Im Q1 und Q2 fehlte Max Verstappen eine Zehntel auf die McLaren. Nach dem ersten Versuch im Q3 lag der Red-Bull-Pilot sogar vorne. Lando Norris musste seine Runde abschreiben, weil er in Kurve 4 die Streckenlimits überschritten hatte. Oscar Piastri verlor viel Zeit, weil er sich in Kurve 13 verbremste. Die Fehler der McLaren-Fahrer schienen zu zeigen: Der Favorit agiert am Limit.
Verstappen schaffte es im letzten Versuch, seine Zeit noch einmal um zwei Zehntel zu verbessern. Doch das war nicht gut genug. Obwohl Norris und Piastri kein Sicherheitsnetz mehr hatten, packten sie den Hammer aus. Das spricht für Vertrauen ins Auto. Norris unterbot Verstappens Zeit um vier, Piastri um drei Zehntel. Das ist bei dem eng gestaffelten Feld eine Welt.
Red Bull und Verstappen verkauften die Niederlage trotzdem als halben Sieg. "Nach unseren Problemen am Freitag durften wir nicht mit dem dritten Platz rechnen", stapelte Verstappen tief. Die Runde war den Umständen entsprechend gut, erzählte der Niederländer, auch wenn im letzten Teil der Strecke die Reifentemperaturen durch die Decke schossen.

Verstappen muss sich in Melbourne mit dem dritten Startplatz begnügen. Am Freitag schien das noch unerreichbar.
Bis Kurve 11 so schnell wie Norris
Verstappen suchte keine Ausreden: "Auch wenn wir die Reifen besser im Schuss gehalten hätten, hätte das nichts am Ergebnis geändert." Mit anderen Worten: Die McLaren waren einfach zu schnell. Red-Bull-Sportchef Helmut Marko analysierte: "Bis Kurve elf lag Max auf dem Niveau von Norris. Dann hat er sukzessive Zeit verloren."
Die plötzliche Leistungsexplosion beim großen WM-Gegner erklärt sich der Grazer so. "Der Norris hat doch die ganze Zeit geblufft. Schon bei den Testfahrten hat er seine schnelle Runden abgebrochen. Hier in Melbourne war er in der Addition der Sektorzeiten auch immer der Schnellste. Er hat nur dafür gesorgt, dass er sie nicht in eine Runde zusammengefügt hat."
Technikchef Pierre Waché erklärte McLarens ersten Trainingssieg mit dem besseren Reifenmanagement der Papaya-Renner. "Sie können ihre Reifen über eine Runde irgendwie besser konservieren." Ein Grund dafür ist, dass der Red Bull immer noch an Balanceproblemen laboriert. "Unser Problem liegt in langsamen Kurven. Wir haben dort zu viel Untersteuern", verrät Waché.

Den Toro Rosso fehlte nicht viel zu den Autos von Red Bull.
Toro Rosso besser als Red Bull?
Diese Eigenschaft geht auf die Hinterreifen, weil der Fahrer das Auto mit dem Gaspedal um die Kurve werfen muss, was dann in hohen Oberflächentemperaturen der Gummis resultiert. Die McLaren liegen neutraler, auch wenn die Fahrer hier und da immer noch von einem nervösen Heck berichten.
Unter dem Strich verlängert das gute Reifenmanagement das Leben der Pirelli-Sohlen. "Das kann sich im Rennen noch stärker zu ihren Gunsten auswirken", fürchtet man bei Red Bull. Dieser Trend zeigte sich bereits bei den Longruns in Bahrain und Melbourne. Deshalb hofft Marko am Sonntag auf Regen. Verstappen macht trotzdem keinen Regentanz: "Nichts ist garantiert. Wenn es regnet, ist es für alle gleich."
Während McLaren den perfekten Saisonstart bejubelte, rätselt man bei Red Bull, was der McLaren MCL39 besser kann und was beim eigenen Auto besser werden muss. Wenn Yuki Tsunoda nur zwei Zehntel langsamer als Verstappen ist, liegt der Schluss nahe, dass der Toro Rosso im Moment das bessere Auto ist.

Kann Verstappen im Rennen gegen McLaren den Konter setzen?
FIA weist Flügel-Klagen ab
Bei Red Bull schauen alle auf das Streitthema flexible Flügel. In Bahrain will man bei McLaren, Ferrari, Alpine und Haas zu viel Biegsamkeit in den Heckflügelelementen entdeckt haben. Die FIA nahm die Teams unter die Lupe, stellte aber bei den statischen Belastungstests fest, dass sie deutlich unter dem geforderten Limit blieben. Und die Videoaufnahmen mit den eigenen Kameras ergaben auch keine Auffälligkeiten.
Beim Topspeed liegen alle Favoriten extrem eng zusammen. Verstappen war auf den Geraden sogar 2,3 km/h schneller als Piastri und 2,6 km/h als Norris. Deshalb hatte er auch im zweiten Sektor die Nase vorne, wo es hauptsächlich auf einen guten Speed auf den Geraden ankommt. Die McLaren machen ihre Zeit in den Kurven. Ein halbes Zehntel im ersten Sektor, drei Zehntel im letzten.
Dass der Red Bull immer noch ein schwer zu fahrendes Auto ist, zeigt der große Abstand von Liam Lawson auf Verstappen. Der Neuseeländer flog schon im Q1 raus. Da verlor im direkten Vergleich zu seinem Teamkollegen eine Sekunde.
Ein Teil davon führte die Teamleitung auf ein Technikproblem im dritten Training zurück, das Lawson zum Zuschauer degradierte. Ein Leck im Auspuff legte den Turbolader und die MGU-H lahm. Lawson meinte trotzdem selbstkritisch: "Deshalb darf ich trotzdem nicht in beiden Qualifikationsversuchen neben die Strecke rutschen."