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F1 Taktik-Check GP Australien 2023
Sieg ohne Boxenstopp

GP Australien 2023

Mit drei roten Flaggen lag die schnellste Strategie auf der Hand. Wer seine Reifenwechsel in die Unterbrechungen legte, verlor keine Zeit in der Boxengasse. So wie Sieger Max Verstappen und fünf weitere Fahrer.

Safety-Car - Rennabbruch - GP Australien 2023
Foto: Motorsport Images

Der GP Australien war auf dem Papier ein Einstopp-Rennen. Pirelli empfahl die Reifensequenz Medium-Hart oder Soft-Hart. Die C2-Mischung überstand wie in Jeddah eine ganze Renndistanz. Mit einem etwas größeren Fragezeichen, weil die Longruns am Freitag dem Regen oder Unterbrechungen zum Opfer fielen. Keiner wusste so ganz genau, wie lange die Reifen bei den gestiegenen Temperaturen am Sonntag halten würden.

Schon beim Start wurde klar, dass nicht alle Teams Pirellis Leitfaden folgen würden. Sergio Perez, Nyck de Vries und Logan Sargeant gingen auf den harten Reifen in das Rennen. Was mit dem Risiko verbunden war, bei frühen Safety-Car-Einsätzen nicht von Gratis-Boxenstopps profitieren zu können. Ihre Hoffnung war, lange durchzuhalten und dann auf eine späte Neutralisation zu spekulieren.

Unsere Highlights

Es gab viel Gratis-Präsente an diesem Tag. Mit drei roten Flaggen, drei echten Safety-Cars und einer VSC-Phase zählt der GP Australien 2023 neben dem GP Brasilien 2016 und dem Imola-Rennen 2020 zu den turbulentesten Rennen der Neuzeit. Die Kunst lag darin, abzuschätzen, ob sich ein Safety-Car noch in einen Abbruch umwandeln würde. Wer zu früh handelte, wie Mercedes mit George Russell oder Ferrari mit Carlos Sainz, schoss sich ein Eigentor.

Alex Albon - GP Australien 2023
Wilhelm
Der frühe Crash von Alex Albon erwischte einige Teams auf dem falschen Fuß.

Formel-2-Unfall mahnt zur Vorsicht

Keine der drei roten Flaggen war eine eindeutige Angelegenheit. Sie waren das Ergebnis einer übervorsichtigen Rennleitung. Niels Wittich und seine Truppe hatten ihre Gründe auf Nummer sicher zu gehen. Beim Formel-2-Rennen in der Früh wäre es während einer Safety-Car-Phase um ein Haar zu einem bösen Unfall gekommen. Enzo Fittipaldi verfehlte beim Versuch Anschluss an das Feld zu finden nach einem Unfall das abgestellte Wrack von Roy Nissany nur um wenige Meter.

Nicht einmal die Fahrer konnten sich darauf einigen, ob die roten Flaggen gerechtfertigt waren. Fernando Alonso meinte im Rückblick, dass man sich die erste Unterbrechung wegen des Unfalls von Alexander Albon hätte sparen können, weil man den Kies auf der Strecke auch während der Fahrt hinter dem Safety-Car hätte entfernen können.

Max Verstappen hielt die zweite rote Flagge wegen der Trümmerteile, die Kevin Magnussen gesät hatte, für überflüssig. "Wir hätten das Rennen auch einfach hinter dem Safety-Car zu Ende bringen können." Aus seiner Sicht verständlich. Der zweite Re-Start zwei Runden vor Schluss mischte die Karten noch einmal neu, und dabei hat der Spitzenreiter am meisten zu verlieren.

Wer es in diesem turbulenten Rennen geschickt anstellte, kam ohne einen Boxenstopp über die Distanz. Insgesamt sechs Fahrer legten ihre Reifenwechsel in die Unterbrechungen. Max Verstappen, Lewis Hamilton, Fernando Alonso, Lance Stroll, Lando Norris und Nico Hülkenberg verloren nicht eine Sekunde in der Boxengasse.

