Nach den sechs Punkten zum Saisonstart in Melbourne setzte bei Sauber eine lange Flaute ein. Das Schweizer Team rutschte Schritt für Schritt ans Tabellenende ab. Die kleinen Modifikationen am Auto in Shanghai, Suzuka, Jeddah, Miami und Monte Carlo zeigten kaum Wirkung. Sauber war dran am Feld, aber nicht genug, um aus eigener Kraft in die Punkte zu fahren. Und Geschenke wie sie der Regen von Melbourne offeriert hatte, gab es nicht mehr.
Der Sauber C46 hatte ordentliche Spitzenwerte beim Abtrieb, doch der Anpressdruck war nicht stabil. Die Fahrer klagten über Abtriebsschwankungen in Kurvenfahrt und eine unberechenbare Balance zwischen Einlenken und Scheitelpunkt. Das fraß im Rennen die Reifen. Je nach Strecke war man mal näher dran, mal weiter weg von den direkten Gegnern. "Unsere Probleme", erklärte Nico Hülkenberg, "waren auch mit den Setup nicht gutzumachen."
Fortschritte hauptsächlich im Rennen
Sauber legte deshalb große Hoffnungen in das erste große Upgrade der Saison. Es sollte eigentlich ein bisschen früher kommen, doch auf dem Weg dorthin entdeckten die Ingenieure ein Detail, das einen weiteren Schritt nach vorne versprach. So wurde das Debüt auf den GP Spanien gelegt, zeitgleich mit dem Rennen, an dem die strengeren Frontflügel-Regeln in Kraft traten.

Sauber machte in Barcelona einen Fortschritt.
Die Änderungen am Frontflügel, Unterboden und den Seitenkästen zielten nur bedingt auf einen Zuwachs an Abtrieb. "Wichtiger war uns stabiler Anpressdruck", erzählte Chefstratege Inaki Rueda. Die Fahrer sollten das Vertrauen in ihr Auto zurückgewinnen, das mit dem C46 verloren gegangen war.
Die Fahrer mussten eigentlich gar nichts sagen. Allein die Longruns am Freitag erzählten die ganze Geschichte. Nico Hülkenberg rangierte in dieser Disziplin vor den Ferrari-Piloten. Gabriel Bortoleto, der am Freitag noch das alte Aero-Paket fuhr, lag im Schnitt vier Zehntel dahinter.
Ein zweites Indiz dafür, dass die Ingenieure unter James Key ihr Ziel erreicht hatten, lieferte die Qualifikation. Bortoleto schaffte den Sprung ins Q2, Hülkenberg wegen kleiner Fehler nicht. Der Fortschritt auf eine Runde war begrenzt, auf die Distanz aber signifikant.
Drei Satz frische Soft-Reifen für Hülkenberg
Für Hülkenberg war das Ausscheiden im Q1 im Rückblick ein Segen. So sparte er sich drei Satz frische Soft-Reifen. Pirellis C3-Mischung erwies sich trotz der Hitze am Renntag als der beste Reifen in der Auswahl. Hülkenberg fuhr die Soft-Reifen im ersten, dritten und vierten Stint. Und hatte damit speziell im Siebenrunden-Sprint nach der SafetyCar-Phase eine Trumpfkarte in der Hand. Von den Top Ten war er der einzige mit frischen Soft-Reifen im Feld.
Als das Rennen wieder freigegeben wurde, lag Hülkenberg auf Platz 8. Der Rheinländer fuhr ab der dritten Runde in den Punkterängen, ließ Fernando Alonso und Pierre Gasly hinter sich und hielt Anschluss an Isack Hadjar. Die günstige Ausgangsposition beim Re-Start war kein Geschenk, sondern das Resultat konstant schneller Runden.
Im Finale drehte Hülkenberg auf. Noch in der Re-Start Runde überraschte er Isack Hadjar. Zwei Runden vor Schluss bremste er Lewis Hamilton in der ersten Kurve aus. "Es gab heute einen deutlichen Unterschied zwischen gebrauchten und neuen Reifen, was sich für uns ausgezahlt hat", gab Hülkenberg zu.
Als dann Max Verstappen mit seiner Zehnsekunden-Strafe auf den zehnten Platz abrutschte, lag der quietschgrüne Sauber auf Rang 5. Für Hülkenberg war es der erste zweistellige Punktgewinn seit Monza 2019. Sauber musste erst einmal begreifen, Hamilton in einem Ferrari in einem ehrlichen Kampf bezwungen zu haben.

