Unruhe Ferrari & Red Bull: Vorteil für Mercedes?

Unruhe bei Ferrari und Red Bull
Der Gewinner könnte Mercedes sein

Zuletzt aktualisiert am 01.12.2022

Es sind komische letzte Monate gewesen in der Formel 1. Red Bull gewinnt beide Weltmeisterschaften. Souverän und mit einer Rekordbilanz. Und dennoch gab es rund um den Rennstall aus Milton Keyes viel Unruhe. Ferrari wird WM-Zweiter. Trotzdem vollzieht Maranello die Trennung von Teamchef Mattia Binotto. Die Mehrheit hatte schon vorher gewarnt, Ferrari begehe einen Fehler. Nur CEO Benedetto Vigna und Oberhaupt John Elkann hörten nicht zu.

Red Bull wurde seit September mit negativer PR überzogen. Die Affäre um den überzogenen Budget Cap. Der geplatzte Zusammenschluss mit Porsche. Der Tod von Firmenchef Dietrich Mateschitz. Die verweigerte Stallregie von Max Verstappen in Brasilien. Schlagzeilen, die Red Bulls Führungsspitze, ob in Milton Keyes oder Fuschl am See nicht gefallen.

Die Ergebnismaschine Red Bull rollte trotzdem bis zum letzten Saisonrennen. Die einzige Ausnahme war Brasilien. In Abu Dhabi kehrte Verstappen ungefährdet auf die Siegerstraße zurück. Ferrari sicherte mit Charles Leclerc den zweiten Platz in der Fahrer-WM ab und als Team den zweiten Rang hinter Konstrukteurs-Champion Red Bull. Mercedes war chancenlos – und geht dennoch gestärkt in die lange Winterpause. Warum?

Oliver Mintzlaff - Red Bull - GP Abu Dhabi 2022
Red Bull

Was macht Mintzlaff?

Weil bei den großen Rivalen eine gewisse Unruhe herrscht und man sich selbst über die Enticklung an die Spitzenautos heranpirschte. Bei Mercedes spürt man eine Art Aufbruchstimmung. "Wir haben es 2022 nicht hinbekommen. Wir lagen falsch", sagt Teamchef Toto Wolff. "Aber alle Säulen, um zurückzukehren, stehen. So ein Jahr war auch notwendig, um dem Betrieb neue Energie einzuhauchen und die Mitarbeiter frisch zu motivieren. Die ausbleibenden Erfolge haben uns zurück auf den Boden geholt."

Mercedes muss noch aufholen. Das Team hat zwar einen großen Batzen des Rückstands inzwischen eliminiert. Doch Abu Dhabi zeigte, dass Red Bull immer noch ein paar Zehntel voraus ist. Der Red Bull ist auf jeder Strecke schnell, der Mercedes nur dann wenn alle Parameter stimmen: Beschaffenheit von Asphalt und Randsteinen, maximaler Abtriebslevel, wenig Geraden. In Brasilien sah Mercedes so gut aus, weil Red Bull bei der Abstimmung komplett daneben lag.

Die Weltmeister-Autos fuhren selbst in Abu Dhabi nicht in Idealkonfiguration, und waren trotzdem die schnellsten. Red Bull schraubte ältere Teile ans Auto, was ins Gewicht ging. Man hat ein bisschen mehr Rundenzeit in der Hinterhand, als es auf den ersten Blick erscheinen mag.

Und Milton Keynes hat eine starke Technikabteilung. Die Ingenieure wissen, woran sie arbeiten müssen. Allerdings scheint es im Umfeld zu rumoren. Lässt der neue starke Mann im Red-Bull-Reich, Oliver Mintzlaff, das Team weiter arbeiten oder mischt er sich ein? Von außen betrachtet: Mintzlaff wäre gut beraten, wenn er Red-Bull-Teamchef Christian Horner und Sportchef Helmut Marko weiter machen lässt. Drei WM-Pokale in zwei Jahren sind der beste Beweis dafür, dass das System Red Bull in der Formel 1 funktioniert. Jetzt Veränderungen herbeizuzwingen, könnte schwer nach hinten losgehen.

Ferrari - Formel 1 - GP Abu Dhabi 2022
Wilhelm

Keiner will Ferrari-Teamchef sein

Die Strafe für den Verstoß gegen den Budgetdeckel – weniger Zeit im Windkanal und weniger Kapazität mit CFD – ist ein Laster. "Jeder Schuss in der Entwicklung muss sitzen", fordert Marko. Die effiziente Mannschaft muss noch effizienter werden. Eine Entwicklungsschleife, die keine Ergebnisse auf der Rennstrecke abwirft, dürfte Red Bull empfindlich treffen. Man hat einen Vorsprung auf Mercedes, doch den wird man nur verteidigen können, wenn alle an einem Strang ziehen. Und das Team im gewohnten Umfeld arbeiten darf.

