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Red Bull, Ferrari & Mercedes zu schnell
Darum sind die Topteams so weit voraus

Das neue Regelwerk sollte das Formel-1-Feld zusammenrücken lassen. Im ersten Jahr hat es nicht funktioniert. Red Bull, Ferrari und Mercedes spielen weiter in einer anderen Liga als das Mittelfeld. Ihr Vorsprung auf die restlichen Teams fußt auf unterschiedlichen Erfolgsfaktoren. Wir nennen sie.

Max Verstappen - Red Bull - GP Mexiko 2022
Foto: Wilhelm

Es ist der große Wunsch des Formel-1-Managements seit der Übernahme durch Liberty Media. Darauf arbeitet es seit der Übernahme der Formel 1 hin. Es soll mehr Abwechslung ins Feld. Es sollen nicht immer die gleichen drei Teams gewinnen. Die Formel 1 soll ein Sport werden, der nicht mehr so berechenbar ist. Dafür strickten Formel 1 und FIA das Regelwerk um. Dafür entwarfen sie eine Budgetobergrenze, die seit der Saison 2021 die Ausgaben deckelt, und den Hoffnungslosen wieder Hoffnung schenkt – eines Tages aus eigener Kraft zu gewinnen.

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Im Prinzip sind sich alle einig. Man hat die richtigen Werkzeuge bestimmt und dreht an den passenden Stellschrauben, damit das Feld zusammenrückt. Teams können sich den Erfolg mit Mammut-Budgets von einer halben Milliarde nicht einfach mehr kaufen. Sie müssen mit ähnlichen Beträgen wirtschaften. Die Autos sind nicht mehr so komplex wie früher. Und doch hat sich im ersten Jahr der Regelrevolution nichts verändert.

F1-Mittelfeld teilweise überrundet

Die großen Drei sind weiter dominant. Red Bull, Ferrari und Mercedes teilen sich die Podestplätze untereinander auf. Einzige Ausnahme war Lando Norris beim GP Emilia-Romagna. Und das auch nur, weil Charles Leclerc in der Variante Alta ins Aus rutschte, was einen Reparatur-Stopp bedingte. Sonst hätten Red Bull, Ferrari und Mercedes alle Podestplätze der Formel-1-Saison 2022 eingenommen. Im Jahr davor hatten es noch acht Rennställe aufs Podest geschafft: Mercedes (28), Red Bull (23), McLaren und Ferrari (je 5), Alpine (2), Alpha Tauri, Aston Martin und Williams (je 1).

Eigentlich ist es 2022 noch schlimmer geworden. Zu Beginn der Saison kämpften Red Bull und Ferrari um die Spitze. Mercedes war weit weg. Das Mittelfeld im Renntrimm noch weiter. Ab Mitte der Saison setzte sich Red Bull ab und holte zwischen dem GP Frankreich und GP Mexiko sogar neun Siege in Serie. Ferrari fiel ab dem GP Belgien zurück, Mercedes holte langsam auf. In Summe kommt Red Bull auf 17 Saisonsiege, Ferrari auf vier und Mercedes auf einen.

Das Mittelfeld ist eine Sekunde weg von der Spitze. In der Qualifikation kann der Abstand je nach Rennstrecke mal schrumpfen. Die Reifen können Defizite der Mittelfeldautos kaschieren. Im Rennen geht die Schere auf. In Mexiko beispielsweise überrundete Sieger Max Verstappen alle Mittelfeldautos. Nur die ersten sechs – also Red Bull, Mercedes und Ferrari – blieben innerhalb derselben Rennrunde.

Charles Leclerc - Ferrari - Formel 1 - GP Österreich 2022 - Spielberg - Rennen
Wilhelm
Die Topteams der Formel 1 haben weiter einen großen Vorsprung auf das Mittelfeld.

Topteams mit Personalvorteil

Die Topteams durchlebten zwar Qualen, um unter den Budgetdeckel zu kommen. Was Red Bull im ersten Jahr nicht schaffte. Sie bauten Personal ab, was sie an die Schmerzgrenze brachte. Und doch haben sie nichts von ihrem Vorsprung eingebüßt. Das hat Gründe. Um es auf eine einfache Formel zu bringen. Mehr Leute haben mehr Ideen. Bessere Werkzeuge bringen eine präzisere Entwicklung. Großer Wettbewerb und die Gier nach Siegen hat sie nahe an die Perfektion gebracht.

