Mit ihrer Technik-Revolution verfolgt die Königsklasse vier übergeordnete Ziele. Die Kosten sollen runter, die Sicherheit nach oben. Die Abstände zwischen den Teams sollen schrumpfen, das Hinterherfahren verbessert werden. Dafür wurde die Aerodynamik der Autos auf Links gedreht. Früher generierten die Rennwagen etwa 25 Prozent des Gesamtabtriebs über den Unterboden. Mit der Rückkehr des Ground Effects sind es nun rund 40 Prozent.
Die Anzahl schädlicher Turbulenzen, die auf das hinterherfahrende Auto treffen, wurde reduziert. Früher erzeugte ein Auto sieben Wagenlängen hinter einem anderen rund 94 Prozent des Gesamtabtriebs. Mit den neuen Regeln soll der volle Anpressdruck anliegen. Früher hatte ein Auto zwei Wagenlängen dahinter 24 Prozent des Abtriebs verloren. Nun sollen es nur acht Prozent sein. Eine Wagenlänge dahinter waren früher 43 Prozent des Anpressdrucks weg, die neuen Regeln sollen den Verlust auf 15 Prozent begrenzen. Das ist die Theorie des Formel-1-Managements.
Zweikampf während Rennsimulation
Noch ist kein Rennen gefahren. Deshalb haben die neuen Autos auch noch keinen Beweis erbracht, dass sie tatsächlich besser zum Rennfahren taugen. Doch die Tests in Bahrain erhärteten den Eindruck, dass das zehnköpfige Feld zusammengerückt ist. Und dass das Hinterherfahren besser geworden ist. Alfa-Sauber-Technikchef Jan Monchaux berichtet: "Laut Valtteri ist es einfacher geworden, zu folgen. Klar, wenn man sehr nah dran ist, spürt man immer noch die Turbulenzen. Valtteri meinte aber, im Bereich von drei, vier Sekunden hinter einem anderen Auto spürt er eine deutliche Verbesserung. Es scheint halbwegs zu funktionieren, was sich die Formel 1 gewünscht hat."
Einen Vorgeschmack auf die vielleicht neue Formel 1 lieferten am letzten Testtag um die Mittagszeit herum Lewis Hamilton und Pierre Gasly. Die beiden Piloten simulierten parallel ein Rennen und trafen sich auf der Rennstrecke. Der aus der Boxengasse kommende Sergio Perez führte die beiden zusammen. Daraus entwickelte sich ein Zweikampf, den Hamilton mit einem ersten Überholmanöver eröffnete.

Gasly vorsichtig optimistisch
Früher wäre der Mercedes am Horizont verschwunden. Diesmal hielt der Alpha Tauri mit. Was für die Theorie spricht, dass die Abstände zwischen den Autos tatsächlich geschrumpft sind. Ein Mercedes-Mann schüttelte den Kopf. "Wir sind ein Rennen gegen den Alpha Tauri gefahren." Der zweite Mercedes-Pilot George Russell wirft ein. "Red Bull und Ferrari sind in ihrer gewöhnlichen Position, was das Delta zum Mittelfeld anbetrifft. Wir sind hinter den Erwartungen."
Im Formel-1-Quartier wird man sich die Hände gerieben haben. Dichtes Hinterherfahren, Chance zum Überholen: So wie man sich das ausgemalt hatte. Die Führungsrolle auf der Rennstrecke wechselte über Runden hin und her. Mal war der Ex-Weltmeister vorn, dann kontere der Alpha-Tauri-Pilot und umgekehrt. Gasly berichtete: "Es war definitiv einfacher, zu folgen. Die Turbulenzen waren geringer als in der Vergangenheit." Das kann man durchaus als positives Zeichen werten, obwohl Gasly nicht in Euphorie ausbrach.
