Die erste große Kollision der Formel 1 gab es schon im zweiten Rennen. Acht Autos verkeilten sich beim GP Monaco in der Tabakkurve. Monaco war auch Schauplatz der zweiten Karambolage. 1962 stießen gleich nach dem Start auf der Anfahrt zur Gasometer-Kurve sechs Fahrzeuge zusammen. Ein toter Streckenposten blieb auf dem Schlachtfeld zurück. Die 500 Meilen von Indianapolis 1958 zählten noch zur Weltmeisterschaft. In der Startrunde kam es in Kurve 3 zu einer Kollision mit 15 Fahrern. Pat O‘Connor starb beim Überschlag seines Autos.
Doch das Indy 500 nahm immer eine Sonderrolle ein. Dort kam es regelmäßig zu großen Karambolagen, auch nach 1960, als das Rennen nicht mehr Teil der Formel 1-WM nahm. Umso größer war der Aufschrei, als Jody Scheckter 1973 in Silverstone zu Beginn der zweiten Runde einen Unfall auslöste, bei dem acht Autos Pingpong spielten. Die Kritiker schimpften damals, dass in der Formel 1 Sitten wie in Indianapolis einreißen würden. Sie konnten nicht ahnen, dass in den folgenden 45 Jahren 50 weitere Male mehr als drei Autos an einem Unfall beteiligt waren und so den Tatbestand einer großen Kollision erfüllten. Es würde zu weit führen, sie alle aufzuführen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit haben wir zehn dieser Massenunfälle herausgesucht.

GP Monaco 1950, 1.Runde
Nino Farina dreht sich auf der mit Meerwasser gefluteten Piste der Tabakkurve. Juan-Manuel Fangio ist schon durch. Luigi Villoresi kann sich gerade noch vorbeiquetschen, für Froilan Gonzalez reicht es nicht mehr. Louis Chiron findet noch eine Lücke. Fagioli stellt seinen Alfa quer und wird von Rosier torpediert, den Manzon von hinten angestoßen hat. Auch Shell, Harrison, de Graffenried, Rol und Trintignant bleiben auf dem Schlachtfeld zurück. Rol bricht sich den Arm. Der Maserati von Gonzalez rollt brennend und führungslos Richtung Gasometer-Kurve. Der Argentinier ist bereits abgesprungen, zieht sich aber schwere Verbrennungen im Schulterbereich zu.
GP England 1973, 2.Runde
Jody Scheckter kommt eingangs der 2. Runde zu schnell aus Woodcote Corner, hat keinen Spielraum mehr als er einen Ölfleck auf Höhe der vierten Startreihe trifft, stellt sich quer und biegt auf dem Gras nach innen Richtung Boxenmauer ab. Von dort wird der McLaren zurück auf die Strecke geschleudert. Reifen und Trümmer fliegen durch die Luft. Cevert, Reutemann und Regazzoni finden noch einen Weg durch das Chaos. Hailwood, Pace, Mass, Beltoise, Follmer, de Adamich, Williamson und Graham Hill werden in das Schlamassel mit hineingerissen. Nur der Shadow von Hill kann repariert werden. Die 75-minütige Pause gibt auch B.R.M. die Gelegenheit, an Niki Laudas Auto die bei der Kollision mit Oliver beschädigte rechte Hinterradaufhängung wieder flottzumachen. Andrea de Adamich ist mit einem gebrochenen Bein bereits auf dem Weg ins Krankenhaus. Er ist der einzige Fahrer, der verletzt wird. Angesichts der zerstörten Autos ein Wunder.
GP Italien 1978, Start
Starter Restelli drückt zu früh das Grünlicht. Die hinteren Autos beschleunigen aus dem Rollen heraus. Das führt zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Feld. Riccardo Patrese wechselt im Feld auf Höhe der alten Steilwand abrupt die Spur von links nach rechts. James Hunt muss ausweichen und trifft Ronnie Peterson, der scharf nach rechts in die Leitplanken abbiegt. Der alte Lotus 78 hat noch Seitentanks. Die platzen beim Aufprall auf, und sofort steht der führungslose Lotus in hellen Flammen. Auf dem Weg zurück auf die Strecke wird er von Vittorio Brambilla torpediert. Das eigene Vorderrad trifft den Italiener am Kopf. Stuck kann einem weiteren herrenlosen Rad nicht ausweichen und stoppt rechts an den Leitplanken. Carlos Reutemann dreht sich nach links in den Sand. Pironi, Daly, Depailler, Regazzoni und Lunger bugsieren sich gegenseitig von der Strecke. Peterson wird innerhalb von 30 Sekunden aus dem brennenden Lotus geborgen. Die Beine sind übel zugerichtet. Brambilla befindet sich in tiefer Bewusstlosigkeit. Das Rennen muss komplett neu gestartet werden. In der Nacht zum Montag stirbt Ronnie Peterson an einer Fettembolie. Vittorio Brambilla wacht nach einer Woche aus seinem Koma wieder auf. Der Italiener feiert ein Jahr später ein Comeback.
