Die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft ist eine klare Angelegenheit für McLaren. Der Titelverteidiger liegt schon 172 Punkte vor dem Verfolger-Trio Mercedes, Red Bull und Ferrari. McLaren kann sich eigentlich jetzt schon zur Meisterschaft gratulieren. So einen Einbruch gibt es gar nicht, dass die anderen das noch aufholen. Erstens hat McLaren mit seinem MCL39 den besten Allrounder im Feld, und zweitens ist der britische Rennstall fahrerisch am ausgeglichensten besetzt.
Genau das kann für den WM-Spitzenreiter aber auch zum Fluch werden. Oscar Piastri und Lando Norris trennen nur drei Punkte in der Gesamtwertung. Max Verstappen liegt aber noch lange nicht so weit zurück, als dass man ihn abschreiben könnte. Ein Sieg des Holländers und ein Doppelausfall von McLaren, und das Titelrennen wäre wieder offen.
Und sollte der Red Bull bei der Entwicklung doch noch die Kurve kriegen oder McLaren durch die neue Frontflügel-Regel doch ein bisschen gehandikapt werden, dann wäre der Rückstand bei 16 noch ausstehenden Rennen auch auf normalem Weg aufholbar.

Wann kracht es zum ersten Mal zwischen Norris und Piastri?
McLaren-Fahrer nehmen sich Punkte weg
Monte-Carlo hat ziemlich deutlich gezeigt, dass die komfortable Situation von McLaren mit zwei Eisen im Feuer auch schnell unbequem werden kann. Zak Brown und Andrea Stella können zum jetzigen Zeitpunkt keinen ihrer Fahrer favorisieren. So nimmt der eine dem anderen Punkte weg.
In Shanghai, Bahrain, Jeddah und Miami musste sich Norris hinter Piastri anstellen. In Melbourne, Suzuka, Imola und Monte-Carlo war es umgekehrt. Verstappen dagegen holt immer das Maximum heraus. An schlechten Tagen ist das auch mal der vierte Platz wie in Monte-Carlo.
Es hätte für den Weltmeister aber auch ein Sieg werden können. Red Bull setzte klar auf die Karte Rennunterbrechung und ließ Verstappen in den ersten beiden Stints so lange wie möglich auf der Strecke. Als Norris, Leclerc und Piastri an die Boxen abbogen, lag Verstappen automatisch in Führung. Eine rote Flagge hätte ihn zum Sieger gemacht.

Bei Upgrades und der Strategie darf kein McLaren-Fahrer benachteiligt werden.
Zwang des Fairplay
McLaren konnte sich gegen dieses Szenario nicht absichern. Norris musste Charles Leclerc im Auge behalten und einem Undercut entweder vorbeugen oder ihn abwehren. Es hätte natürlich eine Möglichkeit gegeben, Verstappens Taktik zu zerstören, doch das erlaubte das Fairplay der "Papaya-Regeln" nicht.
McLaren hätte Piastri als Straßensperre gegen Verstappen nutzen können. Es hätte eine Lücke von 27 Sekunden gebraucht, in die Norris bei einem Boxenstopp hätte fallen können. Doch das hätte Piastris Siegchancen komplett auf Null gedreht. Der Australier wollte aber selbst gewinnen.
Ähnliche Zwänge hatten schon in Suzuka und in Imola Verstappen in die Karten gespielt. Statt das jeweils besser platzierte Auto voll auf den WM-Gegner auszurichten, hatten die McLaren-Strategen immer auch das zweite Auto im Blick. In Suzuka bekam Norris das schlechtere Boxenstopp-Timing. In Imola disponierte man Piastri ohne Not auf ein Zweistopp-Rennen um.

Red Bull kann sich ganz auf Max Verstappen konzentrieren.
Bei Red Bull zählt nur Verstappen
Da hat es Red Bull einfacher. Es gibt nur einen Fahrer, der zählt. Der zweite fährt einfach mit. Und wenn Ersatzteile knapp sind wie in Monte-Carlo oder Neuentwicklungen in letzter Minute fertig werden wie in Miami, dann muss sich Yuki Tsunoda schon mal mit einer älteren Spezifikation begnügen. Bei McLaren werden in diesem Jahr beide Fahrer gleich mit Upgrades bedient. Jedenfalls so lange es in der Punktewertung so eng zugeht.
Der Wunsch von Lando Norris, das Auto im Qualifikations-Trim etwas berechenbarer zu machen, ist für die McLaren-Chefs schon eine Gratwanderung. Piastri stört sich nicht allzu sehr an den Eigenheiten des MCL39. Alles, was jetzt am Auto verändert wird, darf dem einen nicht nutzen und dem anderen schaden. Deshalb sagt Norris: "Wir lösen das Problem von zwei Seiten. Ich versuche mich anzupassen, und die Ingenieure schauen, ob sie mir ein bisschen Fahrgefühl zurückgeben können."
Stella warnt davor, Verstappen zu unterschätzen. Es gibt die Red-Bull-Strecken, auf denen technisch fast ein Gleichgewicht herrscht. "Strecken mit schnellen Kurven wie Suzuka, Jeddah oder Imola. Da ist Red Bull stark. Shanghai, Bahrain und Miami waren unser Territorium. Wir haben uns im Vergleich zum Vorjahr in langsamen Kurven verbessert, weil wir nicht mehr so abhängig davon sind, das Auto möglichst tief und steif zu fahren." Und was sagt der McLaren-Chef über Barcelona? "Ich fürchte, dass uns Max da wieder beschäftigen wird."