Auf eine Runde sind die McLaren verwundbar. Über eine GP-Distanz braucht es schon ganz spezielle Strecken wie Suzuka, Imola oder Montreal, wo die Konkurrenz noch zuschlagen kann. Die Trumpfkarte der Papaya-Renner ist im Regen fast noch besser sichtbar als bei Trockenheit. Wenn bei anderen die Intermediates auf abtrocknender Strecke zu heiß werden, bleiben sie bei McLaren im Temperatur-Fenster.
Der Vorsprung von Lando Norris und Oscar Piastri betrug im Ziel 40 Sekunden auf Ferrari, 57 Sekunden auf Red Bull und 71 Sekunden auf Mercedes. Und das bei halber Renndistanz. Die zweite Safety-Car-Phase war erst in Runde 22 beendet. Bis zum Wechsel auf Slicks hatte McLaren schon mehr als eine halbe Minute Vorsprung. Und dann wechselten Piastri und Norris auch noch zu spät. Bei der Überlegenheit ist auch die Strategie egal.
Ferrari war unter den Verlierern der Beste. Der Speed für ein besseres Resultat wäre da gewesen, doch Ferrari hat bei nasser Fahrbahn ein Problem mit den Reifendrücken. Red Bull pokerte mit dem Setup, gewann am Samstag und verlor am Sonntag. Mercedes war bis auf George Russells Qualifikations-Runde ein Mittelfeld-Team.
Im Mittelfeld werden die Positionen jedes Wochenende neu gemischt. Wer Upgrades bringt, ist normalerweise im Vorteil. Auf Sauber trifft das zu. Doch die Qualitäten des C45 zeigen sich immer erst am Sonntag. Das Auto scheint die Ferrari-Krankheit in sich zu tragen. Es fällt schwer, die Reifen auf eine Runde auf Temperatur zu bringen. Im Rennen dagegen sind die Eidgenossen voll bei der Musik. Nico Hülkenberg verlor im Finale kaum Zeit auf Lewis Hamilton.
Haas hat mit seinem neuen Unterboden und den Kühleinlässen mit Oberbiss einen echten Sprung gemacht. Leider unsichtbar, weil Oliver Bearman durch Dummheit zehn Startplätze verlor und das Team mit Esteban Ocon den ersten Reifenwechsel zu lange hinauszögerte. Auch Aston Martin profitierte von einer Unterboden-Modifikation. Die Autos sind auf dem Papier nicht schneller, dafür aber noch ein bisschen berechenbarer geworden. Und das bringt Rundenzeit.
Williams und Alpine haben ihre Entwicklungsarbeit vor langer Zeit eingestellt. Bei Williams kam noch hinzu, dass man wegen eines Kühlproblems nachbessern muss, was Rundenzeit kostet. Trotzdem fuhren beide Teams in die Punkte. Für Alexander Albon und Pierre Gasly kam der Regen wie gerufen. Das ging mehr auf das Konto der Fahrer als auf das der Autos.

1. McLaren
Melbourne und Miami hatten es schon angedeutet. Auf Intermediates kommt die schonende Reifenbehandlung der McLaren besonders zur Geltung. Wenn Pirellis Allwetter-Reifen auf abtrocknender Strecke bei der Konkurrenz zu heiß werden, bleibt bei McLaren alles kühl. Auf eine Runde müssen Norris und Piastri kämpfen. Da sind Verstappen und Russell eine ständige Gefahr.

2. Ferrari
Es war wieder mal die alte Geschichte. Ferrari haderte mit den Umständen. Da war mehr drin. Das Auto hatte den Speed für die erste Startreihe, doch beide Fahrer machten Fehler. Im Regen hat Ferrari ein Problem, den Reifendruck zu kontrollieren. Hamilton war mal schnell, mal langsam. Leclerc nach einem Risikostopp in der Aufwärmrunde zu oft neben der Strecke.

