"Wir brauchen Mut, um die alten Kleider wegzuwerfen, die ihre besten Tage hinter sich haben." Dieses Zitat stammt von Fridtjof Nansen. Der norwegische Friedensnobelpreisträger traf mit seiner Aussage vor mehr als einem Jahrhundert den Nagel auf den Kopf.
Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2025 und es wäre überraschend, wenn Lewis Hamilton vor dem ersten Formel-1-Rennen des Jahres (16.3.) das Zitat Nansens in seinen Gedanken hätte. Doch auf keinen Fahrer im Feld trifft die Aussage besser zu als auf den Engländer. Nach zwölf Jahren bei Mercedes legte Hamilton die silberne Kluft ab und startet dieses Wochenende sein Ferrari-Abenteuer.
Der Rekordsieger der Formel 1 wirkt in Melbourne revitalisiert. In der offiziellen Pressekonferenz am Donnerstag (13.3.) gab sich der Superstar locker und schlagfertig. Der Auftritt neben seinen Fahrerkollegen war kein Vergleich zu der bleiernen Schwere vor seinem letzten Rennen in Mercedes-Diensten im Dezember 2024. In Abu Dhabi hatte Hamilton gesagt, dass er seine "Familie" verlassen würde. Die ganzen Erinnerungen machten es dem 40-Jährigen schwer, seine Emotionen zu kontrollieren.
Hamiltons besondere Melbourne-Beziehung
Nach Dauerbrenner Fernando Alonso ist Hamilton der erfahrenste Formel-1-Fahrer im Feld. Sein Debüt in der Königsklasse gab der Mann aus Stevenage vor sage und schreibe 18 Jahren. Damals ging Lewis Hamiltons Stern in Melbourne auf. In seinem ersten Formel-1-Rennen raste ein 22-Jähriger mit Gewinnerlächeln in seinem McLaren auf das Podest. Der Rest ist Geschichte.
Der siebenmalige Weltmeister kann sich noch gut an sein Debüt erinnern. "Ich hatte bis jetzt eine einmalige Formel-1-Karriere. Der Beginn mit McLaren hier war ein episches Gefühl für mich." Hamilton blickte auf die Anfänge zurück und darauf, wie sich die Dinge verändert haben. "Ich war offensichtlich nicht reif genug. Ich hatte natürlich alle Hausaufgaben gemacht, was das Autofahren angeht, und ich hatte die natürlichen Fähigkeiten, aber ich hatte kein Team um mich herum."
2007 brauchte Hamilton noch mehr familiäre Unterstützung, wie er zugab. "Es waren mein Vater und meine Stiefmutter, die meine Flüge buchten, um hierherzukommen. Sie sind ebenfalls an diesem Wochenende hier."
Auch an die schwierigen Phasen seiner Karriere erinnerte sich die Formel-1-Ikone. "Ich hatte keine Hilfe, um mich auf so etwas vorzubereiten. Überall, wo ich war, ging es bergab, und ich bin oft ertrunken, im Gegensatz zu jetzt, wo ich mich in meiner Haut sehr wohlfühle."

Lewis Hamilton wirkte in der Pressekonferenz vor dem Australien-GP gelöst und locker.
Ferrari entfacht Feuer
Als ausgereifte Persönlichkeit kann Hamilton nun gelassener auf das Drumherum im Haifischbecken der Formel 1 blicken. "Ich weiß, wer ich bin. Ich weiß, wohin ich gehe. Ich weiß, welche Energie, Zeit und Mühe ich aufwenden muss, um dorthin zu gelangen. Als ich 22 war, wusste ich das natürlich nicht, aber es war eine Achterbahnfahrt bis jetzt, und ich bin einfach unglaublich dankbar, dass ich immer noch hier bin, dass ich immer noch eine Chance habe."
Der Neuanfang mit Ferrari löst in Hamiltons etwas aus. Es ist vergleichbar mit 2007, wie er festhielt: "Ich denke, das hier erinnert mich sehr an mein erstes Jahr. Im Laufe der Jahre bin ich im Fahrerlager auf und ab gegangen und habe mir die rote Garage angesehen, und jetzt bin ich tatsächlich in der roten Garage. Das ist ein wirklich schönes Gefühl."
Das kann bei der Scuderia aber schnell in die andere Richtung ausschlagen. Sollte die Performance auf der Strecke nicht stimmen, brennt in Maranello metaphorisch der Baum. Seit 2008 ist Ferrari ohne Formel-1-Titel. Dieses Jahr muss es endlich klappen.

Der Druck bei Ferrari ist immens. Hamilton lässt den laut eigener Aussage aber nicht an sich heran.
Hamilton blendet Druck aus
Laut eigener Aussage kann Hamilton aber das nervöse Umfeld ausblenden und lässt sich nicht ablenken. "Ich habe lange, lange Zeit ohne Soziale Medien verbracht. So werde ich nicht mit all dem Zeug bombardiert, das in den Sozialen Medien zu finden ist. Ich lebe also sozusagen in meiner eigenen kleinen Blase."
Der 105-malige Rennsieger der Formel 1 konzentriert sich lieber auf seine neue Herausforderung. "Ich fange wieder bei Null an. Alle Zeit, die ich habe, investiere ich wirklich. Vier Tage pro Woche war ich in der Fabrik. Ich habe alles gegeben, um zu trainieren, um meinen Geist und meinen Körper noch mehr anzustrengen als bisher, um zu sehen, ob ich über mich hinauswachsen und noch mehr aus dem herausholen kann, was ich habe."
Nach 356 Grand-Prix-Starts wirft Hamilton nichts mehr so leicht aus der Bahn. "Aber ich spüre den Druck nicht, genauso wie der Druck von außen für mich nicht existiert. Der Druck kommt von innen, und ich bin nicht hier, um irgendjemandem etwas zu beweisen, sondern um das zu erreichen, was ich will."
Auch wenn Hamilton das Wort "Weltmeister-Titel" nicht in den Mund nahm, weiß er natürlich, dass bei Ferrari keine zweiten Plätze zählen. Doch die zählen ebenfalls nicht für den Rekordjäger der Formel 1. Daran ändern auch die neuen, roten Kleider nichts.