Jonathan Wheatley und Nico Hülkenberg hatten viel zu lachen.
Kein Geschenk des Rennglücks
Im Gegensatz zu Melbourne war der fünfte Platz kein Geschenk des Rennglücks. Hülkenberg lag von Anfang an auf Punktekurs. Grundlage war ein guter Start und eine exzellente erste Runde, die ihn von Platz 15 auf Rang 11 brachte. Man merkte, dass der Veteran etwas gutmachen wollte. "Ich habe in der Qualifikation nicht das Maximum herausgeholt. Es war enttäuschend, nicht die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, und ich war frustriert über mich selbst. Aber dieser Ärger hat mir heute zusätzlichen Antrieb gegeben."
Und dann passte an diesem Sonntag in Barcelona alles. Der Speed, die Strategie und die Boxenstopps mit 2,1 und 2,5 Sekunden. Hülkenberg lobte auch den runderneuerten Sauber: "Das Auto fühlte sich das ganze Wochenende über gut an, und die Upgrades haben uns deutlich mehr Rundenzeit gebracht. Außerdem haben wir vielleicht etwas von der neuen Frontflügel-Regel profitiert. Bei uns hat das mit dem Verbiegen des Flügels nie richtig funktioniert."
Auch Gabriel Bortoleto lag lange in Punktenähe. Der Brasilianer wurde während der SafetyCar-Phase auf der Streck gehalten um Positionen zu gewinnen. Es zahlte sich nur halb aus. Gegen Fernando Alonso auf frischeren Reifen hatte er keine Chance. Es fehlten 4,1 Sekunden auf den zehnten Platz. "Wichtig ist, dass unser Auto besser geworden ist. Davon werden ich früher oder später profitieren", beruhigte sich Bortoleto.

Sauber schenkt die Saison noch nicht ab. Geht der Aufschwung noch weiter?
Sauber hat Windkanalzeit übrig
Das sah auch Audi-Projektleiter Mattia Binotto so. "Das Upgrade war ein Fortschritt, wenn auch nicht so groß, wie es das Ergebnis glauben lässt. Wir müssen uns weiter verbessern, weil die Abstände im Mittelfeld so eng sind, und wir wollen deshalb vor der Sommerpause noch einen weiteren Schritt machen." Als letztplatziertes Team 2024 hat Sauber mehr Windkanalzeit als alle anderen.
So bekommt eine Gruppe von rund zehn Ingenieuren noch etwas Testmöglichkeiten für das 2025er Auto, ohne im Vergleich zur Konkurrenz etwas opfern zu müssen. Die nächste Ausbaustufe des C46 soll laut Binotto eine Optimierung des Barcelona-Upgrades sein. Es geht bei dem Prozess nicht nur um Rundenzeit.
"Wir müssen unsere Muskeln für nächstes Jahr trainieren und uns beweisen, dass unsere Prozesse und Arbeitsmethodik richtig sind. Von der Produktionsseite her haben wir noch kein Problem. Die Teilefertigung für das 2026er Auto beginnt später."
Trotz der Sternstunde rät Binotto auf dem Teppich zu bleiben. "Wir dürfen jetzt nicht abheben, sondern müssen erst einmal analysieren, wie viel von dem Ergebnis dem Upgrade und wie viel günstigen Umständen geschuldet war. Es ist für uns wichtig zu verstehen warum es besser gelaufen ist."