3. Red Bull
Red Bull befand sich in der Zwickmühle. Bei der Frage Untersteuern oder guter Balance mit Spa-Abtrieb entschied man sich für die Balance. Prompt holte sich Verstappen die vierte Pole-Position in dieser Saison. Der Trick hätte auch im Rennen funktioniert. Aber nur auf trockener Strecke. Im Regen mit so wenig Anpressdruck war selbst der Zauberer Verstappen machtlos.

4. Mercedes
Dass Mercedes in Montreal funktioniert und in Spielberg nicht, war absehbar. Warum es in Silverstone nur für eine exzellente Q3-Runde von Russell reichte, konnte keiner erklären. Dabei passten die tiefen Temperaturen und der Asphalt. Der Strategie-Poker, der nicht aufging, war von der Erwartung getrieben, dass der Mercedes mit einer Standard-Taktik zu langsam sein würde. Er war es auch so.

5. Sauber
Sauber überrascht alle und sich selbst. Alle drei Upgrades seit Barcelona haben funktioniert, wobei die jüngste Stufe eher ein kleiner Entwicklungsschritt auf der Basis des vorletzten ist. Im Q1 flogen trotzdem beide Fahrer raus. Silverstone passe nicht zum Auto, hieß es. Wahrscheinlicher ist, dass Sauber auf eine Runde die Reifen nicht in ihr Fenster bekommt. Im Rennen war Hülkenberg so schnell wie die Ferrari.

6. Aston Martin
Der zweite Eingriff am Unterboden war ein Treffer. Wie der erste, nur kleiner. Einer im Team klagte trotzdem: "Wir finden nicht mehr Abtrieb, nur mehr Berechenbarkeit." Auch das machte Fahrer schneller. Alonso kam mühelos ins Q3 und das vierte Mal in Folge in die Punkte. Stroll zeigte ein Lebenszeichen und lag zeitweise auf Rang drei. Die Fortschritte sind klein, aber sie sind da.

7. Williams
Williams opferte das erste Training für einen Test. Nachdem Albon zwei Mal in Folge mit einem überhitzten Motor vorzeitig aussteigen musste, war klar, dass Williams mit der Kühlung zu sehr ans Limit gegangen war. Größere Kühlauslass-Öffnungen an den Seiten der Motorabdeckung schafften Besserung, kosteten aber Rundenzeit. "Jetzt müssen wir die Zeit anderswo wiederfinden", fordert Teamchef James Vowles.

8. Haas
Haas ging leer aus. Vom Speed her hätten beide Fahrer in die Punkteränge gehört. Das zweite große Upgrade am VF-25 schlug voll ein. Bearman war im Q3 zeitweise so schnell wie die Top-Leute. Ocon scheiterte wegen einer schlechten Aufwärmrunde am Q2. Der Killer aber war Bearmans Startplatzstrafe. Zehn Plätze zurück. Dann noch die Kollision mit Ocon im Rennen. Trotzdem reichte es zum elften Platz nur 1,4 Sekunden hinter Russell.

9. Alpine
Bei Alpine kommt nichts mehr. "Wir müssen mit dem leben, was wir haben", bedauert Technikchef Sanchez. Das ist nicht viel. In drei freien Trainingssitzungen lagen Gasly und Colapinto hinten. Der Sprung ins Q3 von Gasly war eine Energieleistung. Und im Rennen zeigte der Franzose, was er wert ist. Er lag ständig im Clinch mit Hamilton, Russell und Alonso. Platz sechs war eine schöne Belohnung.

10. Toro Rosso
Die Toro-Rosso-Chefs hatten mehr erwartet als die Startplätze wzölf und 15. Viel mehr. Die schnellen Kurven passen dem VCARB02 eigentlich. Einzige Erklärung für die schlechte Form waren die tiefen Temperaturen, die den Autos aus Faenza nicht schmeckten. Sie zündeten die Reifen nicht an. Der Versuch im Rennen Plätze gutzumachen scheiterte völlig. Beide Fahrer fielen durch Unfälle aus.