Halbjahreszeugnis für die F1-Rookies: Hadjar top, Doohan flop!

Halbjahreszeugnis für die Formel-1-Rookies
Musterschüler und Sitzenbleiber

Veröffentlicht am 21.07.2025

Das deutsche Schulsystem und die Formel 1 unterscheiden sich in ihrem Kalender: Während die Kinder und Jugendlichen im Sommer ihre "neue Saison" beginnen, hält man sich in der Königsklasse an den Jahreskalender und startet die neue Kampagne obligatorisch im März. Im Juli flattern dann auch in den letzten deutschen Schulen die Zeugnisse ein. Und die Kinder sowie Eltern fragen sich: Wer hat abgeliefert, wer muss eine Extra-Runde drehen?

In der Formel 1 ist das ähnlich. Nur gibt es von auto motor und sport im Juli die Halbjahreszeugnisse für die Fahrer. Wir haben uns dabei auf den aktuellen Rookie-Jahrgang konzentriert. Gleich fünf Teams gaben jungen Talenten die Chance, sich in der höchsten Klasse des Automobilsports zu versuchen.

Isack Hadjar erhielt einen Stammplatz bei Toro Rosso, Gabriel Bortoleto wurde Teamkollege von Nico Hülkenberg bei Sauber, Oliver Bearman kam als Ferrari-Junior bei Haas unter und Jack Doohan kletterte in den Alpine. Als Rookie zählen wir auch Liam Lawson, der 2023 und 2024 zwar schon einige Rennen für Toro Rosso gefahren war, aber in dieser Saison zum Stammpiloten bei Red Bull aufgestiegen ist.

Antonelli (noch) zu inkonstant

Durchschnittsschüler: Andrea Kimi Antonelli steht von allen Rookies in diesem Jahr am meisten im Fokus. Zum einen gilt der 18-Jährige als eines der Supertalente, zum anderen ist er bei Mercedes sofort bei einem Top-Team eingestiegen. Er ist der Nachfolger der zu Ferrari abgewanderten Legende Lewis Hamilton. Teamchef Toto Wolff gab ihm nach dem Korb von Max Verstappen die Chance seines Lebens.

Nach zwölf Rennen ist die Bilanz des Italieners durchwachsen. Das liegt zum einen an seiner Unerfahrenheit und zum anderen an seinem Teamkollegen. Mit George Russell hat Antonelli einen der schnellsten Piloten im Feld als Benchmark. Im Qualifying-Duell steht es 1:11, im Rennen sogar 0:12 aus Sicht des Rookies. Mit nur 63 WM-Punkten liegt er momentan 84 Zähler hinter dem Team-Kapitän. Seine Glanzstunde hatte er beim GP von Miami, als er auf die Sprint-Pole stürmte.

Ein Ausrufzeichen setzte er auch in Kanada, als er mit Rang drei sein erstes F1-Podium einfuhr. Vielleicht liegen ihm die Grands Prix in Nordamerika mehr? Glücklicherweise kommen in der zweiten Saisonhälfte noch zwei weitere US-Rennen in Austin und Las Vegas. Dennoch: Nach der kleinen Pause muss Antonelli zulegen und näher an Russell herankommen. Den Speed hat der Teenager, jetzt geht es darum, mehr Konstanz an den GP-Wochenenden zu zeigen.

Isack Hadjar - Toro Rosso - Formel 1 - GP England 2025
Sam Bagnall via Getty Images

Hadjar das Red-Bull-Juwel

Musterschüler: Isack Hadjar hat den besten Eindruck aller Rookies im ersten Halbjahr hinterlassen. Der Franzose stieg nach seinem Vize-Titel in der Formel 2 letzte Saison als Toro-Rosso-Pilot beim B-Team von Red Bull ein. Hadjar zeigte auf Anhieb seinen Speed. Sein Abflug auf dem Weg zum Grid beim Auftakt in Melbourne und sein tränenreicher Gang zurück ins Fahrerlager waren ihm schnell verziehen.

Er fuhr an den ersten beiden Wochenenden auf Augenhöhe mit seinem erfahrenen Stallgefährten Yuki Tsunoda. Nach dessen Rochade mit Liam Lawson hatte er den neuen Teamkollegen meistens im Griff. Schnell kamen Gerüchte auf, er könnte den bei Red Bull enttäuschenden Tsunoda noch dieser Spielzeit ablösen. Doch beim A-Team möchte man den 20-Jährigen aus Paris neben Superstar Max Verstappen nicht verheizen. Der Niederländer hat schon die ein oder andere Karriere gekillt oder ins Stocken gebracht.

