Ferrari war in Miami neben der Spur. Die roten Autos standen nur auf den Startplätzen acht und zwölf. Es reichte im Qualifying nicht einmal für die Williams von Carlos Sainz und Alexander Albon, weil es viel zu lange dauerte, bis die Reifen auf Temperatur kamen. Da schwang aber immer noch die Hoffnung mit, dass die Reifen im Rennen länger halten als bei der Formel-1-Konkurrenz und die Fahrer wie in Jeddah Plätze gutmachen.
Doch das Einzige, was am Sonntag funktionierte, war das Timing der Boxenstopps. Beide Ferrari-Fahrer blieben mit ihren Startreifen so lange auf der Strecke, dass sie eine VSC-Phase wegen des Motorschadens von Oliver Bearman nutzen konnten, um ihre Reifenwechsel abzuwickeln. Der geringere Zeitverlust schenkte Lewis Hamilton zwei und Charles Leclerc einen Platz.
Damit lagen sie aber immer noch auf den Ferrari-unwürdigen Positionen sieben und neun. Nach vier Runden Kampf mit Carlos Sainz waren Leclerc und Hamilton wieder vereint. Diesmal vor dem Williams-Piloten. Doch dann begann eine Phase, in der sich Ferrari mit den Dialogen zwischen Fahrern und Kommandostand zum Gespött machte.

Lewis Hamilton forderte am Funk eine Stallregie ein.
Hamiltons Bitte um Stallregie
Die Ferrari-Piloten waren mit unterschiedlichen Reifen ins Rennen gegangen. Leclerc spielte auf Medium-Reifen die aggressive Karte. Lewis Hamilton sollte mit Pirellis harten Sohlen flexibel genug sein, um den für die zweite Rennhälfte angekündigten Regen abzuwarten. Doch das Unwetter driftete im letzten Augenblick nördlich an der Rennstrecke vorbei.
Für die letzten 27 Runden hatte nun Hamilton die weichere Gummimischung und damit das schnellere Auto. Doch der Topspeed-Vorteil reichte trotz DRS nicht aus, um auf der langen Gerade am anderen Ferrari vorbeizufahren. Deshalb forderte Hamilton am Funk Stallregie ein. Erst dezent, dann immer lauter.
In der 35. Runde richtete er seinem Renningenieur Riccardo Adami aus: "Ich verbrenne hinter Charles meine Reifen." Drei Runden später erinnerte er sein Team daran, dass er in Shanghai in vergleichbarer Situation freiwillig für Leclerc Platz gemacht hätte: "Das ist kein gutes Teamwork."

Charles Leclerc bekam am Ende des Rennens in Miami den Platz seines Teamkollegens zurück.
Leclerc musste elf Runden warten
Ferraris Kommandostand reagierte erst am Ende von Runde 38, da hatte man schon zu viel Zeit verschenkt und die beste Phase von Hamiltons Medium-Reifen verschenkt. Auch wenn es nur noch darum ging den Mercedes von Andrea Kimi Antonelli einzuholen, musste Ferrari jede Chance auf Platzverbesserung nutzen.
Kaum merkte Charles Leclerc, dass ihm Hamilton trotz weicherer Reifen nicht davonfahren konnte, begann das umgekehrte Spiel. Der Monegasse meldete sich erstmals in der 40. Runde: "Sagt Lewis, er soll schneller fahren. Ich schlucke zu viel verwirbelte Luft." Was wiederum seinen harten Reifen Lebenszeit kostete.
Der Befehl zum umgekehrten Platztausch kam erst in der 51. Runde. Hamilton fragte stark angesäuert, ob er nicht auch noch gleich Carlos Sainz vorbeiwinken solle. Ein Konkurrent meinte: "Wenn Ferrari seine Stallregie schneller durchzieht, sowohl beim ersten wie beim zweiten Platztausch, dann holen sie vielleicht noch Antonelli ein." Am Ende fehlten nur 1,5 Sekunden.

Sowohl Hamilton (links) als auch Leclerc (rechts) beschwerten sich in Miami am Ferrari-Boxenfunk.
Erst Analyse, dann Stallregie
Teamchef Frédéric Vasseur protestierte: "Du kannst nicht sofort den Überholbefehl geben. Zuerst einmal musst du rausfinden, ob der Wunsch der Fahrer gerechtfertigt ist. Es kann ja auch sein, dass der Hintermann nur deshalb schneller ist, weil er mit aktiviertem DRS fahren kann."
Doch muss das in einem Fall vier und im anderen elf Runden dauern, bis die Strategen reagieren? Vasseur spricht von jeweils höchstens eineinhalb Runden. Man dürfe dabei nicht die Kommentare der Fahrer als Maßstab nehmen. Die seien, so Vasseur, immer subjektiv. "Charles und Lewis sind Siegertypen. Man muss ihren Frust auch verstehen. Auf der anderen Seite müssen sie immer wissen: Sie fahren in erster Linie für Ferrari und nicht für sich selbst."
Deshalb bekam Hamilton vor dem Gang vor die TV-Kameras erst einmal eine Einweisung zum Chef. In der offiziellen Pressemitteilung erwähnte der Engländer den Disput um die Stallregie mit keinem Wort. Gegenüber den Medien beteuerte Ferraris Neuzugang, dass man das Thema intern besprechen werde. Nur so viel: "Ich glaube, wir hätten das besser regeln können. Wir haben zu viel Zeit verschenkt, um die Reifen optimal zu nutzen."

Mercedes verzichtete bei George Russell (links) und Andrea Kimi Antonelli (rechts) auf eine Stallregie.
Mercedes verzichtet auf Stallregie
Mercedes verzichtete übrigens ganz auf eine Stallregie, obwohl George Russell trotz härterer Reifen schnell im Windschatten von Teamkollege Andrea Kimi Antonelli auftauchte. Teamchef Toto Wolff erklärte warum hier der Kommandostand nicht eingriff: "Wir haben die Taktik bewusst gesplittet, um auf alles vorbereitet zu sein. Du tauschst nicht die Plätze, solange du nicht abschätzen kannst, wie sich das Rennen entwickelt und welche der beiden Strategien am Ende die bessere sein würde."
Russell musste warten, bis sein Team den Italiener in der 25. Runde an die Boxen holte, um einen Undercut gegen Alexander Albon zu versuchen. Antonelli wechselte die Reifen bei Renntempo, Russell während der VSC-Phase. So kam der eine Mercedes-Fahrer elegant am anderen vorbei. Russell landete zum vierten Mal im sechsten Rennen auf dem Podium.