Nach dem GP USA blieb ein ungutes Gefühl. Lewis Hamilton und Charles Leclerc wurden disqualifiziert, weil die hinteren Schutzplatten an den Befestigungen der Planke unter dem Auto zu stark abgeschliffen waren. Bei Hamilton um zwei, bei Ferrari um 0,3 Millimeter zu viel. Die Autos von Max Verstappen und Lando Norris waren im legalen Bereich. Alle anderen wurden nicht kontrolliert. Hamilton ist sich sicher: "Hätten sie alle gemessen, hätte es noch ein paar andere erwischt."
Das Fahrerlager-Echo vertrat die Meinung: "Entweder werden alle kontrolliert oder gar keiner." Doch geht das überhaupt? Bei Haas meinte man, dass die Entfernung der Titanplatten an den Befestigungspunkten der Schutzplanke eine Angelegenheit von zwei Minuten sei. Bei anderen muss die ganze Planke demontiert werden, um an die Abdeckungen zu kommen. Das kann bis zu 20 Minuten dauern.

Die Skid Blocks sind wie die Planke an sich eine große Spielwiese für die Ingenieure.
Die komplizierte Formel 1
Der Schwachpunkt liegt im Reglement. Weder die Planke, noch die Skid Blocks sind ein Einheitsteil. Jedes Team hat individuelle Konstruktionen und davon teilweise zwei bis drei Varianten, abhängig vom Streckentyp. Und die Teams ändern diese Spezifikationen alle paar Rennen. "Das ist derzeit eines der größten Entwicklungsfelder überhaupt. Jeder hat seine eigenen Ideen, wie er die Platte und die Skids beim Aufschlagen auf die Straße dämpft", erzählt uns ein FIA-Mann.
Mercedes-Teamchef Toto Wolff bestätigt: "Du holst die meiste Rundenzeit mit dem, was unter dem Auto passiert. Logisch, dass da viel Aufwand in die Entwicklungsarbeit gesteckt wird."
Man muss sich das Arrangement unter dem Auto so vorstellen. Da ist eine zehn Millimeter dicke Platte aus Kunststoff oder Holz, die im Mittelteil des Autos an den Boden geschraubt wird. Diese Schutzplanke wird vorne und hinten an je einer Stelle und in der Mitte an zwei mit diversen Befestigungsschrauben arretiert. Rund um diese Schrauben werden Titanplatten angebracht, die bündig mit der Planke sind. Nützt sich der Skid ab, ist das gleichbedeutend mit Verschleiß der Planke. Maximal ein Millimeter ist erlaubt.
So tricksen die Teams
Die FIA misst nur an den Skids, weil dort bestimmte Vorschriften für die Steifigkeit der Planke gelten. Die Teams haben in der Groundeffect-Ära damit angefangen, die Stöße von der Fahrbahn durch Dämmmaterial zwischen Platte und Boden oder durch elastische Skids abzufedern. Das bedeutet weniger Verschleiß und in letzter Instanz, dass man niedriger fahren kann und damit mehr Abtrieb produziert.
Erst beim GP Singapur wurde eine neue Technische Direktive umgesetzt, die das Dämmmaterial rund um die Skids auf zwei Millimeter beschränkt. Einer, der es wissen muss, verrät: "Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, auf welche Ideen die Teams kommen, diese Regel auszubremsen. Da wird mit Mini-Federn und elastischen Materialien gearbeitet, nur damit sich die Planke bei Bodenkontakt nicht so stark abnutzt."
Das Messprocedere ist nicht so einfach wie man es sich vorstellt. Selbst die Skids werden nur an einer Stelle gecheckt. Nämlich dort, wo das Reglement den steifsten Punkt vorschreibt. Drumherum muss die Steifigkeit 90 Prozent des Maximalwerts betragen. Um das zu messen, müssen die Skids entfernt werden.

Die Teams arbeiten mit verschiedenen Planken und unterschiedlichen Spezifikationen der Skid Blocks.
Skids und Planke eigentlich überflüssig
Das aber ist nicht so trivial wie es sich anhört. Die Technikkommissare unter der Leitung von Jo Bauer müssen zuerst einmal eruieren, welche Spezifikation an Skids gerade in den jeweiligen Autos verbaut ist. Und dann müssen sie im Demontage-Protokoll nachschauen, wie man am besten an die Titanplatten herankommt. Manche sind nicht nur verschraubt, sondern auch verklebt. Damit wird deutlich, dass eine hundertprozentige Kontrolle gar nicht möglich ist.
Um diesen Wahnsinn zu verhindern, müsste die FIA einfachere Regeln schreiben. Entweder Planke und Skids zum Einheitsteil erklären oder ganz auf die Planke verzichten. Der Grenzwert ist, was der Fahrer aushält. Damit das nicht ausufert und auf die Gesundheit der Fahrer geht, hat der Verband in Spa 2022 eine neue Regel eingeführt. Die FIA misst permanent bei jedem Auto wie stark es auf der Straße aufsetzt. Wird ein bestimmtes Limit überschritten, wird das Fahrzeug als "gefährliche Konstruktion" eingestuft und disqualifiziert.
Diese Messung gibt den FIA-Prüfern schon früh eine Indikation, welche Autos am Ende des Rennens im kritischen Bereich landen könnten. Es war kein Zufall, dass man Hamiltons Mercedes und Leclercs Ferrari ausgesucht hat. Dazu hat man mit Norris und Verstappen noch zwei direkte Konkurrenten herangezogen, um zu zeigen, dass es keine Kampagne gegen bestimmte Teams ist.
Gegen einfachere Regeln sprechen im Fall der Planke zwei Dinge. Die Teams wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, weil sie in der individuellen Auslegung der Komponenten einen nicht unerheblichen Performance-Vorteil sehen. Und gewisse Kreise in der FIA wollen komplizierte Regeln, die man brechen kann. Die Prüfhoheit gibt dem Weltverband auch eine Form von Macht.