Seit dem Grand Prix von Japan im Jahr 2014 hat die Formel 1 keinen tödlichen Unfall mehr zu beklagen. Damals prallte Jules Bianchi mit seinem Marussia gegen einen Bergekran. Der Franzose erlag neun Monate später seinen schweren Kopfverletzungen. Als Reaktion wurden der Halo-Schutzbügel sowie virtuelle Safety-Car-Phasen zur sicheren Bergung havarierter Autos eingeführt.
Jeder schwere Unfall wird von den Experten der FIA genau untersucht. Der Abschlussbericht der Gutachter enthält immer auch Vorschläge, wie sich die Sicherheit im betreffenden Szenario verbessern lässt. So wurden beispielsweise nach dem Feuerunfall von Romain Grosjean 2020 in Bahrain die Verbindungen der Spritleitungen zwischen Tank und Motor verstärkt.
Der letzte heftige Crash, den die Sicherheitsdelegierten genauer unter die Lupe nahmen, war der Abflug von Guanyu Zhou beim Rennen in Silverstone. Der Chinese kollidierte auf den ersten Metern so unglücklich mit George Russell, dass sich sein Alfa Romeo aufs Dach legte. Nach einer Rutschpartie über den Asphalt hakte sich das Auto im Kiesbett ein und schleuderte per Doppelrolle in den Fangzaun.

Überrollbügel bricht zu schnell ab
Bei der Untersuchung, die vom Unfallhergang bis zur Bergung des Piloten und des Autos, zahlreiche Aspekte umfasst, legten die Experten ihren Fokus vor allem auf die Rolle des Überrollbügels. Die Schutzvorrichtung über dem Kopf des Fahrers brach schon beim ersten Kontakt auf dem Asphalt ab. Am Ende verhinderte nur der Halo-Bügel, dass der Helm von Zhou auf die Fahrbahn prallte, wobei der Unfall dann wohl nicht so glimpflich ausgegangen wäre.
Bei der Analyse des Videomaterials und der Daten stellten die Gutachter fest, dass sich das obere Ende des Überrollbügels beim Aufprall in den Asphalt bohrte, was die horizontalen Kräfte verstärkte und zum sofortigen Abbrechen führte. Hier wirkte sich das Design des Bügels mit dem schmalen oberen Ende negativ auf den Unfallverlauf aus.
Die Experten erkannten zudem, dass es bei den Belastungstests Nachholbedarf gibt. Bei der Homologation wird die Widerstandsfähigkeit nicht am oberen Ende gemessen, sondern an einem tieferen Punkt. Die Schutzwirkung sei deshalb geringer als eigentlich beabsichtigt. Als Ergebnis des Gutachtens stand schließlich die Handlungsempfehlung, den Überrollbügel deutlich robuster auszulegen.

Neue Form, schärfere Tests
Zusammen mit den Ingenieuren der Teams haben die Technik-Delegierten der FIA in drei separaten Meetings schon für kommende Saison eine Reihe von konkreten Maßnahmen uns Technik-Reglement aufnehmen lassen, die nun final verabschiedet wurden.
Eine neue Vorgabe betrifft die Form des oberen Endes des Überrollbügels, das nun abgerundet sein muss und nicht mehr spitz zusammenlaufen darf. Das soll die Gefahr verringern, dass sich der Überrollbügel wie im Fall von Zhou in den Asphalt bohrt.
Auch an der Durchführung der Belastungstests wird sich etwas ändern. Bei der Homologation wird der Druck auf den Überrollbügel künftig weiter oben ausgeübt. Außerdem muss der Überrollbügel künftig auch einen neuen Test aushalten, bei dem er nach vorne gedrückt wird. Für die Saison 2024 wurden dazu auch schon weitere Verschärfungen der Belastungstests angekündigt.