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F1-Entwicklung für 2022
Ferrari macht alles richtig

Ferrari führt die Konstrukteurs-WM nach zwei Rennen klar an. Trotz des Sieges von Max Verstappen in Jeddah ist die Scuderia das Team der Stunde. Nicht nur weil der F1-75 der beste Allrounder ist. Das Team hat schon im Vorfeld alles richtig gemacht.

Charles Leclerc - GP Saudi Arabien 2022
Foto: Wilhelm

Auf der Strecke ist es ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Ferrari und Red Bull. Ein Mal hatte Charles Leclerc die Nase vorn, dann Max Verstappen. Ein Mal stand Charles Leclerc auf der Pole Position, dann Sergio Perez. Riecht nach Ausgeglichenheit. Tatsächlich liegt nicht viel zwischen den beiden besten Autos im Feld. Und doch hat Ferrari die Nase vorn. Das belegen die Zahlen.

Ferrari hat 78 Punkte aus zwei Rennen mitgenommen, Red Bull nur 37. Ferrari hat vier Podiumsplatzierungen angehäuft, Red Bull nur eine. Beide schnellsten Rennrunden gingen an Ferrari. Dazu 87 Führungsrunden. Red Bull-Piloten führten nur 20 Runden lang das Rennen an.

Unsere Highlights

Ferrari ist immer schnell. Bei Tageslicht, bei Nacht, auf den C1, C2, C3 und C4-Reifen. Und wenn man mal wie in Jeddah am Freitag auf Longruns verzichten muss, weil beide Fahrer die Mauer streifen, fährt man am Sonntag immer noch um den Sieg mit.

Carlos Sainz - GP Saudi-Arabien 2022
xpb
Mit dem F1-75 ist Ferrari ein großer Wurf gelungen.

Ferraris Revier sind die Kurven

Vielleicht hat der Übereifer der Piloten Ferrari den zweiten Sieg gekostet. Mangels Daten ging Ferrari von einer höheren Reifennutzung aus und trimmte seine Autos auf viel Abtrieb. Red Bull nahm eher etwas Anpressdruck raus. Am Sonntag war Top-Speed besser als Abtrieb. Die harten Reifen hielten ewig. Leclerc hätte das Rennen trotzdem noch gewinnen können. Seinen letzten Angriff stoppte eine gelbe Flagge.

Grob gesagt treffen da unabhängig von der jeweiligen Fahrzeugabstimmung zwei Autos aufeinander, die mit unterschiedlichen Mitteln zum Ziel kommen. Der Red Bull RB18 macht seine Zeit auf den Geraden, der Ferrari F1-75 in den Kurven. Red Bull kann sich kleinere Flügel leisten, was dafür spricht, dass es Adrian Newey und seinem Designteam wieder einmal gelungen ist mehr Abtrieb effizient über den Unterboden zu generieren als alle anderen im Feld.

Der Ferrari hat eine andere Qualität. Er ist auch mit mehr Bodenfreiheit und mehr Federweg schnell. Das spricht für eine exzellente aerodynamische Stabilität. Beobachter an der Strecke schwören darauf, dass der Ferrari besser durch die langsamen Kurven kommt und seine Gegner mit überlegener Traktion schlägt. Da hilft auch der Antrieb. Der Ferrari-Motor hat nach Meinung der Gegner nicht nur die meiste Power, sondern auch das beste Drehmoment.

Leclerc & Sainz - Ferrari - F1 - GP Saudi-Arabien - Jeddah - Qualifying - 26. März 2022
xpb
Die Piloten loben das gutmütige Fahrverhalten ihres Dienstwagens.

Ferrari kennt sein Auto

Max Verstappen meinte in Jeddah auf die Frage, ob Red Bull einen Schritt nach vorne gemacht hat, dass er das schwer beurteilen könne. "Ich kann nur so viel sagen: Wir verstehen unser Auto jetzt besser."

Und genau das ist das Geheimnis von Ferrari. Kein Team kennt sein Auto so gut. Der F1-75 fährt seit dem ersten Testtag in Barcelona nahezu unverändert. Nur am Unterboden wurden Modifikationen angebracht, um das Bouncing auf den Geraden besser unter Kontrolle zu bringen.

Die Ferrari-Ingenieure können aus den Daten und Erfahrungen von 3.941 Testkilometer und zwei GP-Wochenenden aufbauen. Deshalb sind sie auch so treffsicher beim Setup. Die zwei Ferrari liegen fast immer in den Top 5. Egal ob Testfahrt, freie Trainingssitzung, Qualifikation oder Rennen. Red Bull und Mercedes brachten zum Bahrain-Test zwei halb neue Autos. Da ging das Lernen wieder von vorne los.