Zunächst einmal haben die drei Topteams noch immer die meisten Angestellten. Und sie haben die besten Ingenieure in ihren Reihen. Sie hatten vor Beginn der Budget-Cap-Ära das meiste Geld, also zahlten sie auch das meiste Gehalt. Sie konnten ihr Personal am besten fördern. All das zahlt sich für Red Bull, Ferrari und Mercedes aus. Sie beschäftigen in etwa dreimal so viele Angestellte wie beispielsweise Haas. Entsprechend höher ist der Output an Ideen. Das beschleunigt die Entwicklung des Autos in der Fabrik und muss Auswirkungen auf die Performance auf der Rennstrecke haben.

F1-Topteams suchen im Detail

Die Spitzenteams sind auch dann im Vorteil, wenn alle die Entwicklung eines neuen Autos auf einem weißen Blatt beginnen. "Wir haben 300 Designer, sie 600", formuliert es Aston-Martin-Teammanager Andy Stevenson überspitzt. 300 mehr, die das Reglement durchforsten; die es auf Grauzonen abklopfen; die nach Lücken suchen. So gab die wahrscheinlich größte Regelreform der Formel-1-Geschichte zwar allen eine neue Chance. Doch eben nur in der Theorie. Die Topteams hatten schon einen Vorsprung durch ihre Größe und Strukturen. Sie starteten den 100-Meter-Lauf schon bei 50 Metern, während der Rest an der Startlinie versammelt war.

Obendrauf kommt: "Die Topteams haben gelernt, an den winzigsten Details zu arbeiten. Das mussten sie, weil der Wettbewerb an der Spitze so umkämpft war. Ein restriktives Regelwerk wie das aktuelle ist da von Vorteil. Weil es auf die Details ankommt", schildern Red Bulls Ingenieure. Oder anders: Die Topteams haben die beste Infrastruktur und die besten Methoden, um auch unter der Obergrenze am effektivsten und effizientesten zu arbeiten.

Verlieren war für Red Bull, Mercedes und Ferrari ohne Kostenobergrenze auf Dauer einfach zu teuer. Wer 350 bis 500 Millionen Euro pro Saison ausgibt, dem bereiteten zweite oder dritte Plätze qualvolle Schmerzen. Und trieb sie in eine Art Paranoia, die unter den aktuellen Regeln zu einer Stärke geworden ist. Die Suche nach der kleinsten Winzigkeit.

Mercedes - Brackley - Fabrik
Mercedes
Windkanal, Simulator, Prüfstand, Werkzeuge: Die Topteams sind überall voraus.

Beste Entwicklungstools der Formel 1

Die Topteams haben neben der Manpower noch einen entscheidenden Vorteil: ihre Werkzeuge. Sie haben vor dem Budget Cap massiv in Windkanal, Simulatoren, Prüfstände und Computer-Programme investiert. Es war ein Wettrüsten, das ihnen einen großen Vorsprung beschert hat. "Durch die Investments haben sie nicht nur Maschinen bekommen, sondern extrem viel Knowhow aufgebaut", sagt Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer. "Nehmen wir die Reifenmodelle. Da sind die Topteams detaillierter als wir. Wenn du hier einen besseren Abgleich zwischen Simulation und Realität hast, bist du im Vorteil."

Szafnauer nennt noch ein Beispiel: "Die Topteams haben Prüfstände für die Bremsen. Wir nicht. Wir mieten uns einen für fünf Tage von Mercedes. Wir haben einen veralteten Driver-in-Loop-Simulator. Fragen Sie mal bei den Großen nach. Die haben mehrere." Red Bull, Ferrari und Mercedes haben Tools in ihren Fabriken, von denen andere nur träumen können. Zum Beispiel auch den sogenannten VTT (Virtual Test Track) – ein Prüfstand, auf dem das ganze Auto läuft. "Wir sind mit unseren Werkzeugen meilenweit vor dem Mittelfeld", sagen die Mercedes-Ingenieure. Der WM-Vierte Alpine hat erst kürzlich einen VTT in Betrieb genommen. Seit Oktober gibt es einen im Motorenwerk Viry-Châtillon.

