Haas-Teamchef Guenther Steiner bleibt seinem Saisonziel treu: "Wir wollen um den sechsten Platz kämpfen." Das war im Vorjahr der Sonnenplatz im Mittelfeld. Doch dieses Mittelfeld scheint in diesem Jahr kräftig durcheinandergewirbelt.
Aston Martin machte einen großen Sprung nach vorne, McLaren dürfte nach hinten wandern. Alfa Romeo zeigt sich verbessert, und Alpine deckt seine Karten noch nicht auf. Haas steckt mittendrin. "Das ist alles unglaublich eng in diesem Mittelfeld. Jetzt musst du schon bei Testfahrten so zittern wie in der Qualifikation", stöhnte Teamchef Guenther Steiner.
Und wo genau steht Haas? Nico Hülkenberg gibt eine diplomatische Antwort: "Nicht ganz vorne und nicht ganz hinten." Am Ende des zweiten Testtages stand der Heimkehrer auf dem fünften Platz. Zhou und de Vries haben den Haas-Piloten zwar noch überflügelt, sind aber ihre Zeiten später bei kühleren – und damit besseren – Bedingungen gefahren.

Hülkenberg hatte noch Reserven
Verstappen und sein Red Bull spielen derzeit in einer eigenen Liga. Dass der neue Aston Martin mit Fernando Alonso zum erweiterten Favoritenkreis zählt, hat sich herumgesprochen. Beide markierten ihre persönlichen Bestzeiten auf C3-Reifen. Die Tagesbestzeit von Guanyu Zhou im Alfa Romeo geht auch auf das Konto der C5-Reifen.
Hülkenberg war wie und der drittplatzierte Alpha-Tauri-Neuling Nyck de Vries auf C4-Gummis unterwegs. "Die bringen im Vergleich zum C3 etwa eine halbe Sekunde", räumt Hülkenberg ein. Er sagt aber auch: "Das war noch nicht mein letztes Wort. Ich hatte noch Reserven."
Auch wenn es der Deutsche auf eine schnelle Runde angelegt hatte, muss man die Zeit von 1.32,466 Minuten erst einmal fahren. Sie liegt nur zwei Zehntel über der schnellsten Haas-Runde vor einem Jahr. Red Bull steht mit seiner schnellsten Runde von Max Verstappen im Vergleich zu 2022 ähnlich da. Das spricht für Haas.

Federweg ein wichtiger Faktor
Die Haas-Piloten durften am zweiten Tag zum ersten Mal DRS einsetzen. Kevin Magnussen lag mit 324 km/h nur 2 km/h hinter den beiden Ferrari, die die Top-Speed-Tabelle anführten. Das untermauert zwei Dinge: Haas hat erfolgreich den Luftwiderstand seines Autos reduziert. Und der Ferrari-Motor läuft wieder mit voller Power. Nach Expertenmeinung liegt der Vorsprung zur Konkurrenz bei ca. 10 PS.
Der US-Rennstall hat am ersten Tag viel Arbeit darin investiert, wie tief man mit der Bodenfreiheit gehen und wie weich man das Fahrwerk einstellen kann. Hülkenberg hatte schon beim Abu-Dhabi-Test des vergangenen Jahres den Ingenieuren gepredigt, lieber das Auto für mehr Federweg etwas höher zu setzen und Abtrieb zu opfern, um Fahrkomfort zu bekommen. "So kannst du konstanter fahren und schonst die Reifen."
Das ist angekommen. Der Haas kam am zweiten Tag deutlich besser über die Bodenwellen der Zielgerade als am ersten. "Die Wellen waren schon immer da, nur spürst du sie in den Autos mehr als früher", berichtete Hülkenberg. "Die erste Welle auf dem Zielstrich ist fast noch schlimmer als die am Ende der Geraden. Sie kann Bouncing auslösen, das du dann den Rest der Gerade hast."

Lob vom Teamchef
Steiner war von seinem neuen Mann begeistert. "Nico hat sich mit jedem neuen Reifensatz gesteigert. Und er fordert die Ingenieure, weil er sie mit Informationen und Fragen löchert. Das waren die gar nicht mehr gewohnt."
Hülkenberg gab zu, dass er trotz eines erfreulichen zweiten Testtages noch lange nicht zufrieden ist. "Ich habe ein gutes Gefühl für das Auto gefunden. Es fährt nicht mit mir, sondern ich mit ihm. Aber es gibt natürlich immer etwas zu verbessern. Du willst immer mehr Grip und eine bessere Balance."