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Unerwarteter Williams-Erfolg
Reifentest mit Punkt belohnt

GP Australien 2022

Bis zum Rennen in Melbourne gab es bei Williams dieses Jahr nicht viel zu feiern. Doch dann raste Alex Albon mit einer riskanten Strategie zum ersten WM-Punkt. Laut Teamchef Jost Capito hatte man den Australien-GP eigentlich schon als Reifentest abgeschrieben.

Alex Albon - GP Australien 2022
Foto: xpb

Die Formel-1-Verantwortlichen wollten mit den neuen Autos mehr Abwechslung und ein engeres Feld schaffen. Schaut man sich das Ergebnis von Melbourne genauer an, dann muss man festhalten, dass dieses Ziel erreicht wurde. Am Ende machten sich acht von zehn Teams mit WM-Punkten im Gepäck auf den langen Heimflug.

Die Erfinder des neuen Konzepts hatten sich nach den ersten Rennen noch etwas verärgert darüber gezeigt, dass Williams die Pace zunächst nicht mitgehen konnte. Doch am Rennsonntag im Albert Park präsentierte sich der FW44 plötzlich wie verwandelt. In den Händen von Alex Albon war das blaue Auto vom Start weg direkt bei der Musik.

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Daran, dass am Ende WM-Punkte rausspringen können, hatte das Team aber selbst nicht geglaubt. Nachdem Albon in der Qualifikation ohne Sprit ausgerollt war, musste er vom letzten Startplatz losfahren. "Wir haben vor dem Rennen auf unsere Simulationen geschaut. Das hat ziemlich traurig ausgesehen. Wir wussten, dass wir einige Risiken eingehen müssen", erinnert sich der Thailänder.

Alex Albon - GP Australien 2022
Williams
Alex Albon hatte vor dem Rennen selbst nicht an den Erfolg geglaubt.

Williams fehlen noch Reifendaten

Zusammen mit den Ingenieuren ordnete Teamchef Jost Capito für den Rennsonntag deshalb eine ganz spezielle Taktik an: "Wir haben das Rennen als Reifentest angesehen. An Punkte haben wir dabei gar nicht gedacht. Wir wollten einfach so lange fahren, wie es geht, und dann schauen, was passiert. Wann kommt das Graining? Wann geht es wieder weg? Und wie verhält sich das Auto?"

Capito gibt zu, dass man nach dem verpassten Pirelli-Test letztes Jahr in Abu Dhabi noch Nachholbedarf hat, was das Reifenverständnis angeht. Ein Problem bestehe zum Beispiel darin, die Gummis auf beiden Achsen gleichzeitig ins richtige Arbeitsfenster zu bekommen.

Dazu fehlen den Technikern auch noch Daten über die einzelnen Mischungen, wie Chefingenieur Dave Robson verrät: "Wir sind nach Melbourne geflogen und haben gedacht, dass der C5-Reifen im Qualifying nur eine Runde hält. Da haben wir uns aber getäuscht. Er hat gleich mehrere schnelle Runden zugelassen."

Alex Albon - GP Australien 2022
xpb
Nach dem Spritmangel im Qualifying musste Albon vom letzten Startplatz losfahren.

Boxenstopp in letzter Runde

Im Qualifying auf den weichen Gummis lief entsprechend nicht viel zusammen. Umso überraschender war dann der große Fortschritt im Rennen. "Was die Rennpace angeht, hatten wir plötzlich das fünft- oder sechstschnellste Auto", freute sich Capito. "Das ist ja das Schöne am Rennsport. Es kann immer alles passieren. Man darf nie aufgeben."

Albon profitierte bei seinem Husarenritt, der auf Rang zehn endete, auch von ein paar Ausfällen der Konkurrenz. Das größte Lob gebührt aber den Strategen, die den 26-Jährigen auch während der letzten VSC-Phase auf der Strecke ließen und der Versuchung zum Boxenstopp widerstanden. Erst in der allerletzten Runde wurde das Auto mit der Startnummer 23 reingeholt.

"Wir haben die Rundenzeiten gesehen. Die wurden nicht langsamer. Ich habe dann gesagt, dass wir einfach auf eine rote Flagge warten", grinste Capito. "Dass am Ende ein WM-Punkt rausspringen könnte, haben wir auch erst spät gemerkt." Albon fügte an: "Ich habe die Reifen einfach in ein gutes Fenster bekommen und dann wurde es einfach immer besser und besser. Ich habe gefühlt 25 Qualifying-Runden am Stück gedreht."

Nicholas Latifi - GP Australien 2022
Wilhelm
Die beiden Williams wurden mit unterschiedlichen Strategien auf die Reise geschickt. Das Auto war aber nur mit den harten Reifen konkurrenzfähig.

Erster Punkt im dritten Rennen

Hätte der Reifenwechsel vorne rechts am Ende nicht etwas gehakt, was zwei Sekunden kostete, wäre am Ende vielleicht sogar der neunte Platz rausgesprungen. Aber auch mit dem zehnten Platz war der Jubel am Williams-Kommandostand riesig. "Alex hat hervorragend verteidigt, er hat hervorragend angegriffen. Er ist genau die Rundenzeiten gefahren, die er fahren musste. Dabei hat er die Reifen immer im richtigen Fenster gehalten. Er ist ein absoluter Ausnahmerennfahrer", lobte Capito seinen Schützling.

