Eigentlich soll das Safety Car für Sicherheit auf der Rennstrecke sorgen und nicht in den Schlagzeilen stehen. Letzteres tat es aber in den letzten Monaten. Beim Saisonfinale der Formel 1 2021 in Abu Dhabi warf die Rennleitung den eigentlichen Ablaufplan kurzerhand über den Haufen, was die Weltmeisterschaft zugunsten von Max Verstappen und Red Bull drehte. Zuletzt beim Großen Preis von Australien machte sich der Weltmeister über den Aston Martin Vantage mit dem Signalbalken auf dem Dach lustig.
Verstappen verspottete das britische Luxusfahrzeug als Schildkröte. Für seinen Geschmack war es auf der Strecke nach einem Unfall viel zu langsam unterwegs gewesen, weshalb die Reifen an den Formel-1-Autos zu stark auskühlten. Ferrari-Pilot Charles Leclerc verteidigte Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer, der seiner Ansicht nach am Limit des Aston Martin gewesen sei. Mehr ginge nicht. Mercedes-Pilot George Russell meinte amüsiert, man solle besser den Mercedes-AMG GT Black Series nehmen, der fünf Sekunden schneller sei.

FIA schützt Aston Martin
Es war ein PR-Desaster für Aston Martin, das den Weltverband FIA ein paar Tage später dazu veranlasste, eine Pressemitteilung herauszugeben. Natürlich mit dem Anliegen, die britische Traditionsmarke in ein besseres Licht zu rücken. "Die FIA möchte noch einmal betonen, dass die primäre Funktion des Safety Cars natürlich nicht die absolute Geschwindigkeit ist, sondern die Sicherheit der Fahrer, Streckenposten und Offiziellen", heißt es in dem Statement.
Die FIA verweist darauf, dass die Rennleitung über das Safety Car und dessen Geschwindigkeit verfüge. Der geforderte Speed hänge prinzipiell vom Vorfall auf der Rennstrecke ab, ob sich zum Beispiel Streckenposten um eine Unfallstelle bewegen oder ob Fahrzeugteile vom Asphalt gekehrt werden müssen.
Natürlich kann kein Straßensportwagen dieser Welt so schnell fahren, dass an einem Formel-1-Auto die Reifen und Bremsen nicht zu sehr auskühlen. Die FIA hält deshalb fest: "Der Einfluss der Geschwindigkeit des Safety Cars auf die Leistung der nachfolgenden Fahrzeuge ist zweitrangig, da der Einfluss auf alle Teilnehmer gleich ist, die wie immer für eine jederzeit sichere Fahrweise verantwortlich sind gemäß des Zustands ihres Autos und der Rennstrecke."

535 gegen 730 PS
Nichtsdestotrotz lassen sich die beiden Safety Cars untereinander vergleichen. Auch wenn es ein unfairer Vergleich ist, wie die Daten zeigen werden. Seit 2021 teilen sich Mercedes-AMG und Aston Martin die Aufgaben. Damals setzte Mercedes den 585 PS starken AMG GT R als Safety Car ein und die Briten ihren Vantage. Für diese Saison gab es ein massives Upgrade aus Affalterbach.
AMG schwenkte auf das Vorzeigemodell GT Black Series um, während Aston Martin alles beim Alten beließ. Ein solches Hochleistungsmodell à la AMG auf Vantage-Basis hat der Hersteller aus Gaydon auch gar nicht im Portfolio. Daraus entwickelt sich nun ein Ungleichgewicht, das für Aston Martin unangenehm ist. Eines, das den Vantage in Australien, wo er seinen ersten von 12 geplanten Einsätzen in diesem Jahr hatte, entblößte.
Aus dem Safety Car hat Aston Martin eine Straßenversion mit dem Namen "F1 Edition" abgeleitet. Sie hat wie das grüne Sicherheitsfahrzeug eine Leistung von 535 PS (bei 6.000/min), die aus einem V8-Motor mit zwei Turboladern und einem Hubraum von vier Litern entspringt. Dieser Motor mit Cross-Plane-Kurbelwelle stammt von AMG, und treibt diverse Straßensportwagen an. Für den Black Series hat Affalterbach eben diesen Motor auf Links gedreht und dadurch die Leistung massiv erhöht.