McLaren, WM-Fünfter, hat keinen VTT. (Ex-)Teamchef Andreas Seidl will den Nachteil nicht zu hoch hängen. "Du nutzt ihn größtenteils vor der Saison, um das Auto auf Haltbarkeit abzuklopfen. Um zu überprüfen, wie die Power Unit im Auto funktioniert und ob mit dem Kühlkonzept alles stimmt." Dafür mietet sich McLaren bei AVL in Graz ein. Der Betrieb dort mag hocheffizient sein. Aber alles unter einem Dach zu machen ist effizienter. Und in der Formel 1 zählt jeder noch so kleine Vorteil.

Red Bull, Mercedes, Ferrari machen alles

Mercedes und Ferrari entwickeln in einem hochmodernen Windkanal. Red Bull baut einen neuen, der 2024 oder 2025 ans Netz gehen soll. Denn Nachteil eines alten Windkanals kann Red Bull ausgleichen, weil man in der CFD-Entwicklung einen Vorteil hat – und die präzisesten Messdaten auf der Rennstrecke gewinnt. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, man solle sich nicht vom Äußeren der denkmalgeschützten Anlage in Bedford täuschen lassen. Es dauert zwar, bis im Betongebäude die gewünschte Temperatur und Windgeschwindigkeit erreicht ist, dann liefert der Windkanal aber zuverlässige Qualität.

Nicht umsonst verweist (Ex-)McLaren-Teamchef Andreas Seidl auf die defizitäre Infrastruktur seines Teams im Vergleich mit den Branchengrößen. McLaren rüstet mit einem neuen Windkanal und Fahrsimulator auf. Allerdings kommen die weltweiten Krisen dazwischen. Die neuen Entwicklungswerkzeuge werden erst Mitte 2023 fertig sein. Und dann müssen die Ingenieure sich erstmal mit den neuen Produkten vertraut machen und sie mit der Wirklichkeit korrelieren.

Der 2024er McLaren wird wieder ein Zwitter. Halb in Woking, halb in Köln entwickelt. McLaren schleppt diesen Nachteil also noch eine ganze Weile mit sich herum. Man nutzt den Toyota-Windkanal in Köln, der aber nicht auf dem neuesten Formel-1-Standard ist. Er ist älter als zehn Jahre. Die Entwicklungsarbeit an zwei Standorten – in Woking und mit einer kleinen Gruppe in Köln – ist im Vergleich zu den Topteams ineffizient. Auch im Vergleich zu Mittelfeldrivale Alpine: "Wir haben einen vernünftigen Windkanal in Enstone, der zuverlässige Ergebnisse produziert", sagt Alpine-CEO Laurent Rossi.

Aston Martin investiert massiv in den Standort Silverstone. Aktuell entwickelt man das Auto im Mercedes-Windkanal in Brackley. Aston Martin mietet sich dort ein. Der Betrag wird vom Budget Cap abgezogen, fehlt dem Team also in der Entwicklung. Red Bull, Mercedes und Ferrari entwickeln ihr Auto unter einem Dach. Sie machen alles selbst. Mercedes und Ferrari sogar den Motor. Red Bull bekam ihn als Werksteam von Honda maßgeschneidert. Ab 2026 baut man den Verbrenner selbst.

Ferrari - Maranello - Simulator
Ferrari
Infrastruktur und Manpower: Ferrari, Mercedes und Red Bull haben vor der Budgetdeckelung vorgesorgt.

Topbesetzung auch in Reihe zwei

Die 150 Kilogramm schwere Power Unit, die Nebenaggregate, die Kühler: Wer Motor und Auto selbst konstruiert, hat Vorteile beim Packaging, also wie man alles im Auto unterbringt: für die Aerodynamik, für den Schwerpunkt. Die Kundenteams müssen mit dem Leben, was ihnen die Hersteller hinwerfen. Nur Alpine hat wie die Topteams alles in der eigenen Hand. Nur hat man nicht die Entwicklungswerkzeuge wie die großen Drei der Formel 1. Viele Teams kaufen nicht nur Motoren, sondern auch Getriebe und Aufhängungen ein.