Noch immer ungeklärt ist, was zwischen den Fahrern vorgefallen ist. Wieso machte Verstappen keinen Platz für Sergio Perez? Es riecht danach, dass da mehr sein muss als der angeblich inszenierte Unfall des Mexikaners in der Qualifikation von Monaco. Wäre Verstappen deshalb sauer, hätte er nicht Monate mit einem Revanchefoul gewartet. Da passt auf jeden Fall etwas nicht zusammen.

Ferrari hat sich das ruhige Umfeld bereits zerschossen. Im Januar wird ein neuer Chef den Dienst antreten. Falls die Scuderia bis dahin einen gefunden hat. Es ist schon irre. Ferrari ist der größte Name. Das Real Madrid der Formel 1. Eigentlich müssten sich Teamchefs um diesen Posten schlagen. Doch so recht scheint keiner den (Schleuder-) Sitz in Maranello haben zu wollen. "Das machst du nur, wenn du sonst keine Optionen hast", sagt einer im Fahrerlager.

Frederic Vasseur? Ferrari-GT-Chef Antonello Coletta? Doch ein anderer? Egal, wer es macht, der neue Teamchef wird sich einarbeiten müssen. Er wird Zeit brauchen, seine Vorstellungen zu verwirklichen. Sicher scheint zu sein, dass der neue Rennleiter keine Ingenieure aus anderen Teams wird mitbringen können, um die Strukturen und Prozesse zu stärken. Jedenfalls nicht sofort.

Red Bull - Mercedes - Ferrari - GP USA 2022 - Austin
Wilhelm

Riesige Aufgabe für Mercedes

Ferrari-Fans können nur hoffen, dass sich die Technikabteilung nicht von den vielen Störfeuern intern und extern ablenken lässt. Dass es einen Plan gibt, wie sie die gute Basis namens F1-75 punktgenau weiterentwickeln. Ferrari hat dafür mehr Entwicklungskapazitäten als Red Bull und weniger als Mercedes. Brackley darf den Windkanal per Reglement als WM-Dritter stärker belegen. Im Idealfall schieben sich deshalb die Top 3 im nächsten Jahr zusammen.

Es könnte aber sein, dass Mercedes zum großen Gewinner wird. Hier herrscht Ruhe. Die Ingenieure wissen um die Baustellen. Beim Spitzenabtrieb war Mercedes bereits 2022 die Nummer eins vor Ferrari und Red Bull. Allerdings funktionierte das Konzept nur in einem Fenster, das schmal wie ein Briefkastenschlitz war. Es ist die große Aufgabe für Mercedes, es zu vergrößern.

Der W14, so hört man, muss sich äußerlich nicht groß vom W13 unterscheiden. Man darf davon ausgehen, dass Mercedes großflächig am Unterboden ändert und speziell an der Hinterachse nacharbeitet. Der Luftwiderstand muss drastisch gesenkt werden. Mercedes braucht effizienten wie stabilen Abtrieb, um auf den Geraden schneller zu werden, und den Fahrern in den Kurven ein berechenbares Auto hinzustellen. Beides hatte man 2022 nicht. Das ist schon eine riesige Aufgabe für die Ingenieure.

Red Bulls Joker die Anstellung?

Man muss ihnen zutrauen, die Aufgabe zu meistern. Selbst ihre Red-Bull-Kollegen sind beeindruckt, wie analytisch die Mercedes-Ingenieure arbeiten. Wie Brackley Prozesse strafft und die Entwicklungstools anpasst, um besser zu werden. Eine Frage bleibt: Wer verliert wie viel durch die um 15 Millimeter nach oben gebogenen Kanten des Unterbodens. Die FIA beziffert den Verlust auf 15 bis 20 Punkte an Abtrieb.

Auch von 2020 auf 2021 wurde der Unterboden beschnitten. Damals vor den Hinterrädern. Damals zum Vorteil von Red Bull. Mercedes sieht den Rivalen wieder im Vorteil. Red Bull habe schon zum Ende der abgelaufenen Saison den RB18 wieder stärker im Heck angestellt. Das könnte auch mit den veränderten Unterboden-Regeln für 2023 ein Joker sein.