Traditionell ist der GP Ungarn ein Zweistopprennen. Bis Yuki Tsunoda 2024 die Regel durchbrach. Der damalige Toro-Rosso-Pilot landete auf dem neunten Platz. Ein Resultat, dass er mit der üblichen Zweistopp-Strategie nie geschafft hätte. Der Coup von Red Bulls B-Team fiel kaum einem auf. Den Strategen schon.
Er wurde die Blaupause für spätere Rennen und ganz besonders für den GP Ungarn in diesem Jahr. Plötzlich zog man überall im Feld die Möglichkeit eines Einstopp-Rennens in Betracht, auch wenn die Mathematik zwei Reifenwechseln den Vorzug gab. Teams wie Aston Martin hatten einen einzigen Reifenwechsel vom Anfang an im Plan. Anderen, wie Lando Norris oder Andrea Kimi Antonelli, wurde der eine Stopp aufgezwungen.
Am Ende gab es fast eine Pattstellung. Elf Fahrer kamen mit einem Reifenwechsel über die Distanz, neun brauchten zwei. Statistisch betrachtet war nur ein Boxenstopp die erfolgreichere Option. Sieger Lando Norris zählte zu dieser Gruppe, aber auch der ganze Zug mit Fernando Alonso, Gabriel Bortoleto, Lance Stroll und Liam Lawson.

Sieger Lando Norris wurde während des Rennens auf eine Einstopp-Strategie umgestellt.
Langes Warten von Antonelli
Lando Norris disponierte um, weil er nichts zu verlieren hatte. Ein schlechter Start warf ihn hinter George Russell. Im Heck des Mercedes ging viel Zeit auf Charles Leclerc und Oscar Piastri verloren, die er mit der gleichen Taktik nie wieder aufgeholt hätte. McLaren war lange skeptisch, ob ein Stopp überhaupt möglich ist. Erst in der 28. Runde stellte Renningenieur Will Joseph seinem Fahrer die Frage, ob er sich 40 Runden auf harten Reifen zutraut. Norris traute sich.
Andrea Kimi Antonelli war ursprünglich ebenfalls auf zwei Boxenstopps angesetzt. Dafür spricht auch sein Reifenwechsel in Runde 21. Damit wollte Mercedes einem Undercut von Lewis Hamilton zuvorkommen. Doch dann gab es für Antonelli nie mehr die perfekte Lücke für den zweiten Stopp. "Wir haben gewartet und gewartet und plötzlich gemerkt, dass Kimi mit seinem zweiten Reifensatz bis zum Ende fahren kann", erzählten die Ingenieure.
Für den 18-jährigen Italiener wurden die letzten Runden genauso eine Verteidigungsschlacht wie für Norris. In seinem Rücken drängelten Isack Hadjar und Lewis Hamilton mit frischeren Reifen. Doch Antonelli konzentrierte sich wie Norris auf die zwei Stellen, wo er verwundbar sein könnte. Wichtig waren die Kurven 14 und 1. Wer dort gut rauskam konnte auch einen Verfolger mit DRS abwehren.

Die sogenannte Track-Position war der Schlüssel. Plätze aufholen war in Budapest schwer.
Überhol-Delta von einer Sekunde
Überholen war bei einem Delta von einer Sekunde ein Kraftakt. George Russell brauchte selbst gegen Charles Leclerc in einem angeschlagenen Ferrari zwei Anläufe. Das war ein Grund, der für ein Einstopp-Rennen sprach. Die Einstopper kamen nach vorne ohne überholen zu müssen. Max Verstappen war mit sechs Überholmanövern einer der aktivsten Fahrer auf der Strecke, doch als er dann auf einen DRS-Zug stieß, war auch sein Vorwärtsdrang gebremst.
Dass es trotzdem 36 Positionswechsel auf der Strecke gab, lag an den unterschiedlichen Laufzeiten der Reifen im hinteren Mittelfeld. Zwei Drittel aller Überholmanöver spielten sich auf den Plätzen 12 bis 17 ab. Fahrer wie Esteban Ocon wurden auf Uralt-Reifen durchgereicht. Der Franzose hatte schon in Runde 14 gewechselt.
McLaren-Teamchef Andrea Stella nannte im direkten Vergleich seiner beiden Fahrer noch einen zweiten Vorteil der Einstopp-Strategie. "Lando fuhr öfter in sauberer Luft als Oscar."

Alonso hielt seine Gegner hinter sich geschickt in Schach.
Alonso fährt strategisch
Das sah auch Nico Hülkenberg am anderen Ende des Feldes so. Er wurde mit seinem Reifenwechsel in der fünften Runde aus dem Verkehr gebracht und holte in der Folge auch massiv auf das Feld auf. Doch weil ihm der frühe erste Boxenstopp den zweiten diktierte, fiel er in der zweiten Rennhälfte den Verkehr zurück. "Ich wäre mit einem Stopp besser dran gewesen. Sobald zwei oder drei Autos vor dir gefahren sind, hast du die Luftverwirbelungen brutal gespürt."
Der beste Botschafter für ein Einstopp-Rennen war Fernando Alonso. Der Spanier zeigte mal wieder, dass er ein Stratege hinter dem Lenkrad ist. Schnellere Fahrer wie Russell, Leclerc oder Piastri ließ er anstandslos vorbei. Nur keinen Reifengummi herschenken mit sinnlosen Duellen.
Dann organisierte er zunächst einen DRS-Zug hinter sich, um seine direkten Verfolger zu zwingen, Abstand zu halten und Kollegen in potenziell besseren Autos wie Verstappen oder Hamilton dort verhungern zu lassen. Als das erledigt war, zog Alonso das Tempo an, um sich ein Fenster zu schaffen, in das er bequem noch seinem Boxenstopp in der 39. Runde fallen würde. Alonso überholte kein einziges Auto. Er hatte aber abgesehen von der Startphase auch nie eines vor seiner Nase.