Der Zweitverwerter ist immer im Nachteil. Der Produzent baut die Teile, wie er sie braucht. Wie sie zu seinem Aerodynamik-Konzept und zur Mechanik passen. Dem Abnehmer werden zudem die nominellen Entwicklungskosten vom Budget abgezogen. Das ist mehr als die Eigenproduktion kostet. Sauber ging daher für 2022 dazu über, Getriebe und Hinterachse wieder selbst zu konstruieren. Der Einkauf kostete ungefähr zehn Millionen Dollar, man selbst macht es für etwa ein Drittel. Das gesparte Geld steckt man in andere Bereiche der Fahrzeugentwicklung.

Die Big 3 der Königsklasse werden von ihren Ressourcen und der Infrastruktur, die man aufgebaut hat, als das Geld noch keine Rolle spielte, eine Weile profitieren. Red Bulls Ingenieure nennen noch ein weiteres Faustpfand der Topteams: die Prozesse. Ihre Entwicklungsteams sind eingespielt. Ihre Strukturen über Jahre gewachsen. Nur ein eingespieltes Team kann aus den vorhandenen Werkzeugen das Beste herausholen. Das merkt man auch im Vergleich zwischen Mercedes und Red Bull auf der einen Seite und Ferrari auf der anderen.

Die Topteams sind in der Tiefe bestens besetzt. Abgänge können aufgefangen und Umstrukturierungen vorgenommen werden. Bei Mercedes schlüpft Strategiechef James Vowles in eine etwas andere Rolle. Sein designierter Nachfolger leitete in der zweiten Jahreshälfte die Taktikabteilung an der Rennstrecke – reibungslos und ohne, dass es groß auffiel.

Max Verstappen - Red Bull - GP Mexiko 2022
Red Bull
Beide WM-Titel nach Milton Keynes: Red Bull löste sich 2022 von seinen Verfolgern.

F1-Mittelfeld mit mehr Luft nach oben

Die Topteams haben auch gezeigt, dass sie anpassungsfähig sind. Dass sie schnell lernen, und auch in einem neuen Umfeld handlungsfähig bleiben. Der Budget Cap zwingt sie, Prioritäten zu setzen. Man kann nicht mehr mehrere Projekte gleichzeitig laufen lassen. Früher hätten der Red Bull und der Mercedes schneller abgespeckt. Da hätte man nicht eine Saison gebraucht, und würde noch immer über dem Mindestgewicht liegen. Früher hätte Mercedes wohl mitten in der Saison ein neues Auto aufgelegt. 2022 setzte man sich mit dem störrischen W13 bis zum Schluss auseinander – und ist Red Bull Schritt für Schritt näher gekommen.

Trotz der Überlegenheit der Topteams besteht Hoffnung, dass sich das Feld in den nächsten Jahren zusammenschiebt. Das Mittelfeld sollte bei der Fahrzeugentwicklung mehr Luft nach oben haben. Es war abzusehen, dass sich die Budgetdeckelung nicht sofort auszahlt. Das ist ein mittel- bis langfristiges Projekt. Noch operieren ja nicht alle an der Obergrenze. Seidl hofft, dass es wie einst in Le Mans läuft. Dort war Audi mit seinem LMP1-Auto der Platzhirsch, doch Porsche schwang sich trotz geringerer Ressourcen zum Sieger auf.

Teams wie McLaren und Aston Martin rüsten auf. Sauber verbündet sich mit Audi ab 2026. Das könnte in Zukunft zu vielfältigerem Wettbewerb an der Spitze führen. "Die Regeln werden uns Gegner bringen, die heute noch nicht unsere Gegner sind", glaubt Mercedes-Teamchef Toto Wolff. "Ich denke nicht, dass acht WM-Titel in Serie nochmal möglich sein werden." Aber: Das beste Team wird sich weiter durchsetzen. So ist Sport nun mal. Das Schlusswort gehört dem scheidenden Formel-1-Sportchef Ross Brawn, der in Rente geht. "Die Topteams geben durch den Budgetdeckel wesentlich weniger aus. Der Sport hat darunter nicht gelitten. Zumindest ist davon nichts auf der Rennstrecke sichtbar."

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Erscheinungsdatum 26.09.2024

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