James Vowles: "Williams nicht bereit für Newey"

James Vowles im Interview
„Nicht bereit für einen wie Newey“

Veröffentlicht am 14.10.2024

Bei wie viel Prozent Ihres Renovierungsprogramms von Williams stehen Sie?

Vowles: Es ist immer noch ein relativ kleiner Prozentsatz. Wir sind noch weit weg vom Ziel, und dafür gibt es gute Gründe. Wir haben damit angefangen, gute Leute in das Team zu integrieren. Und viele stehen noch vor der Tür und warten ihre Arbeitssperren ab. Manche kommen erst in sechs bis zwölf Monaten. Und dann müssen sie sich erst einmal einarbeiten. Ich denke auch an künftige Führungskräfte auf niedriger Ebene. Aber das braucht fünf Jahre, sie dorthin zu bringen, wo sie irgendwann sein müssen. Wir haben viel an unseren Arbeitsprozessen geändert, sind aber trotzdem noch ein gutes Stück weg von dem, wo wir hin wollen. Wenn du durch eine Transformation gehst, gibt es auch Perioden, in denen es mal nicht so läuft. Wie in diesem Jahr. Aber wir haben das Fundament geschaffen, in der Zukunft besser zu sein. Ich bin happy, wo wir bei dem Renovierungsprozess gerade stehen, mit den Leuten, die wir verpflichten konnten, mit den Investitionen, die wir getätigt haben. Wir hätten diesen Stand nicht schneller erreichen können. Es geht nicht darum, wie wir in der Saison 2024 abschneiden. Es geht darum, wie es 2026, 2027 und 2028 sein wird.

Was wird nächstes Jahr passieren, was 2026?

Vowles: 2025 werden Sie noch nicht so viel sehen, weil alle Investitionen auf das Jahr 2026 abzielen. Nächstes Jahr wird uns vor allem helfen, dass wir eine der besten Fahrerpaarungen im Feld haben. Albon und Sainz werden sich gegenseitig antreiben. Das wird uns in die Karten spielen. 2026 sollte man bereits einen Schritt vorwärts erkennen.

Nicht nur Williams will sein Team neu aufstellen. Auch Aston Martin, Alpine und Audi rüsten auf. Sind die Fälle vergleichbar?

Vowles: Bei Alpine sehe ich ein Fragezeichen. Selbst wenn sie in Zukunft bei Mercedes Motoren einkaufen, haben sie da einen großen Rückstand. Wir arbeiten seit 2014 mit Mercedes zusammen und sind schon zusammen mit Mercedes mittendrin im 2026er-Projekt. Du kannst nicht nur einen Motor ins Heck des Autos schrauben und darauf hoffen, dass es schon funktionieren wird. Außerdem befindet sich Alpine noch im Abwärtstrend. Der muss erst einmal gestoppt werden, bevor die Wende eingeleitet werden kann. Darüber sind wir schon hinweg. Audi hängt noch weit zurück bei seiner Transformation. Das Team ist immer noch Sauber. Wir haben mit dem Prozess vor ein, zwei Jahren begonnen und sind bereits einigermaßen stabil.

Lawrence Stroll &  Adrian Newey - Aston Martin - 2024
Aston Martin

Lawrence Stroll sagt, er bringt den Erfolg mit seiner Vision, seinem Geschäftssinn und seinem Geldbeutel. Ist das auch der Weg von Williams?

Vowles: Lawrence ist weit erfolgreicher als ich es bin. Er hat viel mehr erreicht als ich in meinem Leben. Aston Martin trifft die richtigen Entscheidungen und engagiert die richtigen Leute, aber sie haben 2026 einen Motorwechsel vor der Brust. Das braucht immer eine Zeit der Eingewöhnung. Jetzt zur Ihrer Frage: Ich will meinen eigenen Weg gehen, und der unterscheidet sich vom Weg der anderen, egal ob in der Vergangenheit oder jetzt. Was haben wir zu verlieren? Wir sind bereits im Mittelfeld. Ich will das Team behutsam für die Zukunft aufstellen, auch wenn ich heute noch einen Preis dafür zahle. Unsere Investitionen sind gut gewählt. Aber wir rennen nicht mit einem offenen Scheckheft herum.

