Die Formel 1 sollte ja eigentlich als Vorreiter für die Entwicklung von Serienmotoren dienen. Doch bei der Motorentechnik klaffen Rennstrecke und Straße weit auseinander. Einzelne Elemente, wie der Trend zur Turbo-Aufladung oder der Hybrid-Unterstützung, finden sich zwar in ähnlicher Form auch in der Königsklasse wieder, sonst haben die hochgezüchteten Aggregate mit ihren Serienbrüdern aber nicht viel zu tun.
Besonders deutlich wird das beim Antrieb der Nockenwelle. Um die Öffnungszeiten der Ventile so präzise wie möglich zu steuern, ging die Formel 1 schon vor langer Zeit eigene Wege. Zahnriemen und Steuerketten verursachen zu viel Spiel im System, den man sich bei den geringen Toleranzen von Hochleistungsmotoren nicht leisten will. Hier geht es darum, die am Zündprozess beteiligten Komponenten auf die Millisekunde genau zu synchronisieren.
Deshalb wird an der Stirnseite moderner Formel-1-Triebwerke ein kompliziertes System aus festen Zahnrädern montiert. Diese Technik verlangt zwar einen höheren Entwicklungsaufwand, belohnt die Ingenieure am Ende aber auch mit einer besseren Effizienz und mehr Performance. Im Serienbau hat sich der Zahnrad-Antrieb hingegen bis auf ein paar Ausnahmen, z.B. im Motorrad-Bereich, nie wirklich durchgesetzt.
Turbo- und Saugmotoren mit Zahnriemen
In der Formel 1 ging die Zeit der Zahnriemen schon mit Auslaufen der 80er Jahre zu Ende. Turbo-Pionier Renault setzte bei seinen aufgeladenen Triebwerken bis zum Schluss auf dieses Konzept. Das lässt sich auch einfach begründen: Turbo-Motoren kommen in der Regel mit niedrigeren Drehzahlen aus. Bei den Belastungen von hochdrehenden Saugmotoren kommen Zahnriemen dagegen schnell an ihre Grenzen.
Umso überraschender ist, dass die Zahnriemen-Technik bei ihrem allerletzten Auftritt in der Formel 1 nicht bei einem Turbo, sondern in Kombination mit einem Saugmotor verwendet wurde. Und wieder handelte es sich dabei um einen Renault. Die Franzosen hatten sich nach der Saison 1986 kurzzeitig aus der Königsklasse verabschiedet, weil die alten Turbos nicht mehr konkurrenzfähig waren und der Konzern aus Boulogne-Billancourt dazu noch mit finanziellen Problemen kämpfte.
Als die FIA für die Saison 1989 ankündigte, die Turbo-Technik zu verbannen und nur noch Sauger zuzulassen, wurde das Interesse von Renault an der Formel 1 wieder geweckt. Als Hubraum waren 3,5 Liter vorgeschrieben. Jetzt mussten sich die Ingenieure nur noch entscheiden, ob sie das erlaubte Volumen in acht, zehn oder zwölf Zylinder packen wollen. Am Ende entschied man sich bei Renault für einen V10 mit einem Bankwinkel von 67 Grad, der auf den Namen RS1 getauft wurde.

Renault gilt als Turbo-Pionier der Formel 1. Bei den aufgeladenen Motoren kamen stets Zahnriemen zum Einsatz.
Zahnrad-Umbau nach nur einem Jahr
Trotz der grundlegenden Konzept-Unterschiede im Vergleich zum alten Turbo wurde der Zahnriemenantrieb in die neue Generation übernommen. Am 30. Januar 1988 lief das Aggregat zum ersten Mal auf dem Prüfstand. Kurze Zeit später konnten die Konzernmanager einen Vertrag mit Williams über die Lieferung von Motoren für die Saison 1989 abschließen.
Bei der Grand-Prix-Premiere zum Saisonauftakt in São Paulo qualifizierte sich Riccardo Patrese direkt für die erste Startreihe. Im ersten Rennen fielen allerdings beide Autos mit Motorenproblemen aus.
Nach dem Fehlstart bekamen die Ingenieure die Zuverlässigkeitsprobleme aber schnell in den Griff. Der RS1 überzeugte vor allem durch sein gutes Ansprechverhalten. Bei den Regenrennen in Kanada und Australien feierte Thierry Boutsen die ersten beiden Siege mit einem Renault-Saugmotor. Williams beendete die Saison auf Rang zwei in der Teamwertung.
Honda zieht kurzfristig die Reißleine
Renault war übrigens nicht der einzige Hersteller, der für 1989 einen Motor mit Zahnriemen entwickelt hatte. Auch bei Honda setzte man in der Entwicklungsphase auf dieses Layout. Erst drei Monate vor dem Start der Saison wurde der RA109E V10 doch noch hastig auf einen Zahnrad-Antrieb umgebaut. Die Last-Minute-Maßnahme hatte Erfolg. McLaren gewann mit Honda-Power zehn von 16 Rennen und sicherte sich überlegen beide WM-Titel.
Für das zweite Jahr der neuen Saugmotoren-Ära unterzog dann auch Renault seinem Triebwerk ein großes Facelift. Der RS2 baute 4,8 Zentimeter kürzer und 1,5 Zentimeter niedriger. Beim Gewicht sparten die Ingenieure zwei Kilogramm ein. Und der Zahnriemen wurde nun auch hier durch einen starren Satz Zahnräder ersetzt. Von Erfolg war die Maßnahme zunächst aber nicht gekrönt. Neben McLaren-Honda zogen 1990 auch noch Ferrari und Benetton-Ford an Williams-Renault in der Teamwertung vorbei.
Die Geschichte hat aber ein Happy End: In der Saison 1992 konnte keiner mehr mit der britisch-französischen Kombination mithalten. Nigel Mansell gewann neun Rennen und wurde überlegen Weltmeister. Patrese landete direkt dahinter auf Rang zwei und half mit, den Konstrukteurspokal nach Grove zu bringen. Damit war der Knoten geplatzt. In den Jahren 1993 bis 1997 gingen noch fünf weitere Titel in der Teamwertung an Autos mit einem Renault-V10 im Heck.