Ferrari ist allen ein Rätsel. Wie gut ist der Vize-Weltmeister wirklich? So gut wie der Sieg von Lewis Hamilton beim Sprint in Shanghai? Oder so enttäuschend wie die Vorstellung in Melbourne? McLaren und Mercedes reden Ferrari stark: "Die wahre Stärke von ihnen haben wir noch nicht gesehen."
Teamchef Frédéric Vasseur sagt: "Wir sind nicht so gut wie McLaren. Der Rückstand ist aber nicht so groß, wie er von außen erscheint." Der Franzose schätzt, dass er unter günstigsten Umständen bei ungefähr zwei Zehntel liegt. Dazu müssten die Ingenieure die Fahrzeugabstimmung so gut hinbekommen wie beim Sprint in Shanghai, und dazu müssten die Fahrer wenigstens aus der zweiten Reihe starten.
Darin sieht Charles Leclerc das Hauptproblem: "Wir müssen in der Qualifikation besser werden. Sobald du mitten im Feld fährst, strafst du dich mit den Turbulenzen selbst." Vasseur glaubt, dass Hamiltons Rennen auch am Sonntag ganz anders verlaufen wäre, hätte er in der Qualifikation für das Hauptrennen nicht zwei Zehntel in der letzten Kurve verloren. "Ohne den Fehler wäre er so schnell gewesen wie Norris. Und dann steht er beim Start weiter vorne, und er hat ein anderes Rennen." Hamilton bestätigt: "Ich hatte den Speed für die Top 3. Und wenn ich dort losfahre, sieht das Ergebnis auch anders aus."

Der Erfolg im Sprint von Shanghai ging eher auf das Konto von Lewis Hamilton als auf das des Ferrari SF-25.
Hamilton macht den Unterschied
Nach Leclercs Meinung nach war Hamiltons Sieg am Samstag ein positiver Ausreißer. "Lewis hat den Unterschied gemacht. Er hat das Auto gut für die Bedingungen abgestimmt, ist von vorne gestartet und hat diesen Bonus gut umgesetzt. Der Sonntag war da schon eher wieder der Normalfall." Hamilton redet seinen Beitrag am Setup klein: "Im Moment höre ich noch eher den Ingenieuren zu. Ich kenne das Auto noch nicht so gut wie den Mercedes und bin deshalb auch noch nicht in der Lage genaue Angaben zum Setup zu machen."
Offen bleibt, wo Leclerc gelandet wäre, hätte er in der Startphase nicht die linke Frontflügel-Endplatte verloren. Das fehlende Teil kostete an der Vorderachse 20 Punkte Abtrieb. Zum Teil hat Leclerc den Schaden durch Einstellungen am Lenkrad wie die Differenzialsperre wieder wettgemacht, aber mit einem intakten Flügel wäre es sich schneller gegangen. Vasseur schätzt, dass ungefähr drei Zehntel auf der Strecke liegengeblieben sind.
Obwohl Ferrari auf die McLaren Rundenzeit finden muss, tritt das Auto in der gleichen Konfiguration an wie in Melbourne und Shanghai. "Im Zeitalter des Budgetdeckels bringt man keine großen Upgrades wie Frontflügel oder Unterboden nach Suzuka. Das wäre nicht nur vom Transport zu teuer. Du müsstest auch zu viele Kits bauen, weil du in Suzuka schnell mal Teile durch Unfälle verlieren kannst", erklärt Vasseur.

In China wurden beide Ferrari disqualifziert.
Warum wurden die Ferrari disqualifiziert?
Die Disqualifikationen von Shanghai wirken immer noch nach. Ferrari musste in Italien viel Kritik dafür einstecken, dass ein Auto wegen Untergewicht und das andere wegen zu stark abgenutzter Befestigungsschrauben in der Schutzplanke aus der Wertung flog. Auch wenn es in beiden Fällen um Winzigkeiten wie ein Kilogramm oder einen halben Millimeter ging.
Die Disqualifikationen von Leclerc und Hamilton 2023 in Austin und von George Russell in Spa letztes Jahr sind ein Spiegel dafür, dass jedes Formel-1-Team ans Limit geht. Würde man sich zu viel Spielraum genehmigen, wäre man zu langsam. Bei der Leistungsdichte im Feld reicht das aus, gleich ein paar Positionen weiter hinten zu stehen.
Bei Leclerc kamen mehrere Dinge zusammen. Der zweite Reifensatz verlor wegen des unerwarteten Einstopp-Rennens mit einem 41-Runden-Stint am Ende rund zwei Kilogramm Reifengummi. Obwohl sich der Monegasse in der Ehrenrunde alle Mühe gab, Dreck aufzusammeln, wurde durch den Pickup auf die Reifen nicht das Gewicht wieder draufgepackt wie im Normalfall. Das kann im günstigsten Fall ein Kilogramm betragen. Und schließlich war wohl auch die Gewichtsberechnung, die während des Rennens laufend korrigiert wird, nicht präzise genug.
Hamiltons Problem mit der Schutzplanke ist noch mehr ein Rätsel. Leclerc hatte mit seinem Unterboden kein Problem. Das kann, so heißt es, daran liegen, dass sich die Ideallinien von Fahrer zu Fahrer nur um 50 Zentimeter unterscheiden müssen, und schon trifft man eine Bodenwelle härter als der Kollege. Hamilton protestiert: "Im Rennen versuche ich immer den Bodenwellen auszuweichen, so weit es geht. Und ich hatte auch nicht das Gefühl, dass mein Auto ungewöhnlich stark aufgesetzt hätte."
Der neue Mann im Team nimmt seine Mannschaft in Schutz: "Wir feiern die Siege zusammen und wir tragen auch solche Situationen zusammen."