Formel 1: Vasseur schießt gegen Ferrari-Kritiker

Vasseur wehrt sich
Was ist dran am Ferrari-Krach?

GP Kanada 2025
Zuletzt aktualisiert am 13.06.2025

Wenn es ein Bild brauchte, das diese Saison von Ferrari beschreibt, dann lieferte es Charles Leclerc nach 14 Minuten im ersten Training. Der WM-Fünfte führte gerade das Klassement an, da lag der Ferrari mit der Startnummer 16 schon mit abgeschlagenen Rädern in der Wand. Leclerc hatte zuvor mit der linken Seite die Mauer von Kurve 3 touchiert. Bei der Inspektion des Wracks stellte Ferrari einen Schaden am Chassis fest. Damit war der erste Trainingstag für Leclerc gelaufen.

Es läuft nicht rund beim Vize-Weltmeister von 2024, der mit der Ansage in dieses Jahr gegangen war, um den Titel zu kämpfen. Doch dann begann die Saison ganz anders, als man sich das in Maranello ausgerechnet hatte. McLaren ist die klare Nummer eins. Dahinter stritten sich lange Red Bull und Mercedes um den zweiten Platz. Erst in Barcelona gelang Ferrari wieder der Sprung in die Rolle des Kronprinzen. Mit 197 Punkten Rückstand auf McLaren.

Das ist in den obersten Etagen nur ein schwacher Trost. Ferrari war angetreten mit dem Anspruch Rennen zu gewinnen. Davon ist man weit entfernt. Bis jetzt hat es nur zu einem Sprint-Sieg und drei Podestplätzen im Hauptrennen gereicht. Ferraris Trumpfkarte ist die Ausgeglichenheit und Konstanz. Es fehlt aber an Speed.

Frederic Vasseur - GP China 2025
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Stimmungsmache aus Italien

Vor dem GP Kanada kommen aus Italien erste Alarmsignale. Die Gazetta dello Sport und der Corriere della Sera berichten, dass den obersten Bossen John Elkann und Benedetto Vigna langsam die Geduld ausgeht und dass Teamchef Frédéric Vasseur unter Beobachtung stehen soll. Der Corriere kennt auch schon einen möglichen Nachfolger. Antonello Coletta, der mit seinen WEC-Ferrari in der Langstrecken-WM von Sieg zu Sieg eilt.

Die Gazetta will wissen, dass Vasseur nur noch drei Rennen Zeit hat. Auch andere Posten im Team werden in Frage gestellt. Es ist schwer von außen zu beurteilen, wie viel Dichtung und wie viel Wahrheit in diesen Geschichten steckt. Oft steckt auch interne Politik dahinter. Die Gerüchte werden lanciert, weil sich irgendjemand Vorteile verspricht.

Vasseur stand der Ärger über die Stimmungsmache in der Heimat ins Gesicht geschrieben. "Es geht hier nicht um mich. Ich wusste, als ich diesen Job angetreten habe, dass ich solchen Geschichten ausgesetzt bin. Das lässt sich aushalten. Was aber nicht geht, dass Leute aus dem Team mit hineingezogen werden. Kann sich jemand vorstellen, was in deren Köpfen vorgeht, wenn sie lesen, dass ihr Posten zur Disposition steht?" Einen der angeblich neuen Ingenieure musste Vasseur erst einmal googeln, um zu wissen, wer da gemeint ist. "Ich habe mit diesem Menschen nie gesprochen."

Oscar Piastri - Lando Norris - McLaren - Formel 1 - GP Spanien - Barcelona - 31. Mai 2025
Mark Sutton - Formula 1 via Getty Images

McLaren hatte es bei der Krisenbewältigung besser

Vasseur besteht darauf, dass es die interne Krise nicht gibt. Dass Geschichten dieser Art aber der Arbeit des Teams im Weg stehen. "Sie sorgen für Unruhe, weil dann nur noch über dieses Thema gesprochen wird. Wenn es das ist, was diese Medien wollten, dann haben sie ihr Ziel erreicht."

Vasseur glaubt weiter daran, dass Ferrari seine Ziele noch erreichen kann. "McLaren ist uns allen einen Schritt voraus. Das müssen wir aufholen. Wir schauen nicht zurück." Dann erinnert der Franzose die Unruhestifter daran, wie der britische Traditionsrennstall in den letzten Jahren die Wende geschafft hat. "Sie waren ganz hinten, konnten sich aber wieder nach vorne arbeiten, weil man ihnen Zeit und Ruhe gab. In Italien ist das nur schwer möglich."

Auch Lewis Hamilton beteuert, nichts davon zu wissen, dass bestimmte Schlüsselfiguren im Team in der Kritik stehen. "Für mich ist alles Unsinn, was da geschrieben wird. Die meisten Leute wissen nicht, was im Hintergrund vor sich geht. Es ist nicht immer alles einfach, es läuft nicht immer rund. Wir müssen Veränderungen vornehmen, und es liegt viel Arbeit vor uns. Natürlich steht der Druck groß, weil wir gewinnen wollen. Aber eine Ablösung von Fred steht nicht zur Debatte."