Für Red Bull und Motorsport-Chef Helmut Marko ist Hadjar ein Juwel aus dem eigenen Stall, das man höchstwahrscheinlich nächstes Jahr im Red Bull platziert – vorausgesetzt Hadjar liefert wie in der ersten Saisonhälfte ab und reduziert seine Fehlerquote noch etwas. Seine Entwicklung nach zwölf Rennen spricht dafür.

Liam Lawson - Toro Rosso - GP Japan 2025 - Suzuka - Formel 1
Red Bull

Lawson mit zweiter Chance

Spätentwickler: Hadjars Stallgefährte Liam Lawson dürfte 2026 nicht im Red Bull sitzen, aber vermutlich ein weiteres Jahr bei Toro Rosso ins Cockpit klettern. Nach elf Grands Prix in den Saisons 2023 und 2024 gab man dem 23-Jährigen zunächst die Chance, im RB21 sein Können zu zeigen. Nach zwei desaströsen Wochenenden entzog man Lawson aber direkt wieder das Vertrauen. Zum einen wollte man ihn schützen, weil er gegen Verstappen kein Land sah, zum anderen waren die Leistungen für die Teamleitung einfach zu schwach.

Für Lawson war das ein herber Rückschlag. Ab dem Grand Prix von Japan ging es zurück zum B-Team der Bullen. Es dauerte etwas, bis sich der ehemalige DTM-Pilot von dem Rückschlag erholt hatte. Den Speed von Hadjar konnte er meistens nicht mitgehen. Im Quali-Duell steht es 2:8, nimmt man die Sprint-Qualifikation von Miami hinzu, steht es gar 9:2 für Hadjar.

Sein Potenzial konnte Lawson in den letzten Rennen aber immer mehr zeigen. In Spielberg holte er Starplatz sechs und kam auf selbiger Position ins Ziel. Lawson hatte seinen Ruf damit zumindest etwas rehabilitiert. Dabei hilft auch der Vergleich mit Red-Bull-Nachfolger Tsunoda. Der Japaner geht gegen Verstappen ebenfalls völlig unter.

Oliver Bearman - Haas - Formel 1 - GP England 2025
Sam Bagnall via Getty Images

Bearman mit Licht und Schatten

Durchschnittsschüler: Oliver Bearman galt vor dem ersten Rennen in Melbourne Mitte März neben Andrea Kimi Antonelli als eines der Supertalente im Formel-Sport. Der Engländer überzeugte 2024 bei seinen drei Einsätzen als Ersatzfahrer für Ferrari und Haas auf Anhieb mit seinem Speed. Seine Scuderia-Förderer brachten ihn für 2025 neben Esteban Ocon bei Haas unter.

Die Bilanz von Bearman ist bisher durchwachsen. Immer wieder überzeugt der Mann im Qualifying, nimmt man die beiden Sprint-Qualifikationen zu der Gleichung, steht es gegen seinen routinierten Teamkollegen Ocon 7:7. In den Rennen hinkt Bearman dagegen etwas hinterher, hier kann Ocon seine ganze Erfahrung ausspielen.

Eine bessere Bewertung hätte der Rookie erhalten, wären nicht zwei Vergehen unter roter Flagge passiert. In Monaco erhielt er bereits eine Startplatz-Strafe und zwei Punkte für das Sünderkonto, weil er Carlos Sainz im zweiten Training verbotenerweise überholt hatte. Damals meinte Teamchef Ayao Komatsu noch, die Strafe sei etwas hart.

In Silverstone gab es dann keinen Welpenschutz mehr für seinen Piloten: Bearman beschleunigte im FP3 unter roter Flagge in der Einfahrt zur Boxengasse, drehte sich und schlug in die Wand ein. Der Ferrari-Junior wollte damit schon mal fürs Rennen üben. Die Rennleitung verhängte erneut eine Startplatz-Strafe. Es gab wiederum zwei Punkte für sein Strafkonto, das nun mit acht Zählern gut gefüllt ist. Bei zwölf Strafpunkten wäre eine Rennsperre fällig. Bearman entschuldigte sich zwar für seine Aktion in Silverstone, solche Dummheiten muss er aber in Zukunft abstellen.