In Kurven näher dran
Verschiedene Faktoren begünstigten das Duell. Deshalb sollte man vorsichtig bleiben. Ein Urteil, ob es besser geworden ist oder nicht, wird man sich erst nach ein paar Rennen auf verschiedenen Strecken erlauben können. In Bahrain konnte man auch in der Vergangenheit gut überholen, weil die Geraden lang genug sind. Hamilton und Gasly befanden sich in verschiedenen Stadien ihrer Rennsimulation. Der Rekordsieger der Formel 1 fuhr am Ende seines dritten Stints auf alten C2-Reifen. Gasly begann seinen zweiten Abschnitt auf frischen Reifen vom Härtegrad C1.
Ein Reifenvorteil für den Alpha Tauri, ja. Dafür dürfte der Mercedes zu diesem Zeitpunkt zwischen 20 und 30 Kilogramm weniger Benzin an Bord gehabt haben. Man sollte noch keine Rückschlüsse auf das Kräfteverhältnis ziehen, weil nur die Teams selbst wissen, ob man die Motoren tatsächlich im Rennmodus betrieben oder Leistung zurückgefahren hat.
Dennoch fiel auf, dass es weder Hamilton noch Gasly gelang, den jeweils anderen abzuschütteln. Weil sie in den Kurven näher dranbleiben konnten. Und weil sie deshalb auf den Geraden dank DRS und Windschatten wieder aufschlossen. Gasly wirft ein. "Im Cockpit hat sich der DRS-Effekt nicht so ausgeprägt angefühlt."

DRS schwächt Bouncing ab
Damit bezieht er sich auf das Heransaugen. Verschiedene Fahrer berichteten bereits, dass sich für sie der Windschatten ebenfalls nicht mehr so kräftig anfühle. Wenn man jedoch besser folgen und dadurch näher dranbleiben kann, eröffnet sich trotzdem eine Möglichkeit, den Gegner auszubremsen. Einen großen Vorteil bringt das DRS. Es schwächt das Bouncing der Autos bei hoher Geschwindigkeit ab, weil es den Abtrieb im Heck verringert. Weniger Anpressdruck gleich geringerer Saugeffekt des Unterbodens.
Sollten die Abstände tatsächlich kleiner sein als früher, könnten wir vermehrt DRS-Züge im Feld sehen. Die Aerodynamik ist die eine Sache. Für die erhoffte Action auf der Rennstrecke müssen auch die Reifen mitspielen. Früher war es so, dass der Grip nie mehr zurückkam, wenn sie einmal zu sehr überhitzt hatten.
Reifenabbau recht hoch
Das führte dazu, dass das Überholmanöver entweder schnell kommen musste oder gar nicht. "Uns haben die Fahrer berichtet, dass sich die Reifen wieder erholen, wenn man sie zwischendrin runterkommen lässt", sagt Pirelli-Rennleiter Mario Isola. Ein Red-Bull-Ingenieur bestätigt: "Es sieht ganz danach aus, dass die Performance zurückkehrt." Gasly schildert die Erfahrung des Piloten: "Mein Auto ist hinter Hamilton zwar auch gerutscht, und die Reifen haben überhitzt, jedoch nicht so stark wie früher."
Die Reifenabnutzung war bei den Testfahrten in Bahrain relativ hoch. Die Teams machten außerdem eine eigenartige Erfahrung. "Der Abbau war auf allen Reifenmischungen gleich hoch." Mit dem Unterschied, dass eine weichere Mischung pro Runde mehrere Zehntel schneller ist. Wenn sich das Bild am ersten Rennwochenende bestätigt, könnten viele die weichste Mischung für das Rennen horten. Im Feld ist man sich sicher. "Es wird ein Zweistopp-Rennen, vielleicht läuft es sogar auf drei Reifenwechsel heraus."
Mit anderen Worten: Gas geben, ohne auf die Reifen zu achten, werden die Fahrer wohl auch in dieser Saison nicht können. Nicht auf einer Strecke wie Bahrain mit dem rauesten Asphalt. Die Hinterreifen werden hier hart rangenommen. Der Umgang mit den Pirellis bleibt aller Voraussicht nach ein entscheidender Faktor. Bei mehreren Stopps sind die Strategen gefragt.