GP England 1986, Start
Nigel Mansell kommt schlecht weg. Auf der Getriebeseite schlägt es das Gelenk der linken Antriebswelle aus. Hinter dem Engländer kommt es in Paddock Hill Bend zum Stau. Thierry Boutsen biegt abrupt nach links ab. Der Arrows wird zurückgeschleudert und reißt dabei ein Werbebanner mit. Danner, Berg, de Cesaris, Palmer und Nannini fahren auf den querstehenden Arrows auf. Ghinzanis Osella steht kurz in der Luft. Jacques Laffite und Stefan Johansson flüchten nach rechts. Während Johansson auf dem Gras gerade noch die Kurve zurück auf die Strecke kriegt, prallt Laffite frontal auf eine ungeschützte Leitplanke, die den Tunnel unter der Rennstrecke absichert. Die Bergung des schwer verletzten Franzosen dauert 30 Minuten. Der Ligier ist auf Cockpithöhe abgebrochen, der Fußraum bis zur Pedalerie zu einem Klumpen Kohlefaser zusammengestaucht. Für Laffite bedeuten die Beinbrüche das Ende seiner Karriere.
GP Österreich 1987, Start
Der letzte Auftritt des Formel 1-Zirkus in der wundervollen Naturarena des Österreichrings ist eine teure Angelegenheit. Insgesamt 17 Autos gehen bei zwei Startkollisionen zu Bruch. Erst beim dritten Start kommt das Feld unfallfrei durch die erste Runde. Alex Caffi und Philippe Streiff nehmen nicht mehr teil. Michele Alboreto, Alain Prost, Ayrton Senna, Eddie Cheever, Martin Brundle, Christian Danner und Pascal Fabre starten aus der Boxengasse. Beim ersten Startversuch bricht Martin Brundles Zakspeed auf der Steigung zum Hella-Licht-S abrupt nach links ab. Nach dem Aufprall in die Leitplanke, schleudert das rotweiße Auto in die Fahrbahn zurück. Jonathan Palmer will ausweichen und wird von Streiff getroffen. Campos rammt den Ligier von Ghinzani. Die Rennleitung bricht das Rennen ab.
Nach 45 Minuten Pause geht es weiter. Diesmal kracht es noch heftiger. Brundle, Streiff, Palmer und Ghinzani steigen in die Reserveautos um. Fabre auch, weil an seinem AGS die Kupplung durchgebrannt ist. Piquet übernimmt die Führung. Mansells Kupplung überhitzt. Der Williams kommt nur langsam vom Fleck. Auch Bergers Ferrari schräg dahinter hat ein Problem. Patrese schert nach rechts, de Cesaris nach links aus. Rechts ist aber bereits Johansson, der auf Cheever prallt. Im Stau dahinter klettert Fabres AGS über den March von Capelli, kollidiert Palmer mit Ghinzani, Streiff mit Alliot und Brundle. Danner drückt Caffis Osella rechts in die Boxenmauer. Das bedeutet weitere 56 Minuten Pause.
GP Deutschland 1994, Start
Gerhard Berger biegt vor Alesi, Katayama, Michael Schumacher und Damon Hill in die erste Waldgerade ein. Dahinter bricht das große Chaos aus. Durch den Frühstart von Katayama irritiert, startet Mika Häkkinen auf der Innenbahn eine Wahnsinnattacke und räumt das halbe Feld ab. Der McLaren-Pilot reißt Blundell, Frentzen, Barrichello, Herbert, Martini und Irvine mit von der Strecke. Alboreto, de Cesaris und Zanardi krachen in einem separaten Unfall gegeneinander. Coulthard beschädigt sich bei dem Autobillard den Frontflügel. Häkkinen wird zur Strafe von den Sportkommissaren für das nächste Rennen in Ungarn gesperrt.

GP Kanada 1998, Start
Wie beim GP Österreich 1987 gehen auch in Montreal zwei Startversuche gründlich in die Hose. Die Beteiligten der Massenkollisionen sind in beiden Fällen die gleichen. David Coulthard geht vor Michael Schumacher und Häkkinen in die erste Kurve. Ralf Schumacher kommt nicht vom Fleck. Alexander Wurz bremst spät, kürzt innen über das Gras ab und torpediert Jean Alesis Sauber. Der Benetton steigt auf und landet nach dreifacher Rolle im Kiesbett. Alesi, Trulli und Herbert sind Kollateralschäden. Das Rennen wird abgebrochen. Wurz, Alesi und Trulli müssen in ihre Ersatzautos. Herbert startet beim zweiten Mal im reparierten Unfallauto aus der Boxengasse. Die Sauber-Crew wird nicht rechtzeitig fertig.