Ferraris Strategie kann sich auch beim Wettrüsten positiv auswirken, das spätestens mit dem ersten Europa-Rennen beginnt. Wer sein Auto gut kennt, weiß, was er ändern muss. Das kann mit dem Kostendeckel im Nacken ein Gamechanger werden, glaubt Ferrari-Teamchef Mattia Binotto: "Es ist wichtig nicht gleich sein ganzes Pulver zu verschießen. Jedes Upgrade muss funktionieren, andernfalls schränkst du dich in der Entwicklung ein."

Max Verstappen vs. Charles Leclerc - Formel 1 - GP Saudi Arabien 2022 - Rennen
Wilhelm
Der Ferrari ist unter allen Bedingungen schnell. Schwächen sind noch keine zu erkennen.

Chassis-Fraktion setzt auf Risiko

Ferrari hat die Rückkehr an die Spitze von langer Hand vorbereitet. Windkanal, Simulator und Prüfstände wurden rechtzeitig modernisiert. Die Chassis-Abteilung unter Enrico Cardile klinkte sich früh aus der Entwicklung des 2021er Autos aus. Sie wurde Anfang Juni eingestellt. In Silverstone kamen die letzten Upgrades ans Auto. Natürlich ist auch die Allianz mit Haas ein Vorteil. Der US-Rennstall begann schon im Januar 2021 mit der Arbeit am 2022er Auto.

Auch wenn Datenaustausch verboten ist, liegt es auf der Hand, dass sich die Ingenieure untereinander Tipps geben. Haas hatte im Sommer 2021 schon sein erstes Konzept durch den Windkanal geschleust und für sich als zu wenig ausbaufähig eingestuft. Es war die Lösung mit schlanken Seitenkästen wie sie Mercedes, McLaren und Williams einsetzen.

Dieser Ur-Haas wurde uns bei der Präsentation als Computeranimation gezeigt. Es ist also nicht verwunderlich, dass Ferrari und sein amerikanischer Satellit auf den Gegenentwurf mit breiten, langen und hohen Seitenkästen umgeschwenkt sind.

Nachdem die Chassis-Fraktion seit 2019 eher brave Lösungen an den Start brachte, gab die Teamleitung für das neue Auto die Devise aus: Volles Risiko. Man sieht es dem F1-75 an. Dieses Auto sticht aus dem Feld heraus, weil es komplett anders ist und viele innovative Lösungen zeigt.

Ein Geheimnis liegt in der Verpackung der Antriebseinheit und der Hinterradaufhängung. Die schmale und flache Airbox erlaubt die optimale Anströmung des Heckflügels und die perfekte Unterstützung des Diffusors.

Charles Leclerc - Formel 1 - GP Saudi Arabien 2022 - Rennen
xpb
In Jeddah verzockte man sich leicht mit dem Setup. Trotzdem ist der Vorsprung in der WM-Wertung noch groß.

Motor-Entwicklung in vier Portionen

Auch beim Antrieb setzte Ferrari auf das richtige Pferd. Die Ingenieure teilten die Entwicklung in vier Portionen. Im Winter 2020/2021 wurden beim Verbrennungsmotor die größten Schwachstellen abgestellt. Trotzdem soll der Rückstand auf Mercedes und Honda im letzten Jahr noch bis zu 25 PS betragen haben. Im Herbst wurde das neue Hybridsystem eingeweiht, das mehr Leistung über einen längeren Zeitraum einspeist und die Fahrer somit weniger verwundbar auf den Geraden macht.

Der Fronteinsatz gab den Motorentechnikern die Chance etwaige Probleme im Winter abzustellen. Parallel dazu entstanden in Maranello ein komplett neuer Motor, Turbolader und MGU-H. Auf dem Papier sollten wegen des E10-Kraftstoffs 20 PS verloren gehen, doch wie zu hören ist, hat Ferrari die Leistung netto im Vergleich zu gesteigert und damit seine Kontrahenten überholt. Binotto bremst: "Wir haben unseren Nachteil auf die anderen wettgemacht. Ich glaube aber, dass die vier Antriebseinheiten ziemlich eng zusammenliegen."

Ferrari hat noch einen Schuss frei. Das Hybridsystem wird erst im September bis 2026 homologiert. Und da soll noch einmal eine Ausbaustufe kommen, die auf dem aufbaut, was sich auf der Strecke bewährt hat. Mit neuen Teilen am Auto lässt sich Ferrari Zeit. Für Melbourne sind keine signifikanten Änderungen angekündigt. Ferrari hat den Luxus, seinen Entwicklungsfahrplan aus einer Position der Stärke heraus so zu timen, dass man immer einen Schritt voraus ist.

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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