Revitalisiert. So beschrieb Lewis Hamilton vor dem Saisonauftakt Mitte März in Melbourne seinen physischen und psychischen Zustand. Alle, die den Rekordsieger der Formel 1 vor dem Fernseher und live vor Ort verfolgen konnten, spürten die Freude des Engländers auf die neue Aufgabe. Hamilton hatte nach zwölf Jahren im Mercedes-Outfit die Farben gewechselt und sich der Mythosmarke Ferrari angeschlossen.
Nur wenige im Fahrerlager hatten sich vorstellen können, dass Hamilton noch mal eine neue Herausforderung suchen würde. Der 40-Jährige handelte nach einem berühmten Zitat des norwegischen Friedensnobelpreisträgers Fridtjof Nansen, der einst sagte: "Wir brauchen Mut, um die alten Kleider wegzuwerfen, die ihre besten Tage hinter sich haben." Die besten Tage hinter sich hatte Hamiltons Meinung nach Mercedes.
Nach für seine Verhältnisse enttäuschenden Spielzeiten 2022 und 2023 entschloss er sich bereits vor dem Saisonstart im vergangenen Jahr für den Wechsel zu Ferrari. Zwar gewann Hamilton noch mal zwei Rennen für Mercedes, doch insgeheim hoffte der Mann aus Stevenage darauf, dass ihm die Ferrari-Ingenieure ein titelfähiges Auto bauen würden.

Ferrari wollte 2025 endlich wieder WM-Titel nach Maranello holen. Davon sind Charles Leclerc, Teamchef Frédéric Vasseur und Lewis Hamilton (v. l.) weit entfernt.
Ferrari rutscht ab
Diese Hoffnung war nicht unberechtigt. Die Scuderia sammelte in der zweiten Saisonhälfte 2024 die meisten Punkte aller Formel-1-Teams und verpasste den WM-Titel bei den Konstrukteuren nur um 14 Zähler. Die Zielrichtung für diese Saison war klar: Nach dem letzten Titel 2008 sollte endlich wieder ein WM-Pokal nach Maranello. Davon ist man nach fünf Rennen jedoch weit entfernt. Auf Primus McLaren hat Ferrari als Vierter 110 Punkte Rückstand. Hamilton selbst kommt gerade mal auf 31 Zähler, Teamkollege Charles Leclerc steht bei 47 Punkten. Der energetische und revitalisierte Lewis Hamilton ist bereits nach fünf Grands Prix passé.
Noch schlimmer wiegen jedoch die Aussagen des Stars im Anschluss an den GP von Saudi-Arabien. Während Leclerc mit P3 das erste Ferrari-Podium der Saison holte, trudelte der siebenmalige Weltmeister mit einem Abstand von fast 31 Sekunden zum Schwesterauto auf Rang sieben ein. "Mir hat der Grip gefehlt. Ich habe in jeder Kurve mit dem Auto gekämpft. Alles, was ich versucht habe, hat nicht funktioniert."
Es scheint, als würde Hamilton bei Ferrari in alte Muster verfallen. Bereits zu Mercedes-Zeiten galt er als Fahrer, der das Auto während eines Wochenendes gerne mehrmals umbauen ließ. Statt sich auf das Feintuning des Setups zu konzentrieren, verrannte sich Hamilton im Wald. Beim zweiten Saisonrennen in China erwischte es den 105-maligen GP-Sieger auf dem falschen Fuß. Nach seinem Sprint-Erfolg – dem bisherigen Saisonhighlight – hatte man mit dem Superstar wieder rechnen dürfen. Doch dann legten die Ferrari-Techniker Hand am SF-25 an. Dem enttäuschenden Qualifying folgte ein noch schwächeres Rennen, das am Ende sogar in einer Disqualifikation endete. Die Skid-Blöcke am Unterboden lagen unter dem Mindestwert von neun Millimetern.

Hamilton fühlt sich in seinem SF-25 noch nicht wohl. Deshalb lässt er häufig das Setup umbauen.
Zu viele Setup-Änderungen?
Zwei Wochen später wehrte sich Hamilton in Japan, als er auf die Änderungen am Auto angesprochen wurde: "Was die Leute von außen überhaupt nicht sehen: Minimale Änderungen haben massive Auswirkungen. In Shanghai haben wir nur ganz wenig am Setup geändert, und das Auto war sofort ein anderes." Doch auch in Suzuka wurde es mit P7 nicht besser. Ein kleines Lebenszeichen sendete Hamilton mit einer ordentlichen Pace und Rang fünf in Bahrain. Dort hatte er allerdings die Qualifikation verwachst. Dasselbe Missgeschick unterlief ihm auch in Jeddah. Mit Teamkollege Leclerc kann er auf eine schnelle Runde nicht mithalten.
Der einstige Abo-Weltmeister schiebt es weiterhin auf das nicht vorhandene Wohlbefinden im Auto. "Ich habe mich in Jeddah keine Sekunde wohlgefühlt." Die Schuld nahm er dabei auf sich. "Das Auto hat eindeutig Potenzial. Charles hat das mit seinem Podium ja klar gezeigt. Ich kann also nicht behaupten, dass es am Auto liegt", rätselte er nach der Klatsche.

Vasseur hält die schützende Hand über seinen Superstar.
Vasseur verteidigt seinen Superstar
Hamilton flüchtet sich schon in Galgenhumor. In Bezug auf mögliche Änderungen meinte er lakonisch: "Das Auto fühlt sich immer noch fremd an. Vielleicht brauche ich eine Gehirntransplantation." So weit wird es nicht kommen. Die Unterstützung seines Teamchefs Frédéric Vasseur ist ihm gewiss. Der Franzose stellte sich nach Jeddah schützend vor seinen Transfercoup und verteidigte ihn gegenüber den Journalisten. "Ich stehe voll und ganz hinter Lewis. Wir werden versuchen, die Gründe für die Probleme und Lösungen dafür zu finden."
Der 56-Jährige spielte die Formschwäche des Hoffnungsträgers herunter. "Es ist nicht dramatisch. Wir haben bisher fünf Rennen absolviert. Ich weiß, ihr wollt die großen Schlagzeilen haben, Fred hat dies gesagt und Fred hat das gesagt." Vasseur ist bewusst, dass auf Ferrari und Hamilton ein besonderes Augenmerk liegt. Die bisherigen Leistungen beider Parteien sind jedoch enttäuschend. Die Ansprüche sind höher als Top-10-Ergebnisse.
Der Ferrari-Teamchef will kühlen Kopf bewahren. "Wir müssen ruhig bleiben. Für uns als Team gilt: Wir müssen Schritt für Schritt arbeiten. Es hat sich letztes Jahr ausgezahlt, dass wir uns im Hundertstelbereich immer weiterentwickelt haben. Diese Einstellung müssen wir beibehalten." Schnelle Lösungen sind nicht in Sicht. Die Fans von Hamilton und Ferrari müssen wohl noch etwas Geduld zeigen.