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Taktik-Check GP Belgien 2022
Ferrari in Reifennot

GP Belgien 2022

Max Verstappen war so überlegen, dass er mit jeder Strategie den GP Belgien gewonnen hätte. Interessant wurde es erst beim Duell Mercedes gegen Ferrari und weiter hinten im Feld. Da verzerrte der Reifenabbau das Bild.

Carlos Sainz - GP Belgien 2022
Foto: Wilhelm

Max Verstappen war schon vor dem Rennen Favorit. Obwohl ihn die Motorstrafe auf Startplatz 14 verdammte. Wer in der Qualifikation 0,6 Sekunden vor dem Feld herfährt, dem traut man auch eine Aufholjagd dieser Dimension zu. Tatsächlich dauerte es nur 18 Runden, bis der Niederländer bei gleicher Anzahl von Boxenstopps in Führung lag. Dann schwenkten die TV-Regisseure auf andere Brennpunkte im Feld um. Verstappen kam erst wieder bei der Zieldurchfahrt ins Bild.

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Es war eine doppelte Ohrfeige für die Konkurrenz, als der Weltmeister auch noch als Letzter zum ersten Boxenstopp kam. Dabei war er auf Soft-Reifen gestartet und musste Attacke machen. Trotzdem hielt er die Reifen bei Laune.

Die Hoffnung der Konkurrenz, dass Red Bull beim Setup vielleicht ein bisschen zu viel auf eine schnelle Runde geschielt hätte, erfüllte sich nicht. Schon nach wenigen Runden unter Renntempo war klar, dass Verstappens Reifenabnutzung geringer war als bei allen anderen im Feld. Eigentlich auch klar. Der Red Bull generierte den meisten und den stabilsten Abtrieb. Das hilft auch den Reifen.

Carlos Sainz - GP Belgien 2022
Motorsport Images
Carlos Sainz sammelte 12 Führungsrunden. Gegen Red Bull konnte sich der Spanier nicht wehren.

50 Prozent höhere Reifenabnutzung

Auch der zweite Platz von Sergio Perez war nie in Gefahr. Als der Mexikaner in der 21.Runde an Carlos Sainz vorbeiging, fiel jedem auf, dass Ferrari an diesem Tag kein Gegner war. Zu einem Speed-Defizit gesellte sich auch noch eine abnormal hohe Reifenabnutzung, die Ferrari in die Fänge von Mercedes trieb. Der Ferrari war immer noch das schnellere Auto, doch die Reifenprobleme ließen den einen verbliebenen Mercedes am Renntag besser aussehen als er war.

Von dem Ausmaß des Reifenabbaus wurden alle überrascht. Viele gingen mit dem Plan in das Rennen, nur ein Mal Reifen zu wechseln. Auch Mercedes. Doch an die Kombination medium-hart war gar nicht zu denken. Auch die Medium-Starter standen bereits in den Runden 11 bis 14 zum ersten Mal an der Box. "Nach fünf Runden war klar, dass der Reifenabbau um 50 bis 60 Prozent schlimmer sein würde als gedacht. Nur Verstappen war wenig davon betroffen. Dafür hat es Ferrari schlimmer erwischt als andere", hieß es bei Mercedes.

Die Strategen wunderten sich auch noch über eine andere Besonderheit, die so nicht einkalkuliert war: "Die Abnutzung bei allen Reifentypen fiel gleich aus. Nach drei Runden war man mit allen Mischungen gleich schnell. Normalerweise sind die härteren Mischungen resistenter, in der Anfangsphase aber auch langsamer."

Carlos Sainz - GP Belgien 2022
Motorsport Images
Sainz musste sich früher als geplant frische Reifen abholen.

Sainz erst ab zweitem Stint ein Gegner

Diese Rahmenbedingungen bestimmten das Duell Carlos Sainz gegen George Russell. Danach sah es zunächst gar nicht aus. "Im ersten Teil des Rennens war nicht Sainz sondern Alonso unser Gegner. Fernando hat uns durch seinen frühen Boxenstopp dazu gezwungen irgendwann zu reagieren", erzählen die Mercedes-Ingenieure.

Sie wählten Runde 13, zwei Umläufe nach Alonso. Verkehr, das Boxenstoppfenster und ein möglicher Undercut gegen Perez bestimmten das Timing. "Wir hatten zwar gegen Perez keine Chance, aber trotzdem versuchst du immer anderen etwas aufzuzwingen, was sie nicht wollen." Tatsächlich ließ sich der Mexikaner schon eine Runde später an die Box locken, um den Undercut abzufangen.

Erst im zweiten Stint kristallisierte sich heraus, dass Ferrari ernsthafte Probleme mit dem Reifenmanagement hatte. Der beste Anhaltspunkt war Charles Leclerc, der früh mit seinen Medium-Reifen in die Bredouille kam. So geriet Sainz ins Visier von Russell. Nach dem ersten Boxenstopp betrug der Rückstand noch 9,9 Sekunden. Elf Runden später war er auf 4,6 Sekunden geschrumpft.

George Russell - GP Belgien 2022
Wilhelm
Russell war schneller als Sainz, fand aber keinen Weg vorbei am Ferrari.

Bei 1,8 Sekunden Abstand war Schluss

Da schrillten die Alarmglocken bei Ferrari. Aber nicht nur wegen des drohenden Undercuts. Die Ferrari-Fahrer mussten an die Box, wann es ihnen die Reifen diktierten. Um Russells Rennen ein bisschen zu steuern, holte Chefstratege Inaki Rueda Leclerc in der gleichen Runde an die Box wie Sainz. Der Hintergedanke war, Mercedes zu einer Reaktion zu zwingen, sobald Leclerc in die Nähe des Boxenstopp-Fensters des Engländers kommt.

