Es wurde längst zur Gewohnheit. Der Weg zur Pole-Position und zum Sieg führt 2025 nur über McLaren. Der GP Kanada ist das erste Rennen in diesem Jahr, in dem die goldene Regel reißt. Oscar Piastri und Lando Norris starten nur von den Plätzen drei und sieben. Zum ersten Mal steht kein McLaren in der ersten Reihe.
Schon die freien Trainingssitzungen waren ein Kampf. Es fehlte die Leichtigkeit, mit der die Papaya-Renner die Konkurrenz normalerweise schon am Freitag an die Wand fahren. Die erste Trainingssitzung ging an Max Verstappen, die zweite an George Russell. Noch nicht einmal in den Longruns nahm McLaren seine übliche Favoritenrolle ein.
Da stellten sich viele Fragen. Lag es an der Strecke, dass McLaren seine Qualitäten nicht ausspielen konnte? Konnten die Ingenieure beim Setup den goldenen Kompromiss zwischen Topspeed und Abtrieb nicht finden? Oder lag es am Ende an den Upgrades, die vielleicht nicht so funktionierten, wie das geplant war?
Erst als Lando Norris im dritten Training die Zeitenliste anführte, schien die Formel-1-Welt aus Sicht von McLaren zu 50 Prozent wieder im Lot. Bei Oscar Piastri setzte sich ein Wochenende voller Problem fort. Der Australier touchierte in der Schikane vor Start und Ziel die berühmte Wall of Champions. Auf die Bestzeit fehlten ihm sieben Zehntel.

Lando Norris patzte im Qualifying gleich zweimal.
Norris überfährt das Auto
Doch dann passierte, was in dieser Saison nicht zum ersten Mal passiert. Während Lando Norris nach einem starken Q1 den Faden verlor, kam Piastri plötzlich aus der Versenkung. Als es zählte, war der WM-Spitzenreiter zur Stelle. Norris dagegen musste seine entscheidende Q3-Runde nach einem Mauerkontakt abbrechen. Der Engländer meinte verbissen: "Nicht ideal. Das Auto war gut, aber ich habe zu viele Fehler gemacht."
Stella tadelte: "Lando hat das Auto überfahren, sich zu sehr darauf konzentriert, so spät wie möglich zu bremsen. Da ging ihm am Kurvenausgang der Platz aus. Auf gebrauchten Soft-Reifen hatte er einen guten Rhythmus. Den hat er auf frischen komplett verloren." Piastri dagegen verbesserte sich auf den dritten Platz und zeigte einmal mehr, wie stark im Kopf er ist. Er lässt sich auch von einem schlechten Start ins Wochenende aus der Ruhe bringen.
Entsprechend erleichtert äußerte er sich auf der Pressekonferenz: "Nach den schwierigen Trainingssitzungen bin ich mit dem dritten Platz zufrieden. In der Qualifikation lief es besser als in jedem Training davor. Vielleicht hätten wir auf dem Medium-Reifen auf die Pole-Position fahren können, aber der Schuss kann auch nach hinten losgehen."

Montreal schmeckt dem McLaren MCL39 nicht so richtig.
Montreal ist keine McLaren-Strecke
Bei 0,201 Sekunden Rückstand auf die Trainingsbestzeit von George Russell musste sich McLaren trotzdem fragen lassen, warum man plötzlich nur dritte Kraft im Feld war. Teamchef Andrea Stella gab der Strecke die Schuld. "Die Charakteristik kommt unserem Auto nicht entgegen, denen von Mercedes und Red Bull dagegen schon. Wir haben uns durch Anpassungen beim Setup und beim Fahrstil noch gut aus der Affäre gezogen."
Doch was mag der sonst so überlegene McLaren MCL39 nicht an dem Kurs auf der Ile de Nôtre-Dame? "Es ist die Kombination aus langsamen Kurven, wenig Grip, Bodenwellen, Randsteinen und Federweg, die unserem Auto nicht so liegen", sagt Norris.
In Montreal muss McLaren sein Aerodynamikfenster verlassen, in dem sich das Auto so wohlfühlt. Von Freitag auf Samstag reduzierten die Ingenieure den Abtrieb, um nicht zu viel Zeit auf den Geraden zu verlieren. "Wir hatten Problem mit dem Grip auf der Hinterachse", gab Stella zu.

Oscar Piastri fährt die alte Vorderrachse, Lando Norris die neue.
Piastri geht zurück auf alte Vorderachse
Auch die Upgrades mögen eine Rolle spielen. Der neue Frontflügel und Heckflügel verlangten nach Messdaten. McLaren verschenkte im ersten Training einige Zeit mit Aerodynamiktests. Eine neue Vorderachse sollte Norris ein besseres Gefühl beim Einlenken des Fahrzeugs geben. Während Stella davon sprach, dass die Änderungen an der Geometrie der Vorderachse den gewünschten Effekt zeigen und dem Fahrer mehr Gefühl geben, meinte Norris missmutig: "Ich habe keinen Unterschied gespürt."
Piastri ließ seine Vorderradaufhängung wieder auf den alten Stand zurückbauen. Der fünffache Saisonsieger hatte mit dem Fahrverhalten des 2025er-McLaren ohnehin weniger Probleme als sein Teamkollege. Sein Urteil: "Einige Dinge sind besser, andere nicht so gut. Nach dem schwierigen Freitag hatte ich die Wahl wieder zurück zu der alten Version zu gehen. Das habe ich gemacht. Ich war eigentlich immer happy mit dem Auto, so wie es davor war."
Einen Fehler räumt McLaren ein. Man hatte den Medium-Gummi nur als Notlösung in seinem Strategieplan. Nachdem Russell und Verstappen ihre Zeiten auf Pirellis C5-Mischung gefahren waren, hätte man im Lager von McLaren vielleicht doch den Medium-Reifen stärker in Betracht ziehen sollen. "Rückblickend war der Medium wohl etwas schneller", gibt Stella zu.
Gleichzeitig blickt der Italiener nach vorne: "Dafür haben wir jetzt einen frischen Satz Medium für das Rennen, unsere Gegner nur noch gebrauchte. Das könnte für uns ein Vorteil im Rennen sein." Piastri setzt auf die Stärke der McLaren beim Reifenmanagement. Sein Chef ist da vorsichtiger. "Wir stellen uns auf Schadensbegrenzung ein."