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Motorenkrise bei Ferrari nach Baku-Debakel
Der Feind ist die Zuverlässigkeit

GP Aserbaidschan 2022

Der größte Feind von Ferrari ist derzeit nicht Red Bull, sondern die Zuverlässigkeit. Zum zweiten Mal in den letzten drei Rennen raubte ein Motorproblem Charles Leclerc einen möglichen Sieg. Auch bei den Kundentriebwerken geht im Moment viel schief.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Aserbaidschan 2022 - Baku - Rennen
Foto: Motorsport Images

So gewinnt Ferrari keine WM-Titel. Der Totalausfall in Baku machte Red Bull das größte Geschenk. Der WM-Gegner räumte mit seinem Doppelsieg und dem Extra-Zähler für die schnellste Runde mit maximaler Punktzahl ab. Zwischen Max Verstappen und Charles Leclerc steht es jetzt 150:116. Sogar Sergio Perez schob sich noch dazwischen. Red Bull hat in der Konstrukteurs-WM bereits 80 Punkte Vorsprung auf Ferrari. Das sind fast zwei Doppelsiege.

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In den letzten drei Grand Prix stellte sich die Weltmeisterschaft auf den Kopf. Red Bull hat drei Mal so viele Punkte gesammelt, obwohl Ferrari in allen drei Rennen von der Pole Position startete und das Rennen bis zum Ausfall auch anführte. Charles Leclercs größter Gegner ist im Moment nicht Verstappen, sondern die Zuverlässigkeit. In Barcelona stoppte ihn ein Turboladerschaden. In Baku deutete eine riesige Rauchfahne im Heck das Ende des Motors an. Was genau kaputtgegangen ist, wird in Maranello analysiert.

Charles Leclerc - Ferrari - GP Aserbaidschan 2022 - Baku - Rennen
xpb
Nur noch WM-Dritter: Charles Leclerc entgleitet langsam die Weltmeisterschaft.

Erst Power, dann Zuverlässigkeit

Ferrari konnte schon nach 21 Runden einpacken. Carlos Sainz hatte sein Auto in der 9. Runde mit einem Schaden an der Hydraulik am Streckenrand geparkt. Das einstige Markenzeichen des F1-75 hat sich ins Gegenteil verkehrt. Kein anderes Team hat so wenig Rennkilometer abgespult wie Ferrari. Bei Leclerc und Sainz stehen fünf Nuller im Kontoauszug.

Teamchef Mattia Binotto machte ein sorgenvolles Gesicht. "Die Zuverlässigkeit ist eine Baustelle. Ohne sie gewinnst du keine Rennen. Ich will unseren Technikern keine Schuld geben. Sie haben mit dem Antrieb einen hervorragenden Job gemacht, wenn man zurückschaut, wo wir hergekommen sind. Wir haben letztes Jahr mit dem Hybridsystem und diesen Winter mit dem Motor gewaltige Leistungssprünge geschafft. Es sieht so aus, dass wir jetzt den Preis dafür bezahlen."

Weil die Technik beim Verbrennungsmotor Ende Februar eingefroren wurde und das Hybridsystem Ende September homologiert werden muss, lag es für Ferrari auf der Hand, erst einmal auf die Power und Leistungsentfaltung zu schauen. Um die Standfestigkeit wollte man sich bei Bedarf später kümmern. Da erlaubt das Reglement Nachbesserungsarbeiten, wenn man der FIA beweisen kann, dass es ausschließlich um die Absicherung der Standfestigkeit geht.

MGU-K als Schwachstelle

Der Ferrari-Motor hat nach einhelliger Meinung die meiste Leistung im Feld. Vier Kilowatt mehr als Honda, acht mehr als Mercedes, zwölf mehr als Renault. Viel wichtiger aber ist der Vorsprung bei der Fahrbarkeit. Mercedes-Teamchef Toto Wolff empfiehlt sich die einzelnen Motoren mal in der Beschleunigungsphase anzuhören. Keiner dreht so sanft hoch wie der Ferrari. Damit kann auch eine viel vorteilhaftere Getriebeübersetzung gefahren werden.

Doch der Klassenprimus hat einen entscheidenden Nachteil. Er ist nicht kugelsicher. Je höher die Laufleistung, umso größer die Sorgen. Das merken auch die Kunden. Haas-Pilot Kevin Magnussen bekam in Baku bereits seine dritte MGU-K. Der Däne blieb im Rennen erneut stehen. Diesmal krachte es zwischen Turbolader und MGU-H. Magnussen wird wohl von beiden Komponenten in Montreal eine dritte Einheit brauchen. Valtteri Bottas von Alfa Sauber hat sie schon.

