Die Formel 1-Weltmeisterschaft wurde im November 1949 in Paris geboren. Bis dahin fanden Autorennen der Grand Prix-Klasse mit Motoren bis maximal 4,5 Liter Hubraum ohne Meisterschaftsprädikat quer über Europa verteilt statt. Zunächst unter dem Namen „Formel A“, was später etwas umständlich in „International Formula Number 1“ umgetauft wurde. Amerika führte ein Eigenleben.
Der italienische FIA-Delegierte Graf Antonio Brivio machte auf der Generalversammlung der 1946 wiederbelebten FIA den Vorschlag, die Formel 1-Läufe zu einer Rennserie zusammenzufassen, Punkte zu vergeben und am Ende den Weltmeister zu küren. Vorbild waren die Motorräder, die bereits ein Jahr zuvor eine eigene Weltmeisterschaft ins Leben gerufen hatten. Nur die fünf Bestplatzierten sollten mit WM-Punkten belohnt werden. Der Sieger bekam 8, der Zweite 6, dann 4, 3 und 2 Punkte. Für die schnellste Rennrunde wurde ein Extra-Zähler ausgelobt. Es zählten nur die besten vier von sieben Resultaten. Die Rennen mussten mindestens 300 Kilometer oder bei kürzerer Distanz drei Stunden dauern. Tanken und Fahrerwechsel waren erlaubt. Teilten sich zwei oder drei Fahrer ein Auto, wurden die Punkte durch die Anzahl der Fahrer geteilt.
Das Reglement? Ein Paragraf für den Motor
1950 sollten nur die Großen Preise von England, Monaco, Schweiz, Belgien, Frankreich und Italien zur Weltmeisterschaft zählen. Die Bittsteller aus Argentinien, Holland und Spanien wurden auf später vertröstet. Deutschland bekam nur ein Formel 2-Rennen. Der Abgeordnete der USA bestand jedoch darauf, dass sein Land in den WM-Kalender mit aufgenommen werden müsse. Mit dem nicht unerheblichen Hinweis, man könne ja schlecht von einer Weltmeisterschaft sprechen, wenn alle Rennen in Europa stattfänden. Da Grand Prix-Rennen in den USA unbekannt waren, fiel die Wahl auf die 500 Meilen von Indianapolis. Beide Rennserien hatten nichts miteinander zu tun. In der einen Welt kümmerte man sich um die WM-Wertung so wenig wie in der anderen. Die Indy-Recken interessierten sich mehr für Dollars als für Punkte.
Die technischen Regeln waren äußerst simpel und betrafen hauptsächlich die Motoren. In Europa galt: 4,5 Liter Saugmotoren oder 1,5 Liter Hubraum mit Kompressor. Die Rennfahrer waren gestandene Herren, oft in den Vierzigern, mit Bauchansatz und hoher Stirn. Der Altersdurchschnitt betrug stolze 36,74 Jahre.
Der Tag als der König kam
Der erste Grand Prix der Geschichte fand an einem Samstag statt. König George V und die spätere Queen Elizabeth begrüßten alle 21 Teilnehmer mit Handschlag. Für die Königsfamilie wurden im Inneren der Strecke eigens mehrere Behelfstribünen aufgestellt. Auf den Anfahrtswegen zur Strecke bildeten sich kilometerlange Autoschlangen. 60.000 Zuschauer waren zu viel für kleine englische Landstraßen. Es war eine schöne, unbeschwerte Zeit. Alfa Romeo fuhr seine Rennwagen auf der Straße von Banbury nach Silverstone.

Die italienische Marke dominierte Training und Rennen nach Belieben. Die vier roten Alfettas Tipo 158, Baujahr 1937, okkupierten die erste Startreihe. Mit 385 PS aus einem Reihenachtzylinder mit Kompressor hatte die Konkurrenz nichts zu bestellen. Die Talbot-Lago T26C, Maserati 4 CLT, E.R.A. B-Type und Alta GP3 waren nur Staffage. Der mit großer Spannung erwartete neue B.R.M. P15-Sechzehnzylinder mit Kompressor zeigte sich nur im Fahrerlager und auf einigen Showrunden.
Der Start in eine Ära, die 69 Jahre später ihr großes Jubiläum feiert, funktionierte reibungslos. In der ersten Kurve führte Nino Farina vor Luigi Fagioli, Juan-Manuel Fangio und Reg Parnell. Schnellster im Verfolgerfeld war Prinz Bira mit seinem Maserati. Schon nach zwei Runden standen zwei E.R.A. an der Box. Nach 20 Runden hatte Fangio seinen Teamkollegen Fagioli auf Platz 2 abgelöst.
Militärischer Drill bei Alfa Romeo
Alfa Romeo holte seine Piloten in vier aufeinanderfolgenden Runden zum Tankstopp an die Box. Die Kompressor-Triebwerke waren gefräßig. Die Tanks in den Alfa Romeo fassten immerhin 185 Liter. Fangios Tankstopp dauerte 25 Sekunden, der von Parnell fünf Sekunden länger. An der Reihenfolge änderte sich nichts. Dafür wurde Prinz Bira immer langsamer. Sein Maserati-Motor litt unter Zündaussetzern. Die beiden Talbot-Lago von Yves Giraud-Cabantous und Louis Rosier zogen vorbei.
Während bei Alfa Romeo auch an den Boxen alles generalstabsmäßig ablief, kam es bei den Privatiers zu Pannen. Geoffrey Crossley stand 2.05 Minuten beim Tanken, weil die Druckpumpe ausgefallen war. Die Alta-Mechaniker füllten den Treibstoff in Handkannen nach. In der 59. Runde unterlief Juan-Manuel Fangio einer seiner wenigen Flüchtigkeitsfehler. Der Argentinier touchierte in der Stowe-Kurve einen Strohballen, beschädigte bei dem Rammstoß eine Ölleitung und musste in der 62. Runde aufgeben. Dem Alfa Romeo-Achtzylinder drohte der Hitzetod.
Alfa Romeo beendete die Formel 1-Premiere mit einem Dreifachsieg. Nino Farina hatte seine Kollegen sicher im Griff. Luigi Fagioli kam mit 2,8 Sekunden Verspätung ins Ziel, Reg Parnell fehlte fast eine Minute auf den Sieger. Der Engländer war nach einer Kollision mit einem vorwitzigen Hasen zurückgefallen. Den Pokal für den schnellste Fahrer außerhalb der Alfa Romeo-Wertung holte sich der Franzose Yves Giraud-Cabantous auf einem der mächtigen Talbot-Lago. Altmeister Louis Rosier sicherte sich in einem weiteren der blauen Talbot den letzten WM-Punkt.
GP England, am 13.5.1950 in Silverstone
70 Runden à 4,649 km = 325,458 Kilometer
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