Lewis Hamilton - Ferrari - GP Emilia-Romagna 2025 - Imola - Formel 1
Clive Rose via Getty Images

Hamilton gibt Vasseur Rückendeckung

Der Rekordsieger gibt seinem Capo Rückendeckung: "Fred ist der Hauptgrund, warum ich in diesem Team bin. Ich bin ihm dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe. Wir stecken da gemeinsam drin. Es läuft nicht alles perfekt. Ich bin hier, um gemeinsam mit dem Team und mit Fred daran zu arbeiten. Ich glaube, Fred ist die Person, der uns an die Spitze führen kann."

Das Theater erinnert an das erste Jahr von Michael Schumacher 1996 bei Ferrari, als es auch nicht nach Wunsch lief und die Williams haushoch überlegen waren. Damals forderte die italienische Presse die Entlassung von Jean Todt. Michael Schumacher stellte sich vor seinen Chef und ließ die großen Bosse im Hintergrund wissen: "Wenn Todt geht, gehe auch ich." Damit war Ruhe.

Hamilton sagt es nicht ganz so deutlich, macht aber klar, dass eine Wachablösung an der Spitze des Rennstalls keine Lösung ist: "Fred hat meine Unterstützung. Er kann voll auf mich zählen. Es verhält sich genauso wie bei den Geschichten, dass ich aufhören will. Ich habe hier bei Ferrari gerade erst angefangen und will noch lange bleiben. Das ist kein kurzfristiger Auftritt. Hört bitte auf, euch solche Dinge auszudenken."

Michael Schumacher - GP Frankreich 1996
Motorsport Images

Der Unterschied zu 1996

29 Jahre später liegen die Dinge nicht so einfach. Ferrari ist deutlich näher an der Spitze, als man es 1996 war. Doch das Feld ist viel enger zusammen. Im Q1 von Barcelona trennten 0,834 Sekunden das ganze Feld. 1996 waren es an gleicher Stelle 4,971 Sekunden. Wer damals einen Fehler machte, verlor eine Position. Heute kann es den Unterschied ausmachen, ob man ins Q2 oder Q3 kommt.

Der Ferrari SF-25 ist nur in einem kleinen Fenster richtig schnell. Wenig Bodenfreiheit bedeutet wenig Federweg und damit schlechteren mechanischen Grip. Passen Kleinigkeiten beim Setup nicht, sind die Reifen nicht in ihrem Fenster, und man verliert noch mehr Zeit. Das Schicksal teilt der Ferrari mit Mercedes und Red Bull. Nur McLaren operiert in einem größeren Spektrum.

Das aufzuholen ist schwer bis unmöglich. Die Gegner hofften, dass die jüngsten Regeländerungen McLaren etwas kosten würden, doch das ist nicht passiert. Damit hat man sich Zeit gekauft. Die ist jetzt abgelaufen. Jetzt müssen Ferrari, Mercedes und Red Bull liefern. Und so geraten auch Frédéric Vasseur und sein neuer Technikchef Loïc Serra unter Erfolgsdruck.

Lewis Hamilton & Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Spanien 2025
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Fortschritt nur mit Upgrade

Bei Ferrari geht das nach Ansicht von Charles Leclerc nur mit einem Upgrade: "Wir werden langsam besser, weil wir beginnen zu verstehen, wie wir das Auto abstimmen müssen, um das Maximum aus ihm herauszuholen. Wir müssen dazu in ziemlich extreme Richtungen gehen. Die Folge davon ist, dass unser Auto nicht einfach zu fahren ist. Solange wir aber keine Upgrades bekommen, ist es schwer aus eigener Kraft um Podestplätze zu fahren. Barcelona war ein Geschenk des Safety-Cars."

Beim GP Spanien bremste beide Ferrari-Piloten ein mysteriöses Problem, über das Ferrari nicht sprechen will. Es trat etwa zu Halbzeit des Rennens ein. Lewis Hamilton erzählt: "In der zweiten Rennhälfte in Barcelona bekamen Charles und ich massiv Probleme mit dem Auto. Das Team will nicht, dass wir darüber reden. Ich wusste anfangs nicht, welches Problem wir hatten, aber ich sagte über Funk, dass sich das Auto so schlecht anfühlt wie nie zuvor. Erst nach dem Rennen haben mir die Ingenieure gesagt, dass es ein Problem gab. Es war eine gewisse Erleichterung, das zu hören, denn danach fühlte ich mich nicht mehr so schlecht."

Jetzt rätseln alle, was Ferrari da verheimlichen will. Was auch immer sich im Laufe des Rennens da verändert hat, war von außen nicht sichtbar. Und es hat das Fahrverhalten negativ beeinflusst. Möglicherweise hat es mit dem Fahrwerk und der Absenkvorrichtung zu tun, die vielleicht nicht einwandfrei funktioniert hat. Seit längerem kursieren Gerüchte, dass Ferrari die Hinterradaufhängung überarbeiten will. Doch auch die kommen aus Italien.