Das F1-Management war mit dem Experiment zufrieden. Deshalb soll die Zahl der Sprintrennen 2022 von drei auf sechs ausgeweitet werden. Es gibt schon einen Hauptsponsor für die Sprints und auch sechs Wunschdestinationen: Bahrain, Imola, Montreal, Spielberg, Zandvoort und Interlagos. Trotzdem ist noch völlig offen, ob der Mini-Grand Prix am Samstag überhaupt stattfinden wird.
Mercedes, Ferrari und Red Bull fordern, dass dafür der Kostendeckel um 2,65 Millionen Dollar erhöht wird, um die zusätzlichen Ausgaben abzudecken. Dagegen sperren sich die anderen sieben Teams. Und deren Stimmen braucht man, wenn man überhaupt Sprintrennen durchführen will.
Haas-Teamchef Guenther Steiner schlägt als Kompromiss vor, allen Teams 2,65 Millionen Dollar pauschal zu zahlen. Dann würde man auch einer Erhöhung des Budgetdeckels zustimmen. Es ist jedoch fraglich, ob Liberty freiwillig 26,5 Millionen an die Teams abtreten will.
Selbst, wenn der neue Sponsor "crypto.com" und die sechs Veranstalter mehr als diese Summe einzahlen, kommt es die Rechteinhaber billiger, wenn sie die Zusatzeinnahmen am Ende des Jahres über den üblichen Schlüssel an die Teams ausschütten.
McLaren-Chef Zak Brown wettert gegen das Feilschen der drei Top-Teams: "Es gibt klare Beweise, dass bei den Sprintrennen letztes Jahr kaum Schäden aufgetreten sind. Ich halte das für einen plumpen Versuch, sich gegen den Verlust ihres Wettbewerbsvorteils zu wehren."

Jeden Tag Sieger und Verlierer
Ungeklärt ist auch, ob sich irgendetwas am Format der Sprints ändert. Die Idee von der zum WM-Stand umgekehrten Startaufstellung ist vom Tisch. Auch der Ausweitung der Punktvergabe stehen viele Teams skeptisch gegenüber. Eine Inflation der Punkte bringt nur den Top-Teams Vorteile. Möglicherweise wird DRS schon ab dem Start freigegeben, damit es in der Anfangsphase mehr Überholmanöver gibt.
Bei einer Analyse der drei Sprints in der abgelaufenen Saison stellt sich jedoch heraus, dass die Kritik an den Samstagsrennen ungerechtfertigt war. Es war in allen drei Fällen interessanter als irgendein Freies Training, das nur für Ingenieure und Strategen wirklich unterhaltsam ist. Und genau damit muss man es vergleichen. Die Qualifikation gibt es ja immer noch, nur eben am Freitag. So hat jeder Tag seine Story. Und seine Sieger und Verlierer.
Fans und Beteiligte erwarten von dem 100-Kilometer-Rennen mehr als es bieten kann. So wurde ein Mangel an Überholmanövern beklagt. Die Fakten sprechen eine andere Sprache. In Silverstone wurden ohne die erste Runde zehn Überholmanöver gezählt. Im Hauptrennen waren es 26 Positionswechsel. Das entspricht einer Quote von 38 Prozent. Da müssen sich die Nörgler die Frage gefallen lassen: Warum soll am Samstag bei einem Drittel der Distanz prozentual mehr überholt werden als am Sonntag?

