F1-Analyse: War die Verstappen-Strafe berechtigt?

Rennanalyse GP Saudi-Arabien 2025
War die Verstappen-Strafe berechtigt?

GP Saudi-Arabien 2025
Zuletzt aktualisiert am 21.04.2025

War die Strafe gegen Verstappen berechtigt?

Nach dem Rennen in Jeddah gab es nur ein Thema im Fahrerlager. Jeder hatte eine Meinung zum Zweikampf zwischen Max Verstappen und Oscar Piastri in Kurve 1. Der McLaren war vom zweiten Startplatz auf der dreckigeren Spur besser weggekommen und schob sich in der Bremszone innen neben den Red Bull. Am Scheitel wurde es ganz eng. Verstappen entschied sich die Lenkung zu öffnen und durch die Auslaufzone abzukürzen.

Durch das Manöver hielt der Pole-Setter die Führung. Doch Piastri beklagte sich sofort über Funk über die Aktion: "Ich lag direkt neben ihm. Er muss die Position zurückgeben." Verstappen dachte aber gar nicht daran, den Papaya-Renner freiwillig vorbeizulassen. Also musste die Situation von den FIA-Kommissaren untersucht werden. Die Schiedsrichter sprachen schnell eine Fünf-Sekunden-Strafe aus, die Verstappen beim ersten Boxenstopp absitzen musste.

Der Sünder selbst wollte sich lieber nicht zu dem Urteil äußern. "Wenn ich jetzt etwas dazu sage, bringt mir das nur Ärger. Deshalb sage ich lieber nichts." Verstappen verwies auf einen Drohbrief, den die FIA in der Winterpause verschickt hatte. Er besagt, dass jede Aussage, die das Ansehen des Weltverbandes beschädigt, bestraft wird. Also verpasste sich der Pilot selbst einen Maulkorb.

Piastri vs. Verstappen - Formel 1 - GP Saudi-Arabien 2025
xpb

Die Red-Bull-Leitung fand dagegen deutliche Worte. "Wo sollte Max denn in der Szene hin? Außerdem heißt es doch immer, dass die Fahrer am Start kämpfen dürfen, ohne gleich eine Strafe fürchten zu müssen", keifte Teamboss Christian Horner. Sportchef Helmut Marko fügte an: "Wir haben die Rennen der Formel 2 beobachtet. Da ist bei zwei oder drei Fahrern das Gleiche passiert. Und da hat es nur Verwarnungen gegeben. Da waren die fünf Sekunden schon etwas harsch."

Bei McLaren lobte man dagegen das Urteil. Im Papaya-Camp verwies man auf eine vergleichbare Szene beim Austin-Rennen im Vorjahr. Damals hatte Lando Norris im Duell mit Verstappen in Kurve 12 außen die Strecke verlassen, weil ihm sein Konkurrent innen keinen Platz mehr ließ. Auch damals setzte es eine Fünf-Sekunden-Strafe. Diese Interpretation entspricht den aktuell gültigen Überholregeln.

In ihrer Begründung stellten die FIA-Stewards klar: "Am Scheitelpunkt lag der McLaren mit der Vorderachse mindestens auf Höhe des Außenspiegels des Red Bull, eher sogar gleichauf. Nach den Zweikampf-Regeln gehört damit dem McLaren die Kurve." Verstappen habe sich durch das Verlassen der Strecke einen andauernden Vorteil verschafft. Normalerweise gibt es dafür zehn Strafsekunden. "Dass der Zwischenfall in der ersten Kurve passierte, wirkt sich strafmildernd aus. Deshalb beträgt die Strafe nur fünf Sekunden."

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - GP Saudi-Arabien 2025
Mark Sutton via Getty Images

Hätte Piastri auch ohne Strafe gewonnen?

Verstappen und Piastri wussten, wie wichtig die Führungsposition in Jeddah ist. Entsprechend hart ging es beim Duell in Kurve 1 zur Sache. Bisher hat in dieser Saison immer der Fahrer das Rennen gewonnen, der auf der Pole Position startete und diesen Vorteil in eine Führung ummünzte. Gut möglich, dass dies auch in Jeddah der Fall gewesen wäre, hätte Verstappen die Spitze regelkonform verteidigt.

Im ersten Stint hielt der Weltmeister seinen Verfolger ohne Probleme auf Distanz. Jeddah zeigte einmal mehr, wie groß der Nachteil der Autos in verwirbelter Luft ist. Beim Versuch, ins DRS-Fenster des Red Bulls zu fahren, überforderte Piastri seine Reifen. Vor dem Boxenstopp in Runde 20 war der Vorsprung von Verstappen bereits auf 2,6 Sekunden angewachsen – Tendenz steigend.

Lando Norris, der nach seinem Quali-Crash immerhin noch auf Rang vier landete, deutete nach dem Rennen an, dass der Red Bull über die Distanz sogar das schnellere Auto sei. Dieser Einschätzung wollte Piastri aber nicht ganz folgen: "Ich denke, wir waren einen Tick besser. Aber auf Strecken wie hier oder Suzuka ist unser Vorsprung nicht besonders groß. Dass Red Bull im Qualifying bei der Musik ist, hatten wir erwartet. Im Rennen hatten wir uns aber auf einen größeren Vorteil erhofft." Verstappen auf der Strecke zu überholen, wäre also kaum möglich gewesen.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Saudi-Arabien 2025
Thaier Al-Sudani via Getty Images

Wie kam Leclerc aufs Podium?