Nico Hülkenberg & Gabriel Bortoleto - Sauber - GP Kanada 2025
Jared C. Tilton via Getty Images

Bortoleto im Aufwind

Streber: Die Bezeichnung "Streber" ist im Schulkontext häufig negativ konnotiert. In diesem Ranking ist es positiv gemeint. Gabriel Bortoleto stieg als amtierender Formel-2-Meister bei Sauber ein und bekam mit Nico Hülkenberg eine echte Messlatte als Teamkollegen zur Seite gestellt. Der Brasilianer trägt nicht nur die Hoffnungen der stolzen Motorsport-Nation, die so sehr nach einem neuen Helden lechzt, auf seinen Schultern – auch das künftige Audi-Werksteam will Fortschritte sehen.

In der WM-Tabelle liegt Bortoleto deutlich hinter Hülkenberg, der 37 der 41 Punkte für Sauber einsammelte. Mit Bortoleto ist man in Hinwil und Ingolstadt aber trotzdem sehr zufrieden. Der 20-Jährige gilt als lernwillig und als echter Teamplayer. Von Routinier Hülkenberg schaut sich Bortoleto vieles ab und setzt es auf der Rennstrecke in immer bessere Resultate um.

Highlight war der achte Platz in Spielberg, als er seine ersten WM-Zähler einfuhr. Seinen Speed unterstrich Bortoleto bis jetzt vor allem im Qualifying. Dort steht es inklusive der Zeitenjagd im Sprint 7:7 – und Hülkenberg gilt bekanntlich als einer der besten Piloten auf eine schnelle Runde. Jetzt muss Bortoleto nur noch die Fehlerquote in den Rennen verringern.

Jack Doohan - Formel 1 - GP Japan 2025
xpb

Doohan mit Schulverweis

Sitzenbleiber: Jack Doohans Karriere in der Formel 1 stand von Beginn an unter keinem guten Stern. Schon vor dem ersten Rennen gab es Gerüchte, dass der Australier nur wenig Zeit bekommt, um auf Touren zu kommen. Alpine hatte im Winter Franco Colapinto als Ersatzfahrer verpflichtet. Der Druck auf Doohan war immens. Langsam war der Sohn der Motorrad-Legende Mick Doohan zwar nicht, doch zu viele Unfälle kosteten ihn am Ende den Platz.

Vor allem der Crash in Suzuka als er im zweiten Training mit geöffnetem DRS durch Kurve 1 fuhr und den A525 kaltverformte sind in Erinnerung geblieben. Nach dem Grand Prix von Miami war dann endgültig Schluss für Doohan. Er musste für Colapinto weichen und ist nun selbst Reservefahrer für das Tabellenschlusslicht. Ob er nochmal eine Chance in der Formel 1 erhält? Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering.

Franco Colapinto - Alpine - GP Österreich 2025 - Spielberg - Formel 1
Sam Bagnall via Getty Images

Colapinto überzeugt nicht

Verhaltensauffällig: Colapinto überzeugte im Vorjahr als Williams-Ersatz für Logan Sargeant und ärgerte mehrmals den hoch eingeschätzten Alexander Albon. Von diesem Speed ist der 22-Jährige bei Alpine aber weit entfernt. Seit Imola bekommt der Nachfolger von Jack Doohan die Möglichkeit, sein Talent bei Alpine unter Beweis zu stellen. Dem schnellen Argentinier unterliefen dabei aber zu viele Fehler. In Imola feuerte er sein Auto im Qualifying gleich mal in die Reifenstapel. Danach fuhr die Angst mit.

Lediglich in Montreal blitzte die Klasse des Mannes aus Buenos Aires auf, als er im Qualifying seinen Teamkollegen Pierre Gasly schlug und die Punkteränge nur knapp verpasste. Das unruhige Umfeld bei Alpine dürfte zur Konsolidierung seiner Leistungen nicht beitragen. Es gibt bereits Stimmen, die wissen wollen, dass Colapinto bald durch den Ersatzfahrer Paul Aron ersetzt wird. Dann hätte man bei Alpine in wenigen Rennen bereits zwei junge Piloten verbrannt. Nichtsdestotrotz: Egal, welches Umfeld bei der in Enstone beheimateten Truppe herrscht, Colapinto muss in die Gänge kommen, um seinen Platz in der Formel 1 zu behalten.