Williams zählte auch zu den Teams, die Adrian Newey hofiert haben, ist aber früh aus dem Rennen ausgestiegen. Warum?

Vowles: Es hat nichts mit dem Geld zu tun, auch wenn es zum Schluss einen Bieter-Wettbewerb gab, an dem wir nicht mehr teilnehmen wollten. Ich will Leute, die an unser Projekt glauben. Williams war noch nicht bereit für einen wie Adrian. Wir müssen noch so viel Aufbauarbeit leisten, bevor wir einem von seiner Klasse das richtige Umfeld bieten können. Er hätte unser Team überfordert, und das hätte den gegenteiligen Effekt erzielen können. Er wäre am Ende frustriert gewesen. Außerdem will ich keine Infrastruktur aufbauen, die von einer Person abhängt. Williams dreht sich nicht um mich, einen Fahrer oder einen Ingenieur. Es wird ein Team von 1.000 Leuten sein, die zusammenarbeiten. Das ist wichtig. Es bringt dir einen Kurzzeit-Verlust für einen Langzeit-Gewinn.

Bei Carlos Sainz hatten Sie Erfolg. Wie wichtig ist das Signal, dass er Williams gegenüber Alpine und Audi vorgezogen hat?

Vowles: Die Message, dass ihn Alpine und Audi nicht bekommen haben, ist nicht wichtig für mich. Wichtig für mich war, dass Williams von heute nicht mehr das Team Williams von vor drei Jahren ist. Für das Team Williams der Vergangenheit hätte Carlos nicht unterschrieben. Wir haben gleichzeitig gezeigt, dass wir in der Lage sind etwas zu bekommen, wenn es uns wichtig ist.

Flavio Briatore hat gesagt, er hätte gar nicht das Auto, mit dem Sainz einen Unterschied hätte ausmachen können. Haben Sie das Auto?

Vowles: Carlos kann mit jedem Auto einen Unterschied ausmachen. Deshalb haben wir ihn geholt. Er ist für jedes Team eine Bereicherung. Er wird uns vorwärtsbringen, weil er sein Herz und seine Seele dem Team verschrieben hat. Weil er dazu beitragen wird, die Starts zu verbessern, das Setup, die Arbeit mit den Reifen, den Simulator.

James Vowles & Alex Albon - Williams - Formel 1 2024
Williams

Williams wird nächstes Jahr eine starke Fahrerpaarung auf Augenhöhe haben. Ganz anders als in den letzten Jahren. Wie schwer wird es sein, ihre beiden Stars happy zu halten?

Vowles: Wir haben die stärkste Fahrerpaarung. Ich sehe keine Probleme darin, den beiden ein Umfeld zu bieten, in dem sie glücklich sind. Die größte Herausforderung wird sein, im Fall von Upgrades beide Autos gleichzeitig zu bedienen. Das war in diesem Jahr nicht immer der Fall. Unser Fokus muss nächstes Jahr auf beiden Fahrern liegen. Wenn es wieder passieren sollte, dann muss es ausgewogen sein. Wir werden vom Wettbewerb der beiden profitieren. Das ist eine Kettenreaktion in einem geschlossenen Raum.

Jetzt haben Sie mit Colapinto unerwarteterweise einen dritten Fahrer im Stall. Was machen Sie mit ihm?

Vowles: Wenn ich Audi wäre, würde ich ihn in Betracht ziehen. Wir wären offen, ihn auszuleihen. Wenn er da nicht unterkommt, habe ich den besten Reservefahrer im Feld. Und wir werden ihn weiter ausbilden, indem wir ihn mit alten Formel-1-Autos testen und im Simulator fahren lassen.

Wie gut war der Williams FW46 vor dem Upgrade und wie gut ist er danach?

Vowles: Das Fundament des Autos und die Aerodynamik sind gut. Wir hatten zu Saisonbeginn 14 Kilogramm Übergewicht, später acht, jetzt noch eines. Sie können sich selbst ausrechnen, wo wir mit einem Auto am Gewichtslimit gelandet wären. In den meisten Rennen in den Top Ten. Das Upgrade, das in Zandvoort ans Auto kam, hat zwei Dinge für uns getan. Erstens: Wir haben mehr Abtrieb. Stabilen Abtrieb. Zweitens: Wir konnten weiter Gewicht reduzieren.

