FIA-Unfallforschung: 100 Tote pro Jahr im Motorsport

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100 Tote pro Jahr im Motorsport

Veröffentlicht am 15.08.2015

Wussten Sie, wie viel Menschen im Motorsport jährlich sterben? Es sind deutlich mehr, als sich viele ausmalen. Doch die meisten Todesfälle passieren auf Clubniveau, wie Sicherheitsexperte Andy Mellor ausführt: "Weltweit sterben pro Jahr 100 Menschen im Motorsport, je 50 Prozent auf zwei und vier Rädern. Von diesen 50 Toten sind die eine Hälfte Fahrzeuginsassen, und die andere Streckenposten oder Zuschauer. Der Großteil dieser Unglücke passiert auf nationaler Ebene. Wir versuchen hier Muster zu erkennen, um diese Zahlen zu senken."

Der Mann, der diese Aufgabe im September 2014 übernommen hat, heißt Laurent Meckies. Früher Chefingenieur bei Toro Rosso. Der 38-jährige Franzose leitet vom FIA-Büro in Genf aus eine elfköpfige Sicherheitskommission mit vier externen Beratern, die sich um alle Belange außerhalb der Formel 1 kümmert.

"Die Formel 1 ist speziell. Andy Mellor und Charlie Whiting sind ein eingespieltes Team, das im Rahmen der Technischen Arbeitsgruppe sehr gut funktioniert und kurze Entscheidungswege hat. Mein Job betrifft mehr die anderen Serien. Unser Präsident will, dass wir unsere Erfahrungen aus den Top-Klassen des Motorsports auf nationale Rennserien übertragen", so Meckies.

3 Todesfälle machen FIA-Experten spezielle Sorgen

Meckies weiß: "Sicherheit ist bewegliches Ziel. Du lernst nie aus, hast nie das Optimum erreicht. Je weiter du in der Leiter runter steigst, desto mehr Verletzte und Tote gibt es. Weil da die Standards geringer sind, und weil es weniger Informationen über die Unfälle im einzelnen gibt. Da liegt für mich die große Herausforderung."

Das Ziel des Verbandes ist es, einmal alle Rennautos mit Datenschreibern auszurüsten. Bei FIA-Veranstaltungen sind sie Pflicht. "Wir entwickeln gerade einen Unfallschreiber, der auch für Privatfahrer bezahlbar ist."

Die Unfall-Forschung hat ergeben, dass jede Kategorie ihre ganz individuellen Schwachstellen hat. Formel-Autos das offene Cockpit und die freistehenden Räder. Fahrzeuge mit Dach den Seitenhalt und die Sitzposition.

Drei Todesfälle in der jüngeren Vergangenheit machen den Unfallforschern Sorgen. Allan Simonsen 2013 in Le Mans, Ashley Cooper in einem V8 Supercar 2008 in Adelaide und Phillip Yao 2012 in Macau. "Alle das gleiche Schema. Sehen nach nichts aus, aber in allen 3 Fällen starben die Fahrer an Kopf- und Nackenverletzungen. Im Vergleich dazu ist Loic Duval in Le Mans praktisch unverletzt davon gelaufen. Und dieser Unfall sah furchtbar aus", resümiert Andy Mellor.

Sitzposition in WEC-Rennern ein mögliches Problem

Das Problem dabei: Der Körper ist in geschlossenen Autos in seiner Sitzschale festgenagelt. Der Kopf nicht. Bei ungünstigen Aufprallwinkeln und abrupten Verzögerungen kann das fatale Folgen haben.

"Das Problem war jedes Mal, dass die Kräfte auf den Körper anders abgefangen wurden als die auf den Kopf. Das ist unsere große Aufgabe in geschlossenen Autos. Den Kopf besser zu schützen, weil er sich freier bewegen kann in einem Formel-Auto. Der Sitz kann nur bedingt um den Kopf herumgezogen werden." Die Erkenntnisse aus dieser Forschung sollen auch den vielen Tourenwagenpiloten in den nationalen Meisterschaften zugutekommen.

Der Auffahrunfall von Kazuki Nakajima in Spa mit dem WEC-Toyota ließ eine weitere Schwachstelle erkennen. Der Japaner brach sich zwei Wirbel, obwohl die Verzögerung nicht dramatisch hoch war. Offenbar ist aber die verkrümmte Sitzposition in den WEC-Rennern nicht ideal. Beim Frontalaufprall wird ein bestimmter Teil der Wirbelsäule extrem stark belastet. Es kommt dann zu Kompressionsbrüchen. Sicherheitskoordinator Laurent Meckies verspricht: "Die Arbeit wird uns nicht ausgehen."

Im ausführlichen Interview auf Seite 2 dieses Artikels spricht Laurent Meckies über die Unterschiede zwischen dem alten Job als Ingenieur bei einem Formel 1-Team und seinen neuen Aufgaben bei der FIA.