AMG sprintet schneller
Größte Konzeptänderung: Statt auf die Cross-Plane-Kurbelwelle setzen die Motoreningenieure auf eine Flat-Plane-Kurbelwelle. Dazu vergrößert man die Turbolader, verbaut neue Nockenwellen und Abgaskrümmer, vergrößert die Ladeluftkühler und verstärkt die Kolben. Die Liste an weiteren Umbaumaßnahmen ist noch länger. Das Ergebnis: Der Achtzylinder im AMG-Safety-Car leistet 730 PS, die zwischen 6.700 und 6.900 Touren streuen. Das sind fast 200 PS mehr als im Aston Martin Vantage. Zur Einordnung: Zwischen GT R und Vantage lagen damals 50 PS.
Das maximale Drehmoment gibt Mercedes mit 800 Newtonmeter zwischen 2.000 und 6.000 Umdrehungen an. Bei Aston Martin sind es "nur" 685 Nm zwischen 2.000 und 5.000 Touren. Entsprechend jagt das AMG-Safety-Car schneller auf 100 km/h. Den Imagespurt entscheidet Deutschland mit 3,2 zu 3,6 Sekunden für sich. Nicht nur beim Motor gibt es Unterschiede, sondern auch bei der Kraftübertragung. Mercedes koppelt den Motor an ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe, Aston Martin an eine Achtgangautomatik.
In Bahrain war Bernd Mayländer im Vergleich zwischen dem alten Safety Car AMG GT R (2021) und dem aktuellen Black Series etwa fünf Sekunden schneller. Und schon der damalige Mercedes war schneller als der Aston Martin. Den Unterschied macht die Leistung – aber vor allem der Anpressdruck und Grip in den Kurven. Beide Safety Cars stehen nicht auf Semi Slicks, sondern auf Reifen, die auch im Nassen performen müssen.

Abtriebs-Monster Black Series
In den Kurven hängt der Black Series das grüne Safety Car ab. Verantwortlich dafür ist das geringere Gewicht, das bessere Fahrwerk und die bessere Aerodynamik. Für das Gewicht nehmen wir die Serie her. sport auto hatte sowohl den Black Series als auch die Vantage F1 Edition im Test. Der Mercedes wiegt vollgetankt 1.630 Kilogramm, der Aston 1.723 Kilo.
Mit der aktiven Aerodynamik sticht der Black Series. Der Abtrieb soll bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h bei 249 Kilogramm liegen. Den aufgerüsteten Aston Martin Vantage pressen rund 155 Kilogramm bei einem Tempo von 200 km/h auf die Straße. Der Gesamtabtrieb des Black Series erreicht astronomische Höhen: bei 250 km/h sollen es bereits mehr als 400 Kilogramm sein.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen, dass die Safety Cars selten mit 200 km/h durch Kurven fahren. Die Geschwindigkeiten sind geringer. Der Abtrieb hilft besonders beim Anbremsen, weil er für Stabilität und damit spätere Bremspunkte sorgt. Den AMG stoppt eine Keramik-Hochleistungs-Verbundbremsanlage. Den Aston Martin eine Carbon-Keramik-Bremse. Gleichstand in dieser Beziehung. Mit seiner Traktionskontrolle, die in neun Stufen den Schlupf an der Hinterachse justiert, erarbeitet sich der Black Series wieder einen Vorteil. Generell punktet er durch sein Gewindefahrwerk in Kurven.
Keine Chance für Aston Martin
"Hohe Kurvengeschwindigkeiten, dynamische Zwischenspurts und schnelle Rundenzeiten – das Anforderungsprofil der FIA für das Safety Car ist anspruchsvoll", heißt es in der Mercedes-Pressemitteilung zum eigenen Safety Car. Der Black Series erfüllt diese Aufgaben wie noch kein anderes Safety Car in der Geschichte der Formel 1. Klar, weil er ein Rennwagen für die Straße ist, und aussieht wie ein GT3 oder GT4.
Auch Aston Martin nutzt für das Safety Car die Erfahrung aus dem GT-Rennsport. Das betont man explizit. Der Vantage sei adaptiert für den ultimativen Speed und das ultimative Handling, um der wichtigen Rolle in der Formel 1 gerecht zu werden. Das mag stimmen. Doch dem roten Überflieger ohne Signalbalken auf dem Dach kommt der Vantage nicht hinterher. Muss er auch gar nicht, weil er die Aufgabe erfüllt. Nur bleibt das nicht in den Köpfen der Leute haften. Dort verankert sich ein flotter "Schildkröten-Spruch" schneller und nachhaltiger.