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Neue Infrastruktur, neue Ideen
McLaren mit doppeltem Windkanal-Vorteil

Die schlechte erste Saisonhälfte von McLaren hat auch etwas Gutes. Bis Dezember haben die Ingenieure in Woking deutlich mehr Windkanal-Runs als die anderen Top-Teams zur Verfügung. Laut Teamchef Andrea Stella kann man den Vorteil nun aus zwei Gründen richtig gut nutzen.

McLaren - Windkanal - Collage - 2023
Foto: McLaren

Der Aufstieg von McLaren war die große Geschichte der ersten Saisonhälfte. Aus dem Keller der Tabelle schoss das britische Traditionsteam innerhalb weniger Wochen zur zweiten Kraft im Feld empor. Das zweigeteilte Upgrade-Paket von Österreich und England schlug ein wie eine Bombe und katapultierte den MCL60 vorbei an den Konkurrenzmodellen von Alpine, Ferrari, Aston Martin und Mercedes.

Die Dürreperiode aus den ersten Rennen könnte sich im Nachhinein aber auch noch als Glücksfall herausstellen. Am 30. Juni war Stichtag zur Neuberechnung der Verteilung der Windkanalstunden von Juli bis Dezember. Die Aerodynamik-Restriktionen, die in Anhang 7 des sportlichen Reglements geregelt sind, funktionieren wie ein Handikap-System: Je schlechter die Position in der Teamwertung, desto mehr Simulations-Runs bekommt ein Team im nächsten Halbjahr zugestanden.

Unsere Highlights
Zak Brown - Lando Norris - Oscar Piastri - Andrea Stella - McLaren MCL60 - Formel 1 - Saison 2023
McLaren

Nach einem verpatzten Saisonstart hat McLaren-Teamchef Andrea Stella (rechts) das Ruder rumgerissen.

Mehr Windkanal-Zeit, mehr Ideen

Das Reglement bestimmt nicht nur die Anzahl der Durchläufe im Windkanal, sondern auch der Elemente, die in Computer-Simulationen (CFD) ausprobiert werden dürfen. Das Stufenmodell sieht hier Schritte in Höhe von jeweils fünf Prozent vor. So liegt Alfa Romeo als Siebter bei 100 Prozent der erlaubten Aero-Tests. Haas, Williams und Alpha Tauri, die noch schlechter platziert waren, bekommen mit 105, 110 bzw. 115 Prozent zusätzliche Entwicklungszeit zugestanden.

McLaren lag als Sechster einen Platz unter der Nulllinie und bekommt 95 Prozent. Nach oben verschärfen sich die Limits immer weiter – von Alpine (90 %), über Ferrari (85 %), Aston Martin (80 %) und Mercedes (75 %) geht es bis zu Red Bull (70 %). Wobei das Weltmeisterteam wegen der Budget-Deckel-Strafe aus dem Vorjahr über die gesamte Saison noch einmal weitere zehn Prozent abgezogen bekommt.

Obwohl McLaren das zweitschnellste Auto hat, kann man jetzt bei der Entwicklung richtig Gas geben. "Natürlich freuen wir uns, mehr Freiheiten zu haben als die Top-Teams", erklärte Teamchef Andrea Stella vor der Sommerpause. "Das liegt auch daran, dass wir momentan ein paar wirklich gute Ideen haben. Man kann viele Windkanal-Runs haben, aber was es wirklich ausmacht, ist die Qualität der Ideen und der verschiedenen Konzepte, die man ausprobiert. Da sehen wir uns aktuell in einer guten Position."

F1-Aero-Entwicklung - Juli bis Dezember 2023

Team

Limit in %

Windkanal-Runs

CFD-Items

Red Bull

70%

224

1400

Mercedes

75%

240

1500

Aston Martin

80%

256

1600

Ferrari

85%

272

1700

Alpine

90%

288

1800

McLaren

95%

304

1900

Alfa Romeo

100%

320

2000

Haas

105%

336

2100

Williams

110%

352

2200

Alpha Tauri

115%

368

2300

Letztes Unterboden- und Bodywork-Upgrade

In der zweiten Saisonhälfte ist die Zeit besonders kostbar. Hier müssen die Teams parallel am alten und am neuen Auto arbeiten. Laut Stella befindet sich der MCL60 aber schon kurz vor seiner letzten Ausbaustufe. Das finale Upgrade soll im Idealfall nicht zu weit nach der Sommerpause kommen: "Wir werden nach dem Shutdown noch eine Evolution dieses Konzepts zeigen. Es handelt sich um eine weitere Entwicklungsrunde bei den Verkleidungsteilen und dem Unterboden."

