Auch einen Tag nach der Verkündung der Strafe gegen Red Bull für den Regelbruch beim Budget-Deckel erregt das Urteil der FIA immer noch die Gemüter. Teamchef Christian Horner hatte nach seiner 50-minütigen Pressekonferenz zunächst die Schlagzeilen bestimmt. Der Brite sprach dabei von einer drakonischen Strafe. Bis zu eine halbe Sekunde würde es sein Team kosten, wenn man nun in den nächsten 12 Monaten auf 10 Prozent der Aerodynamik-Entwicklung verzichten muss.
Während Horner auf die Tränendrüse drückte, schüttelte die Konkurrenz nur ungläubig den Kopf. McLaren-Teamchef Andreas Seidl sprach von "Märchen", die Horner in seiner Pressekonferenz erzählte. Firmenboss Zak Brown empfand das Urteil nicht abschreckend genug. Er forderte die FIA zu mehr Härte auf: "Wenn die Regeln so gebrochen werden, müssen die Strafen in Zukunft deutlich heftiger ausfallen."
Bei Ferrari war man ebenfalls nicht zufrieden mit den Sanktionen. Laut Sportdirektor Laurent Mekies haben Red Bull die Mehrausgaben von über zwei Millionen Euro für das Jahr 2021 sportlich einen spürbaren Vorteil gebracht. "Wir denken, dass der Regelverstoß einem Zeitgewinn von etwa zwei Zehntel pro Runde entspricht. Das kann einen echten Einfluss auf das Ergebnis von Rennen und Meisterschaften haben."
Windkanal-Einsparung für andere Bereiche
In Vertretung von Teamchef Mattia Binotto, der nicht in Mexiko vor Ort ist, übernahm Mekies die Rolle als Sprachrohr der Scuderia: "Wir sind nicht happy mit der Strafe. Sie ist unserer Meinung zu niedrig ausgefallen. Wir denken nicht, dass sie die Mehrausgaben kompensiert – vor allem auch deshalb, weil es keine Auswirkungen auf das Budget hat, dass Red Bull zur Verfügung steht."
Eine Reduzierung des Budget-Deckels stand den Regelhütern aber nicht zur Verfügung, weil es sich um einen sogenannten "kleinen Verstoß" von weniger als fünf Prozent handelte. Mekies sprach deshalb von einem sehr begrenzten Effekt der Strafe, auf die Entwicklung des Autos: "Das gesparte Geld beim Windkanal können sie einfach in anderen Bereichen ausgeben. Das betrifft nicht nur die Energie-Kosten. Wenn sie künftig weniger Aero-Upgrades bringen, können sie das Geld zum Beispiel für die Gewichtsreduzierung oder für Entwicklung bei den Aufhängungen ausgeben."
Auch bei Mercedes glaubt man, dass Red Bull in der Angelegenheit noch gut weggekommen ist. Chefingenieur Andrew Shovlin rechnete vor, wie groß der Nachteil wirklich ist: "Die Strafe entspricht kaum mehr als dem Windkanal-Nachteil, den man bekommt, wenn man einen Platz höher in der Teamwertung landet. Wenn man nun behauptet, dass es eine halbe Sekunde ausmacht, dann müsste das letztplatzierte Team ja alleine durch den Windkanal-Bonus einen Vorteil von drei Sekunden haben. Das ist natürlich nicht der Fall. Deshalb denke ich, dass der Begriff drakonisch eine Übertreibung ist."
Red Bull rechnet mit Kritik der Gegner
Der Brite erklärte zudem, dass die Aero-Strafe im zweiten Jahr mit den neuen Regeln nicht mehr so schwer wiegt, wie noch vor zwölf Monaten, als man die aktuelle Auto-Generation kompletten neu entwickeln musste. "Wenn man weniger Windkanal-Runs zur Verfügung hat, dann schränkt einen das vor allem dabei ein, neue Konzepte auszuloten. Sollte man zum Beispiel eine falsche Philosophie gewählt haben und muss wieder von vorne anfangen, dann könnte das ein großer Nachteil werden. Aber bei einer normalen Weiterentwicklung muss man einfach nur etwas effizienter arbeiten."
Auch Alfa-Romeo-Teamchef Frederic Vasseur konnte die Rechnung von Horner bei den auferlegten Einschränkungen in der Aerodynamik-Entwicklung nicht nachvollziehen. "Wenn man mit 10 Prozent eine halbe Sekunde im Windkanal findet, dann machen wir irgendetwas falsch."
Für Red Bull kamen die Attacken der Konkurrenz übrigens nicht unerwartet. Horner hatte schon damit gerechnet, dass die Gegner die Strafe als zu niedrig kritisieren: "Sie haben ja schon im Vorfeld bei der FIA Werbung für harte Strafen gemacht. Ich bin mir sicher, dass es für sie nicht einmal ausreichend gewesen wäre, wenn wir den Windkanal niederbrennen müssten."