Lewis Hamilton und Ferrari sind noch kein Dreamteam. Der erfolgreichste Rennstall und erfolgreichste Fahrer der Formel 1 müssen noch zusammenfinden. Nach fünf Rennen liegt der Rekordsieger in der Fahrerwertung mit 31 Punkten nur auf Rang sieben. Außer dem Sieg beim Sprint in Shanghai gibt es bis jetzt kein vorzeigbares Ergebnis.
In den letzten drei Rennen kam Hamilton ein Mal als Fünfter und zwei Mal als Siebter ins Ziel. Immer hinter seinem Teamkollegen. Zwei Mal sogar hinter seinem Nachfolger bei Mercedes, und der ist ein 18-jähriger Rookie mit fünf Rennen Erfahrung. Das letzte Rennen in Saudi-Arabien brachte die bislang größte Ernüchterung. Hamilton verlor eine halbe Sekunde auf Charles Leclerc und kam im Rennen vier Positionen hinter seinem Stallrivalen ins Ziel.
Danach ging Hamilton in Maranello mit seinen Ingenieuren und Teamchef Frédéric Vasseur drei Tage lang in Klausur. Es wurden Daten und GPS-Profile analysiert, Anspruch und Wirklichkeit überprüft, und erörtert, warum der Ferrari nicht das macht, was sein Fahrer von ihm erwartet, oder warum der Fahrer es nicht schafft, sich seinem neuen Auto anzupassen.

Im Duell mit Charles Leclerc sah Hamilton meistens alt aus.
Mehr Nachdenken als Instinkt
Hamilton bittet seine Anhänger weiter um Geduld. "Als ich 2013 zum Mercedes kam, waren die ersten sechs Monate auch zäh. Ich musste mich erst daran gewöhnen, mit den neuen Leuten zusammenzuarbeiten. Umgekehrt ist es jetzt so, dass meine Ingenieure bei Ferrari es gewohnt waren, das Auto für einen anderen Fahrer mit einem anderen Fahrstil abzustimmen. Gleichzeitig habe ich lange Zeit ein anderes Auto auf meinen Fahrstil getrimmt. Das müssen wir nun von beiden Enden her zusammenfügen."
Hamilton wollte auf Nachfragen nicht mehr ins Detail gehen, sprach lieber über seinen Pizza-Konsum bei den Italien-Ausflügen als über das, was in dem Ferrari ihn bremst. Oft genug hatte er schon davon gesprochen, dass der SF-25 seinen Befehlen nicht so folgt, wie er das gewohnt war. Dass er beim Fahren mehr nachdenken muss und weniger seinem Instinkt folgen kann. Dass die Motorbremse anders einsetzt. Dass Änderungen am Setup beim Auto anders ankommen, als er es erwartet. "Es ist nicht eine Sache, auf die man mit dem Finger deuten kann. Es sind viele Dinge auf einmal."
Laut Vasseur ist Hamilton der Erste, der im Team den Finger hebt, wenn die Resultate nicht den Erwartungen entsprechen. "Vielleicht ist Lewis da zu ehrlich." Dazu passt auch Hamiltons Aussage zur Frage, was man von ihm und dem Ferrari in Zukunft verlangen kann. "Charles hat im letzten Rennen einen fantastischen Job gemacht und gezeigt, was dieses Auto kann. Mein Ziel muss es sein, das nachzumachen."

Hamilton hat die Probleme in der Pause vor Miami analysiert.
Auto schlechter gemacht
Die große Abrechnung in Maranello führte zu der Schlussfolgerung, dass der siebenfache Weltmeister in den ersten Rennen zu oft und viel am Auto verändern ließ, um es seinem Fahrstil anzupassen. Das war oft kontraproduktiv, wie selbst Hamilton zugibt: "Wir haben zu viel am Auto herumgebastelt und es dabei oft schlechter gemacht." So erklärt sich auch sein Sieg beim Sprint in Shanghai. "Vor dem Sprint gibt es nicht viele Möglichkeiten, etwas am Auto zu ändern. Es scheint so, dass sich das ausgezahlt hat."
Deshalb soll Ferraris Neuzugang sich in Zukunft mehr auf das Fahren konzentrieren und am Auto nur noch Feintuning betreiben. "Lewis spielt gerne den Ingenieur und macht sich viele Gedanken über das Auto", bestätigt Ex-Pilot Martin Brundle. "Bei Mercedes wussten sie damit umzugehen. Ferrari muss diese Seite von Lewis noch lernen."
Hamilton kommt bei seinem neuen Ansatz entgegen, dass auch Miami ein Sprint-Wochenende mit begrenzten Setup-Eingriffen ist. Tatsächlich spürte der Engländer einen leichten Fortschritt nach dem klärenden Gespräch in der Fabrik. "Das Auto fühlt sich mehr in einem Stück an. Wir werden jetzt auf dieser Basis versuchen, noch etwas mehr aus dem Paket herauszuholen."

So schnell sollte die Konkurrenz Lewis Hamilton nicht abschreiben.
Hamilton wird kämpfen
Es ist die Politik der kleinen Schritte, die Hamilton näher an Leclerc und an die Konkurrenten heranführen soll. In der Sprint-Qualifikation trennte ihn nur ein knappes Zehntel von Leclerc. Trotzdem will er nicht sagen, wie lange der Eingewöhnungsprozess dauern wird. "Ich weiß es nicht. Wir arbeiten so hart wie möglich daran, das abzukürzen, aber es könnte auch länger dauern."
Ein Beobachter der Pressekonferenz wunderte sich darüber, wie Hamilton auf das nervenzehrende Thema reagierte. "Lewis machte nicht den Eindruck von einem, der kämpfen will. Eher wie einer, der sich aufgegeben hat." Vasseur verspricht: "Lewis wird kämpfen."
Und sein alter Chef Toto Wolff gibt Rückendeckung: "Wenn einer nach zwölf Jahren ein Team verlässt und in eines kommt, in dem sein nicht gerade langsamer Teamkollege schon sieben Jahre fährt, dann braucht das eine Zeit der Anpassung, bis er wieder seine Magie auspacken kann. Und ein Beispiel dieser Magie haben wir ja mit seinem Sprint-Sieg in China schon gesehen."