Überhol-Action auch am Samstag
In Monza und Interlagos ergibt sich das gleiche Bild. Die Zahl der Überholmanöver im Sprint entsprach rund einem Drittel der des Hauptrennens. In Monza kam es im Sprint zu neun Positionswechseln auf der Strecke, im Grand Prix zu 24. Macht eine Quote von 37 Prozent. In Interlagos wurde in 24 Runden 17 Mal überholt. Exakt 31 Prozent der 55 Überholmanöver am Sonntag.
In jedem der drei Sprints änderte sich von Freitag auf Samstag die Reihenfolge der Top 5. Und damit hat die zusätzliche Schleife zur Ermittlung der endgültigen Startaufstellung nach der klassischen Qualifikation am Freitag ihren Zweck schon erfüllt. In Silverstone wurde aus Hamilton-Verstappen-Bottas-Leclerc-Perez einen Tag später Verstappen-Hamilton-Bottas-Leclerc-Norris. Drei Positionen änderten sich, mit Lando Norris kam ein neuer Fahrer dazu.
Auch in Monza verteidigten nur zwei Fahrer ihren Startplatz vom Freitag. Pole-Mann Valtteri Bottas als Sprint-Sieger und Norris auf Platz vier. Das Pech für Bottas war, dass er wegen eines Motorwechsels im Rennen nach hinten musste. Das wäre ihm aber auch an einem Standard-Wochenende passiert. In Interlagos wurden die Top 5 komplett durcheinander gewürfelt. Aus Verstappen-Bottas-Perez-Gasly-Sainz wurde Bottas-Verstappen-Sainz-Perez-Hamilton.
Hamilton immer im Blickpunkt
Jeder der drei Sprints lieferte seine Story. Beim GP England verlor Lokalheld Hamilton seine Pole Position an Verstappen. Fernando Alonso begeisterte mit einer atemberaubenden Startrunde. George Russell schubste Carlos Sainz in der Anfangsphase an, was dazu führte, dass der Spanier danach sechs Konkurrenten überholte um maximale Schadensbegrenzung zu betreiben. Sergio Perez brachte sich mit einem Abflug in der Chapel-Kurve um alle Chancen. Alonso und Kimi Räikkönen gewannen je vier Plätze, Perez verlor 15.
In Monza stand wieder Lewis Hamilton im Mittelpunkt. Er vergeigte mit einem Katastrophenstart seine Siegchancen für den Sonntag. Der Mercedes-Pilot stürzte vom zweiten auf den fünften Platz ab. Umgekehrt legte Daniel Ricciardo mit einer starken Startrunde den Grundstein für seinen Sieg beim GP Italien.
Pierre Gasly löste mit seinem Highspeed-Crash in der Curva Grande eine Safety-Car-Phase aus. Gleichzeitig gerieten sich Yuki Tsunoda und Robert Kubica in die Haare. Das führte dazu, dass Tsunoda mit drei Überholmanövern für die meiste Action sorgte. Fünf Piloten machten im Vergleich zum Freitag je zwei Positionen gut, Gasly büßte 14 Startplätze ein.

2022er Autos besser für Sprints?
Die Geschichte des Brasilien-Sprints war die unglaubliche Aufholjagd von Lewis Hamilton. Vom letzten Platz nach seiner Freitags-Disqualifikation auf Rang fünf innerhalb von 24 Minuten. Auch der dritte Platz von Carlos Sainz, der als Fünfter gestartet war, unterhielt das Publikum. Der Spanier duellierte sich das ganze Rennen über mit Sergio Perez. Dazu gab es noch eine Kollision der beiden Alfa-Piloten, die Kimi Räikkönen netto fünf Positionen kostete.
Man kann also nicht behaupten, dass in den komprimierten Rennen am Samstag nichts passiert wäre. Jeder Sprint war mit entscheidend für das Resultat am Sonntag. Vielleicht wäre noch mehr möglich gewesen, wenn man mit Silverstone und Monza nicht zwei Strecken gewählt hätte, auf der Überholen bekanntermaßen schwierig ist. Unter dem Gesichtspunkt müssen beim geplanten 2022er Programm Imola und Zandvoort kritisch hinterfragt werden.
Die Formel 1 setzt darauf, dass die 2022er Autos im Zweikampf einfacher zu fahren sind. Wenn das eintritt, wird es die Zahl der Überholmanöver Samstag wie Sonntag ohnehin in die Höhe treiben. Ein wichtiger Punkt ist auch die Länge des Sprints. Es wäre vielleicht eine gute Idee, sich bei der Distanz nicht unbedingt auf exakt 100 Kilometer festzulegen.
Bei einem Fenster zwischen 90 und 110 Kilometern könnte man je nach Strecke die Zahl der Fahrer, die mit weichen Reifen pokern erhöhen. Auf mancher Strecke würde es sich möglicherweise gerade lohnen, wenn die Distanz zehn Kilometer kürzer wäre. Im letzten Jahr gingen in Silverstone vier Fahrer ins Risiko, in Monza acht und in Interlagos neun.