinterachse der nächste ungewöhnliche Ansatz: Hier verabschieden sich die McLaren-Ingenieure vom Pullrod, stattdessen ist Pushrod angesagt.

An den doppelten Dreiecksquerlenkern der Vorderachse lässt sich erkennen, dass McLaren noch Spielraum für Flügelprofile haben sollte. Einen Blick wert sind die äußerst schmalen Bremsschächte, die sich in den Winglets auf der Innenseite verstecken. Da öffnet sich nur eine minimale Luke. Aston Martin verbaut dagegen exponierte und deutlich größere Bremshutzen. Markant ist die Form der Seitenkästen. Hier unterscheidet sich der McLaren noch einmal klar vom Aston Martin und Haas.

McLaren MCL36 - Formel 1 - Saison 2022
McLaren
Aus der Vogelperspektive lässt sich die Form der Seitenkästen besser erkennen.

Ungewöhnlicher Seitenkasten

Der Kühleinlass ist an den Außenseiten abgerundet. Der Seitenkasten selbst baut in der Draufsicht schmaler als der des Haas. Er ist zu Beginn nicht so stark unterschnitten wie beim Aston Martin. Im Gegenteil. Der Seitenkasten scheint praktisch im 90-Grad-Winkel nach unten zu fallen. Aus der Vogelperspektive wird aber deutlich, dass er eine kleine Ausbuchtung nach hinten hat. Man erkennt außerdem, dass er sich auf halber Höhe der Cockpitöffnung schnell einzieht. So schaffen die Ingenieure relativ viel freie Fläche auf der Oberseite des Unterbodens, um das Diffusor-Dach sauber anzuströmen. Bei der Draufsicht auf den Unterboden zeichnen sich darunter verlaufenden Kanäle ab.

Kühlrippen fehlen auf den Computer-Animationen – wie bei Haas. Die dürften aber beide Autos haben, weil man sonst die Motorabdeckung rund um den Auspuff nicht so stark zuziehen könnte. Die Airbox ist durch zwei Stege in drei Kanäle unterteilt – wie beim MCL35M auch. Jedoch hat sich ihre Form leicht geändert. Der Eingang ist schmaler, dafür höher. Unten sind zwei Löcher zu sehen. Die Motorabdeckung hat im Vergleich zum Vorgänger MCL35M oben herum an Volumen zugelegt.

Die Zeit der starken Anstellung der Hecks ist vorbei. Auch der McLaren liegt hinten ziemlich flach. Die Teams müssen die Autos so nah wie möglich auf den Boden bekommen und vom Fahrwerk so steif wie möglich einstellen, um den Venturi Effect (geläufiger als Ground Effect) maximal zu nutzen. Die Kanäle dafür beginnen vor den Seitenkästen. Dort spart McLaren mit Details. Die erlaubten zwei oder drei Finnen pro Seite sind überhaupt nicht zu sehen. Die äußeren Leitbleche an den vorderen Außenkanten des Unterbodens, die sogenannten "Floor Edge wings", sind abgestuft.

McLaren MCL36 - Formel 1 - Saison 2022
McLaren
Den MCL36 gibt es nicht nur auf Renderings. McLaren präsentierte in Woking das zusammengebaute Auto, ohne alle Details zu verraten.

Mercedes-Motor besser integriert

Auch beim Heckflügel verzichtet McLaren auf Details. Der DRS-Mechanismus ist zwar angebracht, teilweise aber halb wegretuschiert. Zu sehen ist, dass nur eine Strebe den Heckflügel stützt. Bei Haas und Aston Martin sind es zwei. Unter der Verkleidung ist der Mercedes-V6-Turbomotor installiert. McLaren war im Vorjahr auf die Power Unit aus Brixworth zurückgekehrt. Damals aber limitierte das Regelwerk aufgrund der Homologations-Vorschriften die Ingenieure. Sie mussten mehr oder weniger den Mercedes-Motor in ein Konzept integrieren, das ursprünglich auf den Renault-Antrieb zugeschnitten war. Im MCL36 konnten die Ingenieure die Power Unit deutlich günstiger verpacken. Getriebe und Hinterradaufhängung baut McLaren im Gegensatz zu Aston Martin selbst.

Das Mindestgewicht der Antriebseinheit beträgt 150 Kilogramm. Das Auto selbst wiegt mindestens 795 Kilo. Der Radstand ist auf 3,6 Meter maximal begrenzt. Key geht davon aus, dass die Teams es ausreizen werden. "Die Verpackung von Motor, der Hybridbausteine und des Getriebes macht es ohnehin schwer, alles in die 3,6 Meter zu bringen. Dazu willst du durch die neuen Regeln viel Fläche am Unterboden haben. Ich glaube, alle werden am oberen Ende der Skala sein, wenn nicht sogar exakt beim erlaubten Radstand."

In Summe will McLaren ein ausgereifteres Paket auf die Räder gestellt haben. Das neue Auto soll sowohl langsame wie schnelle Kurven ausgewogener beherrschen. Der Vorgänger war vor allem in den schnellen gut. Das erste Mal wird der MCL36 an einem Filmtag kurz vor Beginn der Testfahrten auf der Strecke sein. Die ersten Meter sind für alle eine Fahrt ins Ungewisse. "Wir haben keine echte Referenz. Vieles basiert auf Annahmen und auf bloßer Mathematik, aber nicht auf echten Daten. Die werden wir erst bei den Testfahrten sammeln. Erst dann können wir einen Abgleich machen zwischen Fabrik und der Realität auf der Rennstrecke", erläutert Key.

Wie die anderen wartet auch McLaren, alle Karten auf den Tisch zu legen. Für den Saisonstart in Bahrain hat das Team schon mal ein Upgrade angekündigt. Teamchef Seidl spornt seine Fahrer und Ingenieure an. Die Richtung ist klar.  "Wir arbeiten hart daran, mehr Trophäen als im letzten Jahr einzufahren." 2021 hatte McLaren fünf Pokale abgeräumt.

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