Wie groß der Fortschritt ausfallen wird, wollte sich Stella nicht entlocken lassen. Schon bei der B-Version hielt der Italiener die Erwartungen lieber niedrig, nur um dann am Ende selbst überrascht zu werden. Obwohl zuletzt alle Upgrades eingeschlagen haben, hält der Ingenieur den Ball flach und ist bei den Prognosen lieber vorsichtig.

"Bei mechanischen Upgrades gibt es einen wissenschaftlich verlässlichen Weg, wenn es darum geht, von Punkt A zu Punkt B zu kommen. Bei der Aerodynamik-Entwicklung muss man immer mit einem gewissen Maß an Ungewissheit leben", begründet Stella die Zurückhaltung. "Die Luft zeigt leider nicht immer ein lineares Verhalten. Selbst wenn einem die Simulationen zeigen, dass etwas funktionieren sollte, ist man immer etwas nervös, wenn es erstmals auf die Strecke geht."

Toyota Windkanal - Köln - TMG
Toyota

Den Windkanal in Köln teilt sich McLaren mit dem Le-Mans-Hypercar von Toyota.

Neuer Windkanal für 2024er McLaren

Ohne dieses unberechenbare Verhalten der Aerodynamik würden alle Teams auf der Strecke innerhalb von nur einem Zehntel liegen, rechnet der erfahrene Ingenieur vor. "Es ist so schwierig, das Verhalten von Luft vorherzusagen, wenn es zum Beispiel darum geht, Wirbel auszunutzen oder Bereiche mit einem hohen Unterdruck zu generieren. Da kann sich die Luft auch mal sehr launisch zeigen."

Neben der Erhöhung der Simulations-Runs hat McLaren noch ein zweites Ass im Ärmel. In der ersten August-Woche ist endlich der neue Windkanal in Woking ans Netz gegangen. Von ihm profitiert allerdings nur das 2024er Auto. Die letzten Runs mit dem 2023er Modell werden noch im Toyota-Windkanal in Köln durchgeführt. "Mit dem Ende der Entwicklung des aktuellen Autos beenden wir dann auch die Zusammenarbeit mit dem Toyota-Windkanal", bestätigte Stella.

Dass es mit einem neuen Auto und einem neuen Windkanal Korrelationsprobleme zwischen Simulation und Praxis geben könnte, glaubt der Teamchef nicht. "Wir haben viel Arbeit in die Validierung der Daten des neuen Windkanals gesteckt. Die Kriterien wurden sehr scharf gewählt, um die Korrelation mit der echten Rennstrecke zu verbessern. Von dem, was ich bisher gesehen habe, bin ich nicht besorgt, sondern eher ermutigt."

Oscar Piastri - McLaren - Formel 1 - GP Belgien - Spa-Francorchamps - 29. Juli 2023
xpb

In Spa konnte McLaren schon ein wenig Red Bull ärgern. Um richtig mitzuhalten, fehlen aber noch ein paar Zehntel.

Red Bull als Vorbild

Stella macht auch kein Geheimnis daraus, dass man Red Bull als Vorbild nimmt. Die Stärke des RB19 liege seiner Meinung vor allem darin, dass er unglaublich viel Abtrieb über den Unterboden generiert, der nicht mit einem hohen Luftwiderstand bezahlt wird. Deshalb kann Red Bull immer mit flacheren Flügeln fahren und die Top-Speed-Tabellen anführen.

Stella macht den Fans Hoffnung, dass der Vorsprung künftig schrumpfen könnte: "Sie verfolgen dieses Konzept nun schon einige Zeit. Die größere Erfahrung damit gibt ihnen einen Vorteil. Ich denke, dass alle Teams nun herausfinden wollen, was möglich ist, wenn man in diese Richtung entwickelt."

Auf den richtig großen Schritt müssen die McLaren-Fans aber wohl noch bis nach der Winterpause warten. Neue Ideen mit dem 2024er Auto, die im Windkanal großes Potenzial zeigen, lassen sich laut Stella nicht so einfach an das aktuelle Modell schrauben. "Alle Elemente sind so eng miteinander verbunden, dass es nicht funktionieren würde. Man könnte höchstens mal etwas zum Test montieren. Das wäre aber von der Entwicklung und der Produktion sehr aufwendig. Und das in einer Zeit, in der wir schon am Anschlag für die nächste Saison arbeiten."

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