George Russell - GP Australien 2023
Motorsport Images
Es wäre interessant gewesen, wie sich das Rennen ohne Rote Flaggen und ohne Motorschaden bei Russell entwickelt hätte.

Mercedes muss Taktik splitten

Ganz anders Logan Sargeant, der es fertig brachte vier Mal unter Renntempo zu stoppen und dabei zwei Minuten und zehn Sekunden verlor. Valtteri Bottas wurde drei Mal bei Grün an die Boxen zitiert, Sergio Perez zwei Mal. Der Mexikaner wickelte innerhalb der ersten beiden Runden zwei Boxenstopps ab. Von Hart auf Medium und zurück auf Hart. Das erste Safety-Car gab ihm die Gelegenheit dazu, sich 13 Sekunden gegenüber einem normalen Boxenstopp zu sparen. Und da er zu dem Zeitpunkt Vorletzter war, hatte Perez auch nicht viel zu verlieren.

Für die 13 Medium-Starter ging es darum, den erstmöglichen Moment zu erwischen, auf den harten Reifen zu wechseln und dann bis zum Ende durchzufahren. Die erste rote Flagge nach Albons Crash bot in der 8. Runde die Gelegenheit dazu. George Russell, Carlos Sainz und Kevin Magnussen zogen zu früh am Abzug. Als sie ihre Medium-Reifen loswurden, fuhr das Feld noch hinter dem Safety-Car her. Russell tauschte seine Führung damit gegen Platz 7 ein, Sainz Platz 4 gegen Rang 11 und Magnussen fiel vom 12. Platz ans Ende des Feldes.

Alle drei hätten bei einem normalen Rennverlauf profitiert. Lewis Hamilton fragte bei seinem Renningenieur neidisch nach, warum man nur Russell das Geschenk des Gratis-Boxenstopps gemacht hatte. Die Antwort der Strategen lag auf der Hand: "In so einer Situation muss man die Taktik splitten und dem besser platzierten Fahrer das Recht der vermeintlich besseren Taktik zu geben. Man gibt nicht freiwillig eine Doppelführung auf."

Eine Runde später beschwerte sich Hamilton nicht mehr. Er durfte ohne Platzverlust Reifen wechseln. Russells Aufholjagd endete nach drei Überholmanövern neun Runden nach dem Re-Start mit einem Motorschaden. Er stärkte dem Kommandostand den Rücken. Ohne die rote Flagge wäre er bei den Boxenstopps der anderen wieder in Führung gegangen.

Max Verstappen - Red Bull - GP Australien 2023 - Melbourne - Rennen
Wilhelm
Wer die roten Flaggen abwartete, wurde mit Gratis-Boxenstopps belohnt.

Perez mit Mühe bei der Aufholjagd

Carlos Sainz lag bei seinem Boxenstopp 2,5 Sekunden hinter Russell. Das reichte, dass sich noch Yuki Tsunoda, Lando Norris und Oscar Piastri zwischen den Mercedes und den Ferrari drängelten und eine Runde später beim Halt in der Boxengasse auch diese Positionen einnahmen. Sainz bekam seine ursprüngliche Position vor Alonso nie mehr zurück. Er brauchte 15 Runden, um sich bis auf den Platz hinter dem Aston Martin zu kämpfen.

Danach waren die Positionen erst einmal besetzt. Als die Fahrer merkten, dass die harten Reifen bis ins Ziel halten würden, gaben sie wieder Gas. Doch es brauchte schon große Tempounterschiede, um beim Überholen Erfolg zu haben. Sogar Perez im überragenden Red Bull tat sich schwer. "Ich steckte lange in einem DRS-Zug fest."

