Na, hat es Ihnen gefallen? Vier Wochen vor dem Saisonstart feierte sich die Formel 1 in London zwei Stunden lang auf der Bühne selbst. In 75 Jahren Grand-Prix-Sport ein Novum. Ich muss zugeben, dass ich skeptisch war. Passt das zusammen? Rennfahrer, Rennautos und eine Show im Saal ohne ein Motorengeräusch und maximal Schrittgeschwindigkeit auf der Bühne?
Es passte. Wahrscheinlich bringt der Satz des britischen TV-Moderators und Komikers Jack Whitehall, der durch den Abend führte, das Event auf den Punkt: "Wer es schafft, die O2-Arena für die Vorstellung von zehn alten Autos in neuen Farben zu buchen, muss groß sein." Die Formel 1 gab sich vor 15.000 Zuschauern selbstbewusst: Wir sind die größte Show der Welt, die obendrein ein Dauerbrenner ist. Im Mai feiert sie ihren 75. Geburtstag.
Am Ende der Veranstaltung musste ich zugeben, dass es vielleicht ein Fehler war, freiwillig auf die Reise nach London verzichtet zu haben und einem meiner auto-motor-und-sport-Kollegen die Gala zu überlassen. Weil es ein Meilenstein in der Geschichte dieses Sports war, wie Toto Wolff es zusammenfasste. Bis jetzt fand die Formel 1 ausschließlich auf Rennstrecken statt.

15.000 Fans konnten die Fahrer in ungewohnter Umgebung sehen.
Formel 1 zeigt Selbstironie
Das Outing in London war die Zustandsbeschreibung eines Sports, der nicht mehr nur die Nerds ansprechen will. Show, Musik und Party gehören heute wohl dazu, ob man es mag oder nicht. Wenn dabei am Ende mehr Fans hängenbleiben, hat es seinen Zweck erfüllt.
Was ich besonders gut fand, war die Selbstironie, mit der sich die Formel 1 vorstellte. Da wurde die alte Feindschaft zwischen Max Verstappen und George Russell aufgewärmt, die Funk-Zensur der FIA auf den Arm genommen, über die vielen Namensänderungen von Toro Rosso gespottet und McLaren-Chef Zak Brown wurde an seine Tattoo-Sammlung erinnert, die mit jedem Sieg immer größer zu werden droht.
Man hatte die Größe, Mario Andretti einzuladen, obwohl der Name Andretti zwei Jahre lang ein Reizwort für die Rechteinhaber war. Und Formel-1-Chef Stefano Domenicali dankte seinem Vorgänger Bernie Ecclestone für das, was er aus diesem Sport gemacht hat. Die FIA wurde mit genau einem Satz erwähnt und dabei ausgebuht. FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem fand gar nicht statt. Das lässt tief blicken. Pirelli spielte auch nur eine Nebenrolle.

Jedes Team hatte sieben Minuten Zeit, um sich selbst in Szene zu setzen.
Toro Rosso mit dem originellsten Beitrag
Jedes Team hatte sieben Minuten Zeit, seine Story zu erzählen und sich selbst in ein gutes Licht zu stellen. Ferrari musste gar nicht viel tun. Die Scuderia ist auch in England das Team der Herzen. Mit Lewis Hamilton an Bord erst recht. Superteam mit Superstar, das kann man nicht toppen. Es war mit Sicherheit der emotionalste Auftritt des Abends.
Auch McLaren stellte seine Historie ins Schaufenster. Die fünf Weltmeister-Autos von Emerson Fittipaldi, Ayrton Senna, Mika Häkkinen und Lewis Hamilton, dazu noch das verhüllte neue Auto an der Spitze des Laufstegs – das war eine gute Idee. Auch wenn die Lackierung des MCL39 niemanden vom Hocker riss.
Mercedes warb für einen Neuanfang und verkaufte den griffigen Slogan "A dream needs a team". Red Bull machte das Gegenteil. Teamchef Christian Horner stellte sich in den Vordergrund. Die Fahrer durften nur neben dem Auto herlaufen und kamen gar nicht zu Wort. Dabei gab es vom Publikum immer wieder Pfiffe, die aber wohl nur wenig mit der Art der Präsentation zu tun hatten.
Haas zeigte seinen Stolz auf den "American Way" und Aston Martin war auf James-Bond-Mission unterwegs. Fernando Alonso nahm man den Bösewicht ja noch ab, aber Lance Stroll als Agent 007? Nichts ist weiter hergeholt als das.
Mir hat am besten der Vortrag von Toro Rosso gefallen. Oder war es VCARB oder Racing Bulls oder VisaCashAppRB? Red Bulls Schwesterteam machte sich über die sperrige Teambezeichnung selbst lustig und wollte auf Londons Straße wissen, wer diesen Namen überhaupt kennt. Es war dann auch das einzige Auto im Feld, das komplett anders lackiert daherkommt als im Vorjahr. Grundfarbe ist nicht mehr metallic-blau sondern weiß.

Den größten Applaus bekam Ferrari-Neuzugang Lewis Hamilton.
Alpine als Schlusslicht
Den schwächsten Beitrag lieferte Alpine. Erst vier Minuten Musik von einem zappelnden DJ, bei dem ich den Bezug zu Alpine nicht herstellen konnte. Dann standen das Auto, die zwei Fahrer und Teamchef Oliver Oakes plötzlich auf dem Catwalk und traten nach je einer Frage wieder ab. Das, was man eigentlich zeigen wollte, kam nicht zur Geltung.
Schwach war auch Red Bull. Es war eine Horner-Show. Kein anderer Teamchef bekam so viel Redezeit. Wir haben mitgestoppt. Fast drei Minuten. Die Fahrer kamen gar nicht zu Wort. Wenigstens Weltmeister Max Verstappen hätte etwas mehr Würdigung verdient. Zwischendurch lief Red Bulls Siegerhymne "Start me up" von den Rolling Stones und ein Film, der viel zu lang dauerte und eigentlich nur zeigte, wie das Auto im Transporter und Fans in aufgemotzten Autos den Weg in die O2-Arena suchten.
Bei Aston Martin zeigte sich, wer neuerdings die Hosen anhat. Der neue Teamchef Andy Cowell führte durch das Programm. Immerhin fahndete der Moderator nach Mike Krack, weil der Name bei richtiger Betonung in der britischen Sprache immer wieder für Lacher sorgte. Lance Stroll redete knapp an der Einschlafgrenze, während Fernando Alonso immerhin ein cooler Spruch einfiel: "Jetzt habt ihr das schönste Auto im Feld gesehen. Genießt den Rest des Abends." Da standen aber noch vier Teams auf der Liste.
Im nächsten Jahr wird es wahrscheinlich wieder eine Eröffnungsparty geben. Doch das erste Mal ist immer das beste. In der Galerie zeigen wir einige Impressionen der großen Show.