Auch Leclerc wird in Kanada vermutlich mit einigen Komponenten im Antrieb an das Maximum von drei Einheiten kommen. Jeweils zwei Einheiten von Verbrennungsmotor, Turbolader, MGU-H und MGU-H haben er und Teamkollege Sainz bereits im Einsatz oder komplett aufgebraucht. Bis jetzt hat sich Ferrari damit über die Runden gerettet, ein Patchwork von noch funktionierenden Komponenten aus unterschiedliche Antriebseinheiten zusammenzustellen. Das reicht jetzt nicht mehr.

Carlos Sainz - Ferrari - GP Aserbaidschan 2022 - Baku - Rennen
Wilhelm
Carlos Sainz stellte sein Auto mit Hydraulikdefekt noch früher ab als der Teamkollege.

Startplatzstrafen nicht das Problem

Wer nach acht von 22 Rennen schon gezwungen ist, die dritte Stufe zu zünden, der wird ab einem bestimmten Zeitpunkt in der Saison einen vierten oder gar fünften Motor brauchen. Mit den entsprechenden Startplatzstrafen. Das ist aber gar nicht das große Problem. Auch mit sechs Motoren kann man noch um die WM kämpfen, wie Lewis Hamilton im letzten Jahr bewiesen hat.

Viel beunruhigender ist, dass man jetzt eine neue Einheit an den Start bringen muss, ohne zu wissen, was die kürzlich aufgetretenen Schwachstellen verursacht hat und wie man darauf reagieren soll. Ferrari hatte bereits einmal bei der FIA eine Zuverlässigkeitsreparatur beantragt. Ohne den durchschlagenden Erfolg. Änderungen am Motor sind außerdem Langzeitprojekte. Selbst wenn man heute glaubt, eine Lösung zu haben, ist die morgen nicht im Motor eingebaut. Zuerst müssen Prüfstandsläufe die Modifikation absichern. Dann müssen neue Teile gebaut werden.

Binotto erteilt Schnellschüssen eine Absage: "Bei uns geht es jetzt primär nicht darum, eine neue Antriebseinheit zu bringen. Wir müssen uns auch im Klaren sein, wie wir kurzfristig damit umgehen. Sollen wir die Laufzeiten der Teile verkürzen oder die Einsatzparameter ändern?" Das kann in einem Fall mehr Motoren und mehr Strafen bedeuten, im anderen ein freiwilliger Verzicht auf Leistung.

Hätten 12,9 Sekunden Polster gereicht?

Ferrari trauerte in Baku einer weiteren verpassten Chance nach. Diesmal hatte man strategisch alles richtig gemacht und Leclerc spontan an die Boxen geholt, als der parkende Sainz eine VSC-Phase auslöste. Die Red-Bull-Piloten hätten sich eine ebenso schnelle Reaktion von ihrem Team gewünscht. Ferrari sparte sich mit dem Reifenwechsel unter VSC-Tempo zehn Sekunden, verlor aber mit einem 5,4 Sekunden Stopp gleich wieder einen Teil des Geschenks.

Auch hier befindet sich Ferrari noch in der Nachforschung. "Der eigentliche Stopp lief schnell ab. Die Reifen waren dran, das grüne Licht an. Aber die Wagenheber hielten das Auto oben. Red Bull hatte mit Perez wohl ein ähnliches Problem. Vielleicht war die hohe Temperatur auf dem Asphalt an der Parkstelle schuld", rätselte Binotto. Trotzdem übernahm Leclerc nach den Boxenstopps der Red-Bull-Piloten die Führung und hatte mit acht Runden älteren Reifen ein Polster von 12,9 Sekunden auf Verstappen.

Red-Bull-Sportchef Helmut Marko war sicher: "Max hätte den Leclerc noch gekriegt." Verstappen gab sich etwas vorsichtiger: "Ich hätte ihn eingeholt, weil unser Rennspeed etwas besser war. Was dann passiert wäre, ist schwer zu sagen." Binotto zweifelte: "Wir hätten die Reifen bis zum Ende managen müssen. Keiner kann sagen, wie es ausgegangen wäre. Wir fühlten uns jedenfalls stark, und Charles war happy mit seinen Reifen."

Ferrari steht nach der Pechserie unter Zugzwang. Binotto spricht dennoch nicht von einem Pflichtsieg in Montreal. "Auf die WM-Stände schauen wir erst am Ende der Saison. Wir müssen uns auf uns konzentrieren, aus den Lektionen lernen und unsere Probleme lösen. Die Zuverlässigkeit ist sicher der Schlüssel."

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