Erst als sich der Mexikaner von Tsunoda freigeschwommen hatte, konnte er sein Tempo fahren. Da lag er noch 5,4 Sekunden hinter Norris. Es dauerte nur zehn Runden, bis Perez im Zweisekunden-Bereich des McLaren lag und dann noch weitere zehn Runden, bis er ihn schließlich überholte. Das klappte erst als Norris auf Hülkenbergs Haas auflief.

Neustart - GP Australien 2023 - Melbourne - Rennen
Wilhelm
Beim vorletzten Restart hatten alle Piloten weiche Reifen drauf - allerdings mit unterschiedlicher Laufleistung.

Alte Soft besser beim Re-Start

Nachdem Perez und Norris den Haas überholt hatten, schien das Rennen eigentlich gelaufen. Keiner der Abstände war klein genug, um noch eine Positionsänderung zu erwarten. Magnussens Mauerkuss drehte das Bild. Was zunächst so schien, als könnte es mit einem Safety-Car unter Kontrolle gebracht werden, verlangte dann doch einen Abbruch.

Es lagen zu viele Magnesiumsplitter von der atomisierten Felge hinten rechts und Karbonteile in der Anflugschneise zu Kurve 3. Keiner wollte in dem Hochgeschwindigkeitsbereich einen Reifenplatzer riskieren. Dazu wurde auch noch ein Zuschauer am Streckenrand von Trümmerteilen getroffen und leicht verletzt.

Natürlich ist im Hinterkopf der Rennleitung auch der Gedanke, das Rennen noch unterhaltsam zu machen, wenn es sich irgendwie rechtfertigen lässt. Die Zuschauer zahlen nicht Hunderte von Dollar, um dann ein Rennende unter Safety-Car zu sehen. Und das wäre es vermutlich geworden, weil die Säuberungsaktion einige Zeit in Anspruch genommen hätte. Da lässt sich eine Parallele zu Baku 2021 nicht verleugnen.

Der Re-Start zwei Runden vor Schluss stellte einige Fahrer noch vor ein neues Problem. Lance Stroll, Nico Hülkenberg und Yuki Tsunoda hatten nur noch gebrauchte Softs in ihrem Arsenal. Perez, Norris, Piastri, Zhou und Bottas konnten mit frischen C4-Gummis in den Zweirunden-Sprint gehen. Und das bedeutete durchaus einen Grip-Vorteil.

Fernando Alonso - Aston Martin - GP Australien 2023 - Melbourne - Rennen
Wilhelm
Sainz bekam für den Dreher gegen Alonso eine Fünf-Sekunden-Strafe aufgebrummt. In der letzten Runde hinter dem Safety-Car hätte sich der Spanier etwas cleverer anstellen können.

Sainz verschenkt Punkte

Umso erstaunlicher war es, dass gerade Hülkenberg und Tsunoda beim dritten stehenden Start an diesem Tag Plätze gutmachten. Und das nicht nur, weil Gasly und Ocon mit ihrem Unfall das Feld räumten und die Aston Martin-Piloten durch ihre Ausrutscher Plätze verloren. Hülkenberg und Tsunoda lagen kurzfristig auf den Plätzen vier und fünf, bis die Rennleitung entschied, dass der Grand Prix für den allerletzten Re-Start in den Stand der Runde davor minus die gecrashten Autos gesetzt werden müsse.

Bevor es in die letzte Runde mit Überholverbot hinter dem Safety-Car ging, erfuhr Carlos Sainz von seiner Fünfsekunden-Strafe für das Umdrehen von Alonsos Aston Martin. Der Spanier regte sich fürchterlich über die Ungerechtigkeit der Strafe auf und bettelte sein Team an etwas zu unternehmen.

Er hätte sich besser einen Plan gemacht, trotzdem noch ein paar Punkte zu retten. Sauber-Sportdirektor Beat Zehnder wunderte sich zu Recht: "Warum lässt der Sainz nicht zumindest die erlaubten zehn Wagenlängen Platz zum Vordermann und gibt dann vor der letzten Kurve Gas? Dann wäre er vielleicht noch Achter geworden."

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