Die Wettervorhersage für den GP Belgien war schon schlecht, bevor der Formel-1-Tross in Spa-Francorchamps eintraf. Doch bis jetzt hielt sich das launische Ardennenwetter nicht an die Prognosen. Ein freies Training, zwei Qualifikationen, ein Sprint, aber alles staubtrocken. Doch am Sonntag soll er kommen, der große Regen. Zu 80 Prozent. Man weiß nur nicht, wann und wie stark.
Das brachte die Teams bei der Wahl des Abtriebsniveaus in ein Dilemma. Sollte man auf Regen setzen oder doch auf ein Trockenrennen? Im Regen wäre mehr Anpressdruck hilfreich. Im Rennen würde zu viel davon stören. Der Sprint hat es gezeigt. Da verteidigte sich Max Verstappen mit wenig Abtrieb 15 Runden lang erfolgreich gegen die schnelleren McLaren. Denen nutzten Bestzeiten im zweiten Sektor nichts. "Der Red Bull war zu schnell für uns auf der Geraden", bedauerte Oscar Piastri.
Und ausgerechnet Red Bull stellte den Flügel für die Qualifikation steiler an. "Wenn es regnet, haben wir eine Chance gegen die McLaren. Auf trockener Piste wird es schwer", vergleicht Sportdirektor Helmut Marko. Zumal Max Verstappen in der Startaufstellung auf den vierten Platz abgerutscht ist und im Hauptrennen nicht den Husarenritt vom Sprint wiederholen kann, als er Piastri aus dem Windschatten heraus auf der Kemmel-Geraden überraschte.

Sprint-Sieger Max Verstappen war über Rang vier in der Qualifikation verärgert.
Vierter Startplatz ärgert Verstappen
Verstappens vierter Platz hatte nichts mit dem gewählten Abtriebsniveau zu tun. "Wir haben irgendwas mit dem Reifendruck nicht hingekriegt. Max hatte keinen Grip", ärgerte sich Marko. Seinen letzten Q3-Versuch begann der Weltmeister mit einem schönen Slide in La Source. Der kostete mehr Zeit als die drei Tausendstel, die ihm auf Charles Leclerc fehlten.
Ferrari und McLaren blieben ihren Abstimmungen vom Sprint bis auf kleine Anpassungen treu. Bei McLaren wurde lediglich ein etwas größerer Gurney-Flap auf den Heckflügel gesteckt. Das heißt ordentlich Anpressdruck für Mischverhältnisse. Ferrari-Teamchef Frédéric Vasseur erklärte, warum man nicht wie Red Bull den Abtrieb erhöht hat. "Uns war ein guter Startplatz wichtig. Wenn es regnet, willst du so weit vorne stehen wie möglich. In der Gischt verlierst du zwei bis drei Zehntel wegen schlechter Sicht. Da hilft dir der ganze Abtrieb nichts."

Charles Leclerc qualifizierte sich auf dem dritten Startplatz.
Ferrari bleibt zuversichtlich
Vasseur ist auch mit dem ersten Einsatz der neuen Hinterradaufhängung zufrieden. Sie hilft das Auto konstanter im aerodynamisch günstigsten Fenster zu halten. Es ist laut Vasseur allerdings noch Feintuning nötig. "Das Auto bewegt sich beim Bremsen nicht mehr so stark. Darauf müssen wir die Bremsbalance noch anpassen."
Der Sprung ganz nach vorne ist Ferrari noch nicht gelungen. "Red Bull hat auch ein größeres Upgrade gebracht. Wir haben uns gegenseitig neutralisiert", stellte Vasseur fest. Helmut Marko sieht den Eingriff an Frontflügel, Kühleinlass, Seitenkästen und Bremsbelüftungen als echten Fortschritt. Das zeigt auch der siebte Startplatz von Yuki Tsunoda. "Wir haben uns von Ferrari und Mercedes etwas abgesetzt und sind McLaren ein bisschen nähergekommen."

Mercedes setzte auf wenig Abtrieb. George Russell kam aber nicht über P6 hinaus.
Mercedes geht volles Risiko
Mercedes ging den umgekehrten Weg von Red Bull. Die Silberpfeile wurden nach dem Sprint auf weniger Abtrieb umgebaut. Es war ein Akt der Verzweiflung. Die Fahrer klagten das ganze Wochenende über eine schlechte Balance. Der sicherste Weg ins Q3 zu kommen war seine Rundenzeit mit gutem Topspeed in den Sektoren 1 und 3 zu machen.
George Russell schaffte es immerhin auf den sechsten Startplatz. Das wäre mit mehr Abtrieb nicht möglich gewesen, denn der Mercedes hätte im Mittelsektor nicht entsprechend Zeit gewonnen. Andrea Kimi Antonelli flog schon im Q1 raus. Bei ihm wurden die Reifen zu heiß. Aus der Erfahrung lernten die Ingenieure und brachten bei Russell die Soft-Reifen wieder in ihr Temperaturfenster.
Wenn es am Sonntag regnet, wird Russell leiden. Antonelli soll in diesem Fall mit einem vollen Regen-Setup aus der Box starten. Von Startplatz 18 kann sich der Italiener kaum noch verschlechtern. Trotzdem ist die Stimmung bei Mercedes angespannt. Im Moment fehlt das Verständnis, warum die Silberpfeile seit ihrer Sternstunde in Montreal nicht mehr in Schwung kommen.