Letzte Saison musste Williams bis Budapest auf die ersten Punkte warten. Nun klappte es schon im dritten Rennen. Nach einigen Pleiten und Pannen in Bahrain und Saudi-Arabien war der Erfolg vor allem für die Moral wichtig. Allerdings sind damit noch nicht alle Williams-Probleme auf einen Schlag beseitigt.

Nach zwei Latifi-Crashs in Jeddah und einem Unfall in Melbourne ist die Ersatzteillage angespannt. Zum Glück hatten die Ingenieure schon bei der Produktionsplanung im vergangenen Herbst berücksichtigt, dass die Ersatzteilversorgung bei den ersten Übersee-Rennen schwierig ist. Und dass die Mauern auf den Stadtkursen besonders nahe an der Piste stehen.

Trotzdem muss jetzt nachproduziert werden. Das verfügbare Budget hätte man natürlich lieber dazu verwendet, Upgrades herzustellen. Weil die Entwicklung im Windkanal aber noch nicht so weit ist, entsprechen die neuen Ersatzteile weitestgehend noch dem alten Stand.

Jost Capito - GP Australien 2022
Wilhelm
Laut Teamchef Jost Capito ist der erste WM-Punkt besonders wichtig für die Moral.

Williams-Baustellen: Balance, Abtrieb, Gewicht

Dabei muss Williams noch einige andere Baustellen mit dem FW44 beseitigen. Die Fahrer beklagen sich zum Beispiel regelmäßig über die schlechte Balance, die es nicht zulässt, das volle Potenzial abzurufen. "Daran arbeiten wir schon seit den Testfahrten in Bahrain. Wir haben bereits Fortschritte erzielt. Und wir haben noch ein paar Upgrades in der Pipeline, die das Problem weiter lindern sollten", verspricht Robson.

Das Bouncing sei dagegen aktuell kein großes Thema. Mit der Fahrzeughöhe bewege man sich fast im perfekten Aerodynamik-Fenster. "Was wir aber brauchen, ist einfach noch mehr Abtrieb. Das hilft dann auch mit den Reifentemperaturen und macht uns überall schneller", so Robson. "Allerdings muss man bei der Weiterentwicklung aufpassen, dass man nicht in die gleichen Probleme läuft wie Mercedes und Aston Martin."

Die beiden genannten Teams können wegen des starken Bouncings nicht den Abtrieb abrufen, den der Windkanal verspricht. Die Formel-1-Ingenieure müssen komplett umdenken. "Alles ist anders als früher. Man muss versuchen, den Abtrieb zu erhöhen, ohne dass sich das restliche Fahrverhalten ändert. Da kann man leider nicht auf die Erfahrungen von früher zurückgreifen."

Für High-Downforce-Strecken wie Barcelona und Monaco hat Williams schon einen größeren Flügel in der Planung. "Aber das ändert nichts am Kräfteverhältnis", erklärt Robson. "Man muss Abtrieb finden, ohne dabei zu sehr den Luftwiderstand zu erhöhen. Dieser effiziente Abtrieb lässt sich vor allem mit den Elementen produzieren, die den Luftstrom in den Unterboden beeinflussen. Das ist der Bereich, den sich alle genau anschauen."

Williams - GP Australien 2022
ams
An der Airbox und am Seitenkasten wurde viel blaue Farbe vom Williams gekratzt, um das Gewicht runterzubringen.

Neue Lackierung für Melbourne

Auch das DRS am Heckflügel sei laut Robson aktuell nicht "state of the art". Heißt: Das Speed-Delta zwischen geöffnetem und geschlossenem Flügel ist bei anderen Autos größer. Und dann kämpfen die Williams-Ingenieure, wie so viele andere Teams, auch noch mit einem Gewichtsproblem.

Das war in Melbourne sogar von außen erkennbar: "Wir haben die Lackierung geändert. Dabei ging es zum großen Teil darum, das Gewicht nach unten zu bekommen. Ich weiß nicht genau, wo wir uns genau in die Übergewichtstabelle im Feld einsortieren, aber es ist absolut eine Herausforderung, unter das Limit zu kommen", so Robson.

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass der Williams FW44 mit seinen extrem abfallenden Seitenkästen noch nicht die Pace generiert, die man sich erhofft hatte. Die Zahlen entsprechen nicht den Zielvorgaben. Nun lautet die Frage, ob man nicht lieber einen radikalen Schnitt macht und auf ein anderes Konzept umschwenkt.

"Natürlich schauen wir uns für das Ende des Jahres oder für die nächste Saison schon an, ob man das Konzept nicht grundlegend ändern muss", erklärt Robson. "Aber für den Moment glauben wir daran, dass wir noch mehr aus dem aktuellen Paket holen können."

Bei der Weiterentwicklung müssen die Ingenieure aber immer die Budget-Grenze im Blick behalten: "Da stellt sich für uns die Frage, zu welchem Zeitpunkt man Sachen aus dem Windkanal an die Strecke bringt. Ob es nicht besser ist, noch weiter zu entwickeln und einen Moment zu warten. Wann man am meisten für sein Geld bekommt. Das hängt natürlich auch davon ab, wann die anderen Teams mit Upgrades kommen. Das gehört alles zum großen Spiel dazu. Es macht Spaß, aber es ist auch extrem schwierig."

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