Die aktuelle Winterpause wird in vielen Technik-Büros auch als eine Art Halbzeitpause betrachtet. Seit 2022 steht die aktuelle Generation der Groundeffect-Autos am Start. Doch schon für die Saison 2026 ist die nächste große Technik-Reform geplant. Somit bleibt das Reglement vier Jahre lang stabil. In der Theorie sollte die Lernkurve in dieser Zeit immer weiter abflachen und die Abstände zwischen den einzelnen Teams schrumpfen.
So langsam kristallisiert sich heraus, welche Lösungen funktionieren und welche Teams beim Konzept aufs falsche Pferd gesetzt haben. Kopieren gehörte in der Königsklasse schon immer zum Handwerk. Die finanziellen Einschränkungen des Budget-Deckels sorgen allerdings dafür, dass die Techniker nun nicht mehr sofort jede Innovation der Konkurrenz nachbauen können. Viele Tricks lassen sich erst bei der Konstruktion eines neuen Autos implementieren.

Als letztes Team schwenkte Haas in Austin auf rampenförmige Seitenkästen um. Einige Autos tragen in den Seitenkästen zusätzlich noch eine Rinne. Gleichen sich die Formen 2024 weiter an?
Neue Monocoques und Getriebe
Um Kosten zu sparen, sind die meisten Teams in den ersten beiden Jahren der neuen Groundeffect-Ära mit einem unveränderten Monocoque gefahren. Die Sicherheitszelle, die im Fachjargon auch als "Chassis" bezeichnet wird, ist das teuerste Carbon-Teil eines Autos. Ihre Architektur bestimmt die Anordnung der einzelnen Komponenten und hat einen entsprechend großen Einfluss auf die Performance.
Im Laufe der Saison 2023 ist vielen Ingenieuren klargeworden, dass ohne grundlegende Änderungen beim Chassis keine großen Fortschritte zu erzielen sind. Der Blick auf Marktführer Red Bull hat gezeigt, dass an der Unterseite des Autos so viel Platz wie möglich geschaffen werden muss, damit die Luftkanäle ihre volle Sogwirkung erzielen können.
Neben einem neuen Monocoque dürften viele Teams auch neue Getriebe entwickeln – oder zumindest die Dimensionen der Kassette ändern, in der sich die kleinen Gangrädchen drehen. Die Schaltboxen werden dünner gebaut und ragen damit nicht mehr so weit in den Diffusor. Die sogenannte "Kanu"-Form des Unterboden-Mittelteils kann sich am hinteren Ende schlanker zusammenziehen, was für einen Abtriebsgewinn sorgt.

Im hinteren Bereich zieht sich der Mittelteil des Unterbodens am Red Bull früh zusammen. Diese Lösung können viele Konkurrenten nur mit einem neuen Monocoque und einem neuen Getriebe kopieren.
Ein Auto für zwei Jahre
Mercedes-Technikdirektor James Allison erklärt, warum die Teams jetzt besonders viel Aufwand betreiben: "Wir müssen schon 2025 viele Ressourcen auf die nächste Generation verwenden, die uns dann bei der Weiterentwicklung der aktuellen Autos fehlt. So hat die Entwicklung des 2024er-Modells Auswirkungen auf die nächsten zwei Jahre." Das heißt: Für 2025 kann es sich niemand leisten, noch einmal größere Änderungen an den Monocoques vorzunehmen oder neue Getriebe zu entwickeln.
Auch an der Oberseite der Autos gibt es viele Bereiche, die sich angleichen. Aerodynamisch hat sich sogenannte "Downwash"-Konzept durchgesetzt. Als letztes Team schwenkte Haas beim US-Grand-Prix in Austin auf die Seitenkasten-Rampe um, über die die Luft in die Lücke zwischen Unterboden und Hinterreifen fließt. So lässt sich der Unterboden besser abdichten und die kleinen Flügelchen innen an den Radträgern werden direkter angeströmt, was Abtrieb generiert.
Um die Luft zielgenauer nach unten zu dirigieren, haben einige Teams 2023 zusätzlich noch tiefe Rinnen in die Seitenkästen geschnitten. Vor allem am Aston Martin und dem Alpine konnte man extreme Furchen in den Motorhauben erkennen. Doch ausgerechnet Red Bull verzichtete auf dieses Feature und war trotzdem schnell. Man darf deshalb gespannt sein, welche Verkleidungsformen sich in der kommenden Saison durchsetzen werden.

Red Bull und McLaren waren 2022 und 2023 die einzigen Autos mit Pullrod-Aufhängungen vorne. Zieht 2024 endlich jemand nach?
Tricks mit Flügelchen und Luftkanälen
Es gibt aber auch viele andere kleine interessante Innovationen, die nach und nach von immer mehr Teams kopiert werden. Kleine Finnen auf den Frontflügel-Flaps gehen auf eine Idee von Mercedes zurück. 2023 wurden sie von Ferrari und Haas adaptiert. Auch an den Spiegelgehäusen und der Halo-Verkleidung kann man immer wieder außergewöhnliche Aero-Elemente erkennen.
Eine besonders interessante Neuerung hatte Ferrari in den SF-23 implementiert. Vor dem Seitenkasten wurde die Luft durch einen vertikalen Schlitz unter die Haube geleitet. Über einen Kanal führten die Aerodynamiker die Strömung dann nach oben, wo sie über eine breite Öffnung wieder austrat. Es handelt sich um das Grundprinzip des S-Schachts, der sich lange Jahre durch die Nasen der F1-Autos zog.
Die S-Schächte sind mittlerweile verboten. Der Ferrari-Trick, mit dem die Luft sauberer über die Verkleidung geleitet wird, ist aber weiterhin erlaubt. Eine schnelle Kopie an den bestehenden Autos des Vorjahres war aus technischen Gründen nicht möglich. Wir wären aber nicht überrascht, würden einige Teams das Konzept in ähnlicher Form in ihre Neuwagen der Saison 2024 einbauen.
In der Galerie zeigen wir Ihnen einige Technik-Ideen, die sich an den neuen Autos 2024 wiederfinden könnten.