Der Grand Prix von Abu Dhabi war ein Rennen der Abschiede. Valtteri Bottas, Kevin Magnussen und Sergio Perez sind 2025 keine Formel-1-Fahrer mehr. Carlos Sainz steuerte zum letzten Mal einen Ferrari, Nico Hülkenberg verabschiedete sich bei Haas. Doch keine Abschiedsvorstellung hatte die Dimension des letzten Rennens von Lewis Hamilton für Mercedes.
Es war keine normale Trennung zwischen Fahrer und Team, und schon gar keine Scheidung. Ferrari ist eher ein Seitensprung als eine echte Romanze. Mercedes war Hamilton ans Herz gewachsen. Das zeigte sich schon bei der Pressekonferenz am Donnerstag, als er den Coolen spielen wollte, aber schon bei den einfachsten Fragen mit den Tränen kämpfte. Und es bewies auch sein Schlusswort: "Ich werde dieses Team vermissen und kann allen nur versichern, dass ich nicht verschwinden werde, auch wenn wir nächstes Jahr gegeneinander fahren."
Die Statistik erzählt genug. Rekorde, wohin man schaut – für eine Kombination Fahrer und Team. Wer 246 Grands Prix für einen Rennstall bestritt, mit ihm sechs Titel holte und 84 Rennen gewann, 153 Mal auf dem Podium stand, 78 Mal von der Pole-Position gestartet ist, 55 Mal die schnellste Runde drehte und 4.210 Runden in Führung lag, der sagt nicht so einfach Goodbye. Dazu kommt, dass Hamilton in seiner ganzen Karriere nie einen anderen Motor gefahren ist als einen von Mercedes. Diese Partnerschaft hat noch eine weitere erstaunliche Zahl hervorgebracht. In seiner Mercedes-Zeit ist der inzwischen 39-Jährige nur 14 Mal ausgefallen. Von dieser Quote hätten die Superstars der Vergangenheit geträumt.

2013 ging Lewis Hamilton zu Mercedes. In Ungarn feierte er vor elf Jahren den ersten von 84 Mercedes-Triumphen.
Hamilton, der Loyale
Lewis Hamilton war in seiner Karriere immer ein loyaler Fahrer. Ferrari ist erst sein dritter Arbeitgeber. Vor Mercedes fuhr Hamilton sechs Jahre lang für McLaren. An den Abschied damals, 2012 in Brasilien, konnte sich Hamilton schon gar nicht mehr erinnern, nur an das Gespräch mit Niki Lauda in Singapur, das schließlich zu seinem Vertrag mit Mercedes führte. Wir helfen nach: Hamilton startete in seinem letzten McLaren-Rennen von der Pole-Position und crashte mit Nico Hülkenberg im Kampf um die Führung.
Damals war erst kurz vor Ende der Saison klar, dass Hamilton die Fronten wechseln würde. Diesmal wusste er schon vor dem ersten Rennen der Saison, dass er ab 2025 ein Ferrari-Fahrer ist. "Damit wurde jedes einzelne Rennen für mich ein Abschied. Das letzte Mal in Monaco, in Silverstone oder in Spa mit diesem Team. Bei jedem Briefing wurde ich daran erinnert, dass es kein nächstes Mal mehr gibt."
Der künftige Ferrari-Pilot gibt zu, dass sich die Beichte bei Teamchef Toto Wolff ungemütlich anfühlte. Das Team musste sich erst daran gewöhnen, dass ihr treuester Angestellter im nächsten Jahr einen roten Overall trägt. "Ich habe unterschätzt, wie belastend diese Situation sein würde, und habe dabei nicht immer eine gute Figur gemacht", gibt Hamilton im Rückblick zu.

Emotional wurde es 2024, als Hamilton nach fast drei Jahren ohne Erfolg in Silverstone gewann. Renningenieur Peter Bonnington war mit auf dem Podium.
Schwieriges Mercedes-Jahr
Es war keine einfache letzte Saison bei Mercedes für den siebenfachen Weltmeister. Er verlor das Quali-Duell gegen George Russell mit 5:19. Und auch in den Rennen hatte der jüngere Teamkollege die Nase mit 245:223 Punkten vorn. In den Frustphasen ließ Hamilton hin und wieder durchblicken, dass er sich von seinem Team benachteiligt fühlte. Den Eindruck wollte er in Abu Dhabi korrigieren. "Ihr habt in dieser Saison das Beste und das Schlechteste von mir gesehen. Ich gebe zu, dass ich die schweren Zeiten nicht immer souverän gemeistert habe. Da muss ich an mir arbeiten."
Trotzdem überwiegen die Erfolge bei Weitem. "Am Ende erinnerst du dich nur noch an die schönen Momente. Das Beste war die Freude in den Gesichtern deiner Leute, wenn du gewonnen hast. Ich erinnere mich an einen Ingenieur, der bei meinem Sieg 2014 in Australien Tränen in den Augen hatte. Oder die Emotionen dieses Jahr in Silverstone."
Der erste Sieg nach 945 Tagen und 54 Grands Prix ohne Erfolg hat Hamilton für vieles entschädigt, was in den letzten drei Jahren und speziell auch in dieser Saison schiefgelaufen ist. "Allein die Erfahrung in Silverstone war die Reise wert." Der erfolgreichste Formel-1-Fahrer aller Zeiten hatte sich und allen anderen gezeigt, dass er an einem guten Tag immer noch ein Siegfahrer sein kann. Seine Aufholjagd in Las Vegas, als er sich vom zehnten auf den zweiten Platz nach vorne kämpfte, oder in Abu Dhabi, als er einen 16. Startplatz in Rang 4 verwandelte, waren Beweise dafür, dass noch ein Feuer im alten Mann brennt.

Bei Ferrari will Hamilton seiner Karriere neuen Schwung verleihen. Es ist seine wohl letzte Station in der Formel 1.
Ferrari als riskante Chance
Doch diese Momente wurden immer seltener, seit die Formel 1 auf Groundeffect-Autos umgestellt hat. 2022 wurde der Rekordsieger Sechster in der WM, 2023 Dritter – und dieses Jahr schloss er nur als Siebter ab. Hamilton gibt zu, dass er mit diesen Autos von Anfang an auf Kriegsfuß stand, weil sein Fahrstil nicht mit ihnen kompatibel ist. Gleichzeitig bremsen und einlenken geht nur noch bedingt. Wer zu aggressiv fährt, bezahlt dafür. Die Eigenart des Mercedes, dass er bei eingeschlagenen Vorderrädern im Heck schnell Abtrieb verlor, half auch nicht. "Ich kann eigentlich mit Übersteuern leben, aber nicht mit einem, das aus dem Nichts kommt."
Hamilton tat sich schwerer als die junge Generation, sich an diese Art Rennauto anzupassen. "Lewis ist ein Instinktfahrer", konzediert Teamchef Toto Wolff. Und er ist keiner, der wie seine jungen Kollegen tagein, tagaus im Heimsimulator sitzt, um seine Reflexe zu schärfen. Hamilton wird diese Probleme zu Ferrari mitnehmen. Er muss hoffen, dass der Ferrari ein gutmütigeres Auto ist und ihm die Tifosi Zeit geben, sich einzugewöhnen. In seiner ersten Mercedes-Saison 2013 gewann Hamilton auch nur ein Rennen.