Warum ist es mit diesen Autos so schwer geworden, Upgrades zu bringen, die funktionieren?

Vowles: Es ist einfach, Abtrieb zu finden, der dann aber auf der Rennstrecke nicht genutzt werden kann. Wir blieben bis jetzt davon verschont. Unser Aerodynamikchef Adam Kenyon kann zwei Dinge sehr gut. Das eine nenne ich ehrliche Bestandsaufnahme. Alle Fehlschläge werden offen angesprochen. Er und sein Team suchen nicht Abtrieb an einer Stelle, wo die Gefahr besteht, dass er instabil ist. Das ist unsere Philosophie, und die funktioniert.

Logan Sargeant - Williams - Formel 1 - 2024
Williams

Wie ist es dann möglich, dass große Teams wie Mercedes oder Red Bull mit viel besseren Werkzeugen in so eine Falle tappen?

Vowles: Sie werden zwischen dem Mercedes-Windkanal und unserem renovierten Williams-Windkanal keinen Unterschied mehr feststellen. Bei CFD ist uns Mercedes noch überlegen. Red Bull ist da noch einen Schritt weiter, doch sie haben einen sehr alten Windkanal, in dem man nur in einem bestimmten Temperaturfenster arbeiten kann. Wir sind also beim Windkanal nicht so schlecht aufgestellt. In anderen Bereichen sind wir noch weit hinten dran. Aber wir holen auf. Es ist aber schwierig die Entscheidungsprozesse bei der Aerodynamikentwicklung miteinander zu vergleichen. Da geht es nicht um eine sondern tausend Entscheidungen. Wie viel Abtrieb man wo haben will, wie viel davon nutzbar ist. Jeder hat da seine eigene Philosophie.

Zu Saisonbeginn hatten Sie nur zwei Chassis und mussten in Australien nach einem Unfall auf ein Auto am Start verzichten. Könnte das 2025 wieder passieren?

Vowles: Wie viele Teams hatten dieses Jahr bei den ersten Rennen kein drittes Chassis? Nach unseren Berechnungen waren es drei. Das kann den besten Teams passieren. Ich kann nicht versprechen, dass es nicht wieder passiert. Es hängt immer davon ab, wo du deine Ressourcen einsetzen willst. Wir sind da immer noch mehr eingeschränkt als andere Teams. Ich muss Kompromisse eingehen, und wenn es mit dem Risiko behaftet ist, bei zwei Rennen kein Ersatzchassis zu haben, dann muss ich es eingehen. Ich kann Sie aber beruhigen. So wie unser Plan für 2025 aussieht, sollten wir okay sein. Und 2026 auch.

Sie kommen von einem sehr großen Team in ein Mittelfeld-Team und kennen nun beide Seiten. Hat der Budgetdeckel seinen Zweck erfüllt?

Vowles: Der Kostendeckel für die operativen Ausgaben ist gut. Die Teamgrößen variieren aber immer noch sehr stark. Es gibt also unterschiedliche Interpretationen, gerade was die Verrechnung der Gehälter und die Zahl der Angestellten betrifft. Das Limit auf der Investitionsseite hat unsere Pläne eingeschränkt. Wir hätten viel, viel mehr Geld gebraucht, um bei der Infrastruktur auf den Stand der Topteams zu kommen. Wir mussten um 20 Millionen Dollar extra betteln gehen. Das ist nicht richtig. Aber für 2026 wurden die Finanzregeln korrigiert. Das ist ein guter Schritt in die richtige Richtung.

Schöpft Williams den Budgetdeckel aus?

Vowles: Ja.

Viele glauben, dass 2026 mit dem neuen Motoren-Reglement nur Werksteams Erfolg haben können. Was sagen Sie dazu?

Vowles: Das ist falsch. Nicht mit Mercedes. Ich kenne sie als Werksteam und als Kunde. Sie kümmern sich um dich in einem Maße, dass du das Gefühl hast, ein Werksteam zu sein. Ich habe ein Mitspracherecht, es gibt eine offene Kommunikation. Und das beeinflusst auch die Entscheidungen der HPP-Motorenabteilung. Mercedes steht auch im Ruf die besten Motoren zu bauen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir top gerüstet in die Saison 2026 gehen.