Am Trainingsfreitag sah Charles Leclerc noch wie der große McLaren-Herausforderer aus. Vor allem auf einer schnellen Quali-Runde rechnete sich der Monegasse viel aus. Mit seiner Tagesbestzeit machte er den Tifosi Hoffnung auf einen der vorderen Startplätze. Doch dann kam es am Samstag plötzlich ganz anders.
Schon im dritten Training hatten die roten Autos plötzlich Probleme, das Tempo der Spitze mitzugehen. Ob es an den Setup-Änderungen oder den deutlich heißeren Temperaturen lag, dass der SF-25 nicht mehr den erwarteten Grip bot, muss noch analysiert werden. Trotz der kleinen Formdelle war man in den ersten beiden Quali-Sessions aber noch weit von einer Klatsche entfernt.
"Die Pace war gestern deutlich besser. Aber im Q1 und Q2 sah es gar nicht so schlecht aus. Dann haben wir im Q3 irgendwo Zeit liegengelassen", grübelte Teamchef Frederic Vasseur. "Im Vergleich zu McLaren liegen unsere Probleme vor allem im dritten Sektor. Vielleicht haben wir die Reifen am Anfang der Runde schon zu viel gefordert. Das müssen wir nochmal genauer anschauen."

Die Ferrari kamen am Samstag irgendwie von der Erfolgsspur ab.
McLaren außer Reichweite
Am Ende fehlten Leclerc satte sechseinhalb Zehntel auf die Pole-Position-Runde von Lando Norris. Bei Lewis Hamilton waren es fast neun Zehntel Rückstand. Das sind Welten in der Formel 1. Besonders ärgern dürften sich die Piloten, dass sie mit dem Williams von Alex Albon und dem Toro Rosso von Yuki Tsunoda auch noch zwei Mittelfeld-Autos vor der Nase haben.
Aus Startreihe vier ist wohl nur noch Schadensbegrenzung angesagt. Vasseur versucht sich vor dem Rennen in Zweckoptimismus: "Viel schlechter kann es ja nicht werden. So langsam wie im Q3 waren wir das ganze Wochenende nicht. Auf den Longruns sahen wir im Training auf jeden Fall besser aus. Das gibt Hoffnung für morgen. Aber wir wissen ja nicht, was das Wetter macht."
Die Euphorie, die mit der Verpflichtung von Lewis Hamilton einhergegangen war, ist erst einmal verflogen. Dem Neuzugang machte Vasseur aber keine Vorwürfe: "Er hat die Energie eines Rookies. Er hat das ganze Wochenende hart gearbeitet, um das Beste aus dem Auto rauszubekommen. Wir müssen als Team weiter zusammenhalten. Das Jahr ist ja noch lang."

Lewis Hamilton kommt nicht so schnell voran, wie er sich das gewünscht hatte.
Hamilton sucht die Werkzeuge
Beim Piloten selbst konnte das mittelmäßige Ergebnis die gute Stimmung nicht trüben. Hamilton freute sich über Fortschritte im weiter andauernden Lernprozess: "Ich hatte heute viel Spaß. Mit jeder einzelnen Runde konnte ich mich verbessern, Session für Session. Ich habe dieses Wochenende schon viel gelernt."
Der Rekordsieger betont immer wieder, dass die Anpassung an seinen neuen Dienstwagen noch Zeit brauche: "Das Auto hat sich hier ganz anders verhalten, als ich es erwartet habe. Die Balance in schnellen und mittelschnellen Kurven ist gewöhnungsbedürftig. Auch die Gewichtsverlagerung unterscheidet sich stark von meinen früheren Autos. Es war ein langer Prozess, Vertrauen zu entwickeln."
Nach drei Testtagen in Bahrain hatte Hamilton eigentlich gedacht, dass er schon einen Schritt weiter wäre: "Dann kam ich hierher und merkte, dass noch viel Arbeit vor mir liegt. Ich habe dieses Wochenende viel ausprobiert. Dank meiner Erfahrung weiß ich, wo ich hinkommen muss. Aber im Moment weiß ich nicht genau, welche Werkzeuge ich dafür verwenden soll. Ich verlasse mich stark auf mein Team. Früher hätte ich genau gewusst, was ich brauche."

Regenspezialist Hamilton hofft, dass es auf feuchter Strecke nach vorne geht.
Regen bietet Chance
Mit viel Respekt spricht Hamilton über die Performance von Teamkollege Leclerc: "Bei ihm wirkt es so leicht. Er weiß genau, wie sich das Auto verhält, während ich mich das ganze Wochenende mühsam an das Limit herantaste. Ich denke, dass ich dem Ziel wieder ein Stück nähergekommen bin. Dass ich im Qualifying so nah an Charles lag, verbuche ich als Erfolg."
Im Rennen soll die Lernkurve weiter ansteigen. Hamilton rechnet am Sonntag mit Regen in Melbourne: "Morgen fahre ich zum ersten Mal mit diesem Auto auf einer feuchten Piste. Ich weiß noch nicht genau, wie ich das Setup darauf anpassen soll. Das wird eine ganz neue Erfahrung. Ich weiß auch nicht, ob sich das Auto bei Veränderungen so verhält, wie ich es gewohnt bin. Aber Nässe bietet auch immer eine Chance. Ich liebe es, im Regen zu fahren."