Bis zum ersten 2-Mann-Duell dauerte es ein wenig. 1950, im Gründerjahr der Formel 1, konnten im Finale von Monza noch 3 Fahrer Weltmeister werden. Die drei "F" von Alfa Romeo: Juan-Manuel Fangio, Nino Farina und Luigi Fagioli. Auch 1951 und 1956 hatten noch 3 Piloten Titel-Chancen. Wir haben uns in unserer Serie nur die Finalrennen herausgepickt, bei denen es zum echten Duell Mann gegen Mann gekommen ist. Das erste fand 1958 mit dem GP Marrokko auf der Ain Diab-Strecke in Casablanca statt.
Was 1958 wirklich passierte
Mike Hawthorn reiste mit 40 Punkten nach Casablanca. Würde er sich auf Platz 2 oder besser klassieren, müsste er den dritten Platz vom Saisonauftakt in Buenos Aires streichen. Stirling Moss hatte 32 Zähler auf seinem Konto, konnte aber noch voll punkten. Was der Vanwall-Pilot auch wie auf Bestellung bewerkstelligte. Sein vierter Saisonsieg und die schnellste Rennrunde brachten ihn insgesamt auf 41 Zähler.
Damit war für Hawthorn die Ausgangsposition klar. Er musste Zweiter werden, um zwei Punkte dazu zu gewinnen. So wie Moss seine Aufgabe optimal erledigte, machte auch Hawthorn das, was nötig war. Er wurde beim Finale Zweiter. Damit wurde Mike Hawthorn der erste englische und der bis dahin auch jüngste Weltmeister der Geschichte. Hawthorn war am Tag seines Titelgewinns 29 Jahre und 192 Tage alt.
Unser fiktives Abu Dhabi-Finale 2014
Lewis Hamilton übernimmt den Part von WM-Spitzenreiter Mike Hawthorn. Das passt. Auch Hamilton ist Engländer. Auch er führt mit deutlichem Vorsprung. Der Unterschied. Hawthorn fuhr Ferrari. Hamilton sitzt im Mercedes.
Nico Rosberg ist quasi Stirling Moss. Auch da finden sich Parallelen. Moss war der Sohn eines Rennfahrers. Er saß in einem Vanwall, dem ersten Konstrukteurs-Weltmeister der Geschichte. Moss musste neun Punkte gutmachen. Rosberg 17. Fast das doppelte. Aber dafür gibt es ja im Finale auch doppelte Punkte.
Die FIA hatte den GP Marokko nach einem Proberennen 1957 zum ersten Mal in den Kalender aufgenommen. Die 7,618 Kilometer lange Ain Diab-Strecke führte über öffentliche Straßen und glich einem Quadrat mit einer Serie langer Geraden, schneller Schikanen und an den Kanten vier langsameren Kurven. Der Rundenschnitt lag mit 192 km/h für 1958 erstaunlich hoch. Abu Dhabi wird 56 Jahre später kaum schneller sein. Die Pole Position-Zeit im letzten Jahr wurde mit einem Schnitt von 200 km/h gefahren. Der GP Marrokko ging über 53 Runden. Der von Abu Dhabi über 55.
Schon im Training sorgten die beiden Titelkandidaten für die Show. Mike Hawthorn knöpfte Stirling Moss die Pole Position mit einem Zehntel Vorsprung ab. Das hieße: Hamilton steht in der Startaufstellung knapp vor Rosberg. Doch der Verfolger geht beim Start in Führung und gibt sie bis ins Ziel nicht mehr ab. Moss darf sich bis zur 39. Runde als Weltmeister fühlen. Denn Hawthorn kämpft mit zwei anderen Fahrern um den zweiten Platz. 1958 waren das die Teamkollegen der beiden WM-Kandidaten. Phil Hill spielte für Hawthorn, Tony Brooks für Moss. Das ist diesmal anders: Die WM-Rivalen sind Teamkollegen. Sie haben im Feld weder spezielle Helfer noch Gegner.
Auf das aktuelle Finale gemünzt könnte man es so drehen: Hamilton muss sich gegen Jenson Button und Sebastian Vettel durchsetzen, um den rettenden zweiten Platz zu schaffen. Button ist sein Landsmann. Vettel fährt wie Rosberg für Deutschland. Wenn sich 1958 wiederholt, fällt Vettel mit einem Motorschaden aus, und Button lässt Hamilton freiwillig vorbei. Der zweite Platz reicht Hamilton zum Titel. Auf die doppelten Punkte umgerechnet würde es nach Abu Dhabi 370: 367 für Hamilton stehen.
Danach sollte sich der neue Champion aber besser nicht mehr an das alte Skript halten. Hawthorn trat nach der Saison 1958 zurück, um sich mehr um die elterliche Autowerkstatt zu kümmern. Der Ruhm währte nicht lang. Am 22. Januar 1959, drei Monate nach seiner Krönung zum Weltmeister, starb Hawthorn bei einem Privatduell auf der Landstraße mit seinem väterlichen Freund Rob Walker in seinem Jaguar-Sportwagen.