Beim zweiten Start bleibt Mika Häkkinens Getriebe im ersten Gang stecken. Nach 300 Metern ist Schluss für den WM-Spitzenreiter. Ralf Schumacher dreht sich mitten im Pulk. Wurz schiebt Trulli in Alesi. Der Prost parkt auf dem Seitenkasten des Sauber. Beide haben Feierabend. Wurz kann weiterfahren. Irvine humpelt mit einem Reifenschaden hinten links den Kollegen hinterher. Da das SafetyCar auf die Strecke geschickt wird, hält Irvine trotz des fälligen Boxenstopps Anschluss an das Feld. Es führt Coulthard vor Michael Schumacher, Fisichella, Jacques Villeneuve und Barrichello.
GP Belgien 1998, 1.Runde
Es regnet Bindfäden. Die Sicht ist gleich null. Mika Häkkinen kommt als Spitzenreiter aus La Source. Dahinter taucht der auf Platz 6 gestartete Jacques Villeneuve in der Gischt auf. Es folgen Michael Schumacher, Damon Hill und Alesi. Frentzen sieht, wie Irvine Coulthards McLaren anschubst, der sofort nach rechts in die Leitplanke abbiegt und von dort auf die Strecke zurückgeworfen wird. In diese freie Lücke rettet sich Frentzen. Fisichella ist der letzte der durchkommt. Dahinter bricht Chaos aus. Die Rennautos werden wie Billardkugel hin und hergeworfen und je mehr Fahrzeuge in den Stau krachen, um so schlimmer werden sie zugerichtet. Die ganze Strecke gleicht einem Trümmerfeld.
Coulthard, Irvine, Trulli, Panis, Salo, Diniz, Takagi, Rosset, Wurz, Herbert, Nakano und Barrichello steigen aus ihren ramponierten Unfallfahrzeugen. Jos Verstappen handelt sich einen Reifenschaden ein, kommt aber im Slalom durch den Autofriedhof und bringt seinen Stewart im Schneckentempo zurück an die Box. Nur Barrichello klagt über eine Verletzung. Er hat Schmerzen im Arm. Die Fahrer können sich Zeit lassen, denn das Rennen ist abgebrochen, und es wird 55 Minuten dauern, bis die Unfallstelle aufgeräumt und die Strecke wieder rennbereit ist. Bei Arrows, Prost und Tyrrell muss je ein Fahrer verzichten. Es gibt nur ein Ersatzauto. Für Salo, Panis und Rosset ist Schluss. Barrichello fühlt sich nicht fit.
GP Australien 2002, Start
Die Saison 2002 beginnt mit einem Knalleffekt. Als die Ampel erlischt, kommt Rubens Barrichello gut vom Fleck, Ralf Schumacher sehr gut und Michael Schumacher eher zögerlich. Barrichello zackt nach links, nach rechts und dann wieder nach links, um den Angriff von Ralf Schumacher abzuwehren. Der fährt am Bremspunkt für die erste Kurve mit 236,3 km/h auf den Ferrari auf und legt einen 70 Meter-Flug hin. Nach der Landung rutscht der Williams frontal in den Reifenstapel. An Barrichellos Ferrari fehlt der Heckflügel. Der Brasilianer schimpft: „Ralf hat zu spät gebremst. Er hätte die erste Kurve nie geschafft.“
Michael Schumacher weicht nach links ins Gras aus. Nick Heidfeld folgt ihm, will aber zu früh zurück ins Feld. Dort gabelt er Giancarlo Fisichellas Jordan auf. Der nimmt Felipe Massa mit und schiebt den Sauber in Buttons Renault. Jenson Button dreht Panis um, der dann von McNish torpediert wird. Salos Toyota wird von Jacques Villeneuve getroffen. Die hintere Spurstange ist verbogen. Sie wird in 3.14 Minuten bei einem Boxenstopp getauscht. Räikkönen fährt über Trümmerteile und lässt sämtliche Unfallschäden an seinem McLaren beseitigen. Das dauert 90 Sekunden. Kurz bevor das Feld hinter dem SafetyCar bei Start und Ziel vorbeikommt, stürmt er auf die Strecke zurück. Salo verliert eine Runde.
GP Belgien 2012, Start
Der Spurt in die erste Kurve ist nur 300 Meter lang. Romain Grosjean stürmt an Lewis Hamilton vorbei, schert aber zu früh wieder ein und bremst viel zu spät. Der Sauber von Sergio Perez wird für den Lotus zur Abschussrampe. Hamilton wird unter Fernando Alonsos Ferrari geschoben und hebt ihn an. Von oben kommt Grosjeans Lotus geflogen. Er prallt vom Ferrari-Cockpit ab und landet auf Kamui Kobayashis Sauber. Haarscharf an Alonsos Händen vorbei. In dessen Seitenkasten klafft ein riesiges Loch. Kostet 17 Punkte Abtrieb. Alonso steigt erst nach 20 Sekunden aus, als im Cockpit ein Feuer ausbricht. Grosjean wehrt sich: „Ich dachte, dass ich an Lewis längst vorbei wäre.“ Button und Räikkönen sind an der Spitze unbehelligt geflüchtet. Hülkenberg bleibt innen und ist plötzlich Dritter. Alonso kostet die unverschuldete Kollision später den WM-Titel.
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