Charles Leclerc wusste nach dem Rennen von Jeddah nicht, ob er sich freuen oder ärgern sollte. Der Monegasse hatte mit Rang drei für das erste Podium der Scuderia in dieser Saison gesorgt. Dabei zeigte der Ferrari vor allem auf dem ersten Stint mit Medium-Reifen eine erstaunlich starke Pace. Ohne viel Zeit zu verlieren, konnte Leclerc den Reifenwechsel bis in die 29. Runde hinauszögern. Mit den frischen harten Reifen machte er dann kurzen Prozess mit George Russell. Und er hielt den Medium-bereiften Lando Norris souverän auf Distanz.

Trotz des starken Auftritts wollte aber keine richtige Freude aufkommen: "Wir müssen einfach im Qualifying besser werden. Mehr als Startplatz vier war hier in Jeddah nicht drin. Wenn wir weiter vorne losfahren, kämpfen wir auch um Siege. Aber wir verlieren unsere Wochenenden am Samstag. Es ist nicht so, dass wir das Auto speziell für das Rennen abstimmen oder andere Kompromisse eingehen. Aber irgendwie klickt es nicht richtig momentan."

Für Leclerc ist das ein ganz neues Gefühl. Normalerweise gehört der Kampf gegen die Uhr zu seinen besonderen Stärken. In Jeddah konnte er aber nicht in den Kampf um die Pole-Position eingreifen. "Die Balance des Autos ist gut. Im Vergleich zu den anderen Autos fehlt uns einfach Abtrieb." Und dann machte der 27-Jährige noch eine überraschende Beobachtung: "In der Qualifikation haben wir fast alles in den ersten beiden Kurven verloren. Im Rennen waren wir hier plötzlich besonders stark. Dafür müssen wir eine Erklärung finden."

Lewis Hamilton - Ferrari - GP Saudi-Arabien 2025
Andrea Diodato via Getty Images

Warum kann Hamilton nicht mithalten?

Während Leclerc nur über die fehlende Quali-Pace schimpfte, lief bei Lewis Hamilton gar nichts zusammen. Zuletzt hatte der Rekordsieger wenigstens in den Rennen mithalten können. In Jeddah fehlten dem Neuzugang am Ende mehr als 30 Sekunden auf das Schwesterauto. "Ich habe mich heute keine Sekunde wohlgefühlt", klagte der Engländer. "Charles hat gezeigt, dass das Auto gut genug ist für den dritten Platz. Ich kann es also nicht auf das Auto schieben."

Eine Erklärung für die schlechte Pace hatte Hamilton schon im Qualifying nicht parat, als ihm mehr als eine halbe Sekunde fehlte. "Das Auto fühlt sich immer noch fremd an. Vielleicht brauche ich eine Gehirntransplantation." In den Aussagen des siebenfachen Weltmeisters spiegelt sich langsam Resignation wider: "Ich weiß, dass die Fans nicht happy sind. Ich bin sicher, dass das Team nicht happy ist. Und ich bin selbst auch nicht happy. Ich muss einfach weiter an mich glauben und hart arbeiten."

Laut Teamchef Frederic Vasseur sitzt das Problem im Kopf: "Es geht um das Vertrauen ins Auto und auch um das Vertrauen in ihn selbst. Alles ist noch neu für ihn. Und solche Wochenenden wie hier, wo es am Freitag keine Longruns gibt und er mit der Balance hadert, sind natürlich nicht ideal." Der Franzose hofft auf die große Wende in Miami: "Da gibt es ja auch wieder einen Sprint. Beim letzten Mal lief das ja ziemlich gut."

George Russell vs. Lando Norris - GP Saudi-Arabien 2025
Zak Mauger via Getty Images

Mit welchen Problemen kämpfte Mercedes im Rennen?

Aus Sicht von Mercedes-Teamchef Toto Wolff war Jeddah das schlechteste Rennen des Jahres. George Russell und Andrea Kimi Antonelli sammelten auf den Plätzen fünf und sechs nur 18 Punkte und waren mit 27 respektive 34 Sekunden Rückstand so weit weg vom Sieg wie noch nie. Der Traum vom Podest war schon in der Frühphase des zweiten Stints ausgeträumt. Zwölf Runden vor Schluss verlor Russell seinen dritten Platz an Charles Leclerc, drei Runden später Rang vier an Lando Norris.

Dem Fahrer und seinem Kommandostand war schon viel früher klar, dass man mit dem Rücken zur Wand stand. Die Vorderreifen am Mercedes warfen Blasen. Ein Zeichen von Überhitzung. Das gab es schon lange nicht mehr. Die Ingenieure klärten auf. "Jeddah ist eine Strecke, auf der du wählen kannst, ob der Vorderreifen oder Hinterreifen mehr belastet wird. Wir haben den Vorderreifen gewählt und sind dabei wohl über das Ziel hinausgeschossen. Wir sind auch davon überrascht worden, wie schnell das Renntempo war."

Die Blasenspur auf der Innenseite des linken Vorderreifens wurde so groß, dass Russell kurz Angst hatte, das Rennen gar nicht zu Ende fahren zu können. Antonelli blieb von dem Reifenproblem verschont. Der Italiener ging sein Rennen langsamer an und hatte am Ende sogar noch Reserven, um den näher rückenden Hamilton auf Distanz zu halten.