Russell hielt bis Runde 29 durch, vier Runden länger als Sainz. "Um Sainz am Ende anzugreifen, brauchten wir ein genügend großes Reifen-Delta. Es sah dann eine Weile ganz gut aus, doch immer, wenn George bis auf 1,8 Sekunden nahe kam, ging nichts mehr." Die Vorderreifen haben aufgegeben. Beim Bremsen blieben immer wieder die Räder stehen. "Das Überholdelta lag mit sieben Zehntel extrem tief. Wir hatten das in der Tasche, aber wir konnten nicht näher an Sainz ranfahren."

Ferrari war nach den Strategie-Pannen von Frankreich und Ungarn darauf bedacht, ja keinen Fehler zu machen. Deshalb fragte der Kommandostand lieber bei den Piloten nach, welche Reifen sie haben und wie lange sie auf der Strecke bleiben wollten. Sainz und Leclerc waren jedoch überfordert, weil sie merkten, dass ihr Ferrari nicht in der gewohnten Form war, und sich keiner so richtig erklären konnte, warum der Speed fehlte und das Auto auch noch seine Reifen fraß.

Charles Leclerc - GP Belgien 2022
Motorsport Images
Leclerc probierte sich am Ende den Bonuspunkt für die schnellste Runde zu schnappen. Der Plan ging nach hinten los.

Das Eigentor mit Leclerc

Trotzdem schaffte es die Taktikabteilung von Ferrari wieder sich ein Eigentor zu schießen. Man rief Leclerc in der 42. Runde zum dritten Boxenstopp für die schnellste Runde. Der Fahrer riet davon ab. Zu viele Unwägbarkeiten bei so einem Manöver.

Tatsächlich war der Stopp so knapp getaktet, dass ihm Alonso dazwischenfunkte. Es hätte wohl auch bei idealen Bedingungen nicht gereicht. Doch wenn einmal ein Fehler passiert, kommt auch noch Pech dazu. Der zusätzliche Service führte auch noch zu einem Tempoverstoß in der Boxengasse und einer Strafe, die Leclerc um einen Platz zurückwarf.

Teamchef Mattia Binotto verteidigte erneut seine Truppe: "In der Formel 1 muss man mutig sein. Wenn die Lücke zu Fernando groß genug ist, muss man versuchen, sich den Bonuspunkt für die schnellste Runde zu sichern. Wir wussten, dass es eng werden würde. Aber wir wussten auch, dass Charles sich notfalls die Position mit frischeren Reifen zurückholen kann." Die Konkurrenz meinte: Zu viel Risiko bei zu geringer Aussicht auf Lohn.

Fernando Alonso - GP Belgien 2022
xpb
Alonso fuhr strategisch clever. Belohnung war der fünfte Platz.

Alonso kontrolliert seine Verfolger

Den Kampf im Verfolgerfeld entschied Alpine klar für sich. Fernando Alonso und Esteban Ocon gingen zwar mit der gleichen Reifenmischung ins Rennen, wurden dann aber taktisch gesplittet. Der eine startete von Platz 3, der andere von Rang 16. Alonso fuhr die aggressive Variante mit frühen Boxenstopps in den Runden 11 und 25. Nach zwei Mal medium bekam er für das lange Finale über 19 Runden die harten Reifen.

Ocon streute mittendrin den harten Reifen ein und machte in dieser Phase viel Boden gut. Der Franzose verkürzte den Abstand zum Teamkollegen innerhalb von 13 Runden von 9,1 auf 4,6 Sekunden. Für Alpine war der harte Reifen die beste Lösung.

Alonso wusste nach seinem zweiten Reifenwechsel, dass seine Gegner mit deutlich frischeren Pirellis am Ende zum Sturm blasen würden. Das war nicht nur Esteban Ocon sondern auch Sebastian Vettel in einem Aston Martin, der am Sonntag wieder mal deutlich besser war als am Samstag.

Ocons Reifen waren sieben, die von Vettel acht Runden jünger. Und eine Stufe weicher. Doch Alonso, der alte Fuchs teilte sich seinen Schluss-Stint perfekt ein. Fünf schnellen Runden zu Beginn, um die McLaren abzuschütteln, folgten zehn gemächliche, um für den großen Showdown gerüstet zu sein. In der 34. Runde lagen seine Gegner noch neun Sekunden zurück. Als Ocon die Lücke bis auf vier Sekunden schloss, zog Alonso das Tempo wieder an.

Alpine plante seine Boxenstopps so, dass die Fahrer nie so richtig in einem DRS-Zug festhingen wie ihre Rivalen von McLaren. Guter Topspeed half Alonso und Ocon die Gegner schnell zu überholen, die einen aufhalten hätten können. Lando Norris und Daniel Ricciardo dagegen steckten fast das ganze Rennen lang fest. Norris zeigte mit der fünftschnellsten Runde, als er endlich mal freie Fahrt hatte, dass die McLaren unter Wert geschlagen wurden.

Alpha Tauri startete unfreiwillig mit beiden Piloten aus der Boxengasse. Trotzdem schaffte es Pierre Gasly in die Punkteränge. Yuki Tsunoda wäre vor ihm gelandet, hätte er nicht beim ersten Boxenstopp sieben Sekunden verloren. Gasly wurde mit extrem frühen Boxenstopps in den Runde 10 und 22 aus den Tiefen des Feldes in Lücken manövriert, in denen er frei fahren konnte. Tsunoda dagegen fiel nach seinem missglückten Boxenstopp immer wieder in den DRS-Zug hinter Alexander Albon. Und der Williams erwies sich als unüberholbar.

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