Formel-1-Technik: Seitenkästen im Vergleich

F1-Seitenkästen im Vergleich
Nur noch eine Badewanne

Zuletzt aktualisiert am 29.06.2023

Die Spannung war groß vor der Einführung des neuen Technik-Reglements im Jahr 2022. Die Ingenieure hatten lange geschimpft, dass ihnen die strikten Vorschriften die Freiheit rauben. Alle Autos würden gleich aussehen, so die Prognose. Doch dann präsentierte das Feld eine Formenvielfalt, wie man sie in der Formel 1 lange nicht gesehen hatte.

Vor allem bei den Seitenkästen gab es mehrere interessante Lösungen. Viele Teams setzten von Beginn an auf eine Rampenform. Nach dem sogenannten "Downwash-Prinzip" wird die Strömung hier über der abfallenden Verkleidung nach unten in Richtung Diffusordach und die Flügelelemente an den Radinnenseiten gelenkt.

Ferrari, Haas und auch Sauber gingen einen etwas anderen Weg. Sie formten mehr oder weniger tiefe Mulden in die Oberseite der Verkleidung. Die Luft rutschte damit hinten nicht nach unten, sondern wurde eine Etage höher gehalten und nach dem "Inwash-Prinzip" innen auf den Beam-Wing gelenkt. Bei Ferrari und Haas waren die Vertiefungen so stark ausgeprägt, dass die Fans scherzhaft von "Badewannen" sprachen.

Mercedes - F1-Technik - Seitenkasten - GP Kanada 2023
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Mercedes baut Zero-Pods um

Mercedes hatte lange Zeit eine ganz eigene Lösung. Die sogenannten "Zero-Pods" lenkten die Luft nach dem "Outwash-Prinzip" nach außen ab. Das war zwar nicht im Sinne der Regel-Erfinder, aber weil der Silberpfeil damit nicht besonders schnell war, wurde auch nicht nachträglich eingegriffen. Obwohl von Beginn an Probleme auftraten, versuchten die Ingenieure lange, die Lösung zum Funktionieren zu bringen.

Erst nach 27 Rennen folgte das Eingeständnis, dass man aufs falsche Pferd gesetzt hatte. In Monte Carlo wurde groß umgebaut. Auch Mercedes geht seitdem den Weg der Rampe. So richtig zugeben, dass die Seitenkästen für die Misere mitverantwortlich waren, will man das aber nicht. "So wenig wie die Geometrie der Seitenteile den Erfolg von Red Bull erklärt, so wenig waren unsere alten Seitenkästen der Grund für unsere Probleme", betont Technik-Chef James Allison im Interview mit auto motor und sport.

Auch wenn die Ingenieure die Bedeutung der Seitenkästen immer wieder herunterspielen, so ist es doch auffällig, wie oft an den Verkleidungsteilen, die im Englischen einfach "Bodywork" genannt werden, Hand angelegt wird. Im Laufe der 30 Rennen mit dem Ground-Effect-Reglement haben sich die Autos in keinem anderen Detail mehr verändert. Mittlerweile haben sich hier deutliche Trends herausentwickelt.

Williams - Technik - Formel 1 - GP Kanada 2023
ams

Nur Haas fällt aus dem Rahmen

Es lässt sich leider festhalten, dass sich die Rennwagen immer mehr angleichen. Sieger im Konzeptvergleich ist eindeutig die Rampe. Nur Haas fährt noch mit seiner Badewanne spazieren. Alle anderen haben mehr oder weniger auf das Red-Bull-Konzept umgeschwenkt. Viele versuchen, das Downwash- und das Inwash-Konzept miteinander zu verbinden. Die Luft wird zwar nach unten dirigiert, aber gleichzeitig über Mulden auch nach innen geführt.

Die Rinnen konnte man letztes Jahr schon im Ansatz an einigen Autos sehen. Doch dann enthüllte Aston Martin am aktuellen AMR23 eine Lösung, bei der sich die Vertiefung extrem weit in den Seitenkasten grub. Alpine hat mit seinem ersten Seitenkasten-Upgrade in Monte Carlo nachgezogen. Auch am Williams und dem Mercedes sind die Rinnen zu erkennen, wenn auch nicht so stark ausgeprägt.

Viele Seitenkästen und Motorhauben tragen mittlerweile ausgeprägte Wülste und Vertiefungen. Nur der Red Bull RB19 kommt relativ einfach gestaltet daher – und ist trotzdem schnell. Trotz Angleichung gibt es immer noch viele sichtbare Unterschiede. In Montreal haben wir die Chance genutzt, alle Autos in der Startaufstellung von hinten über den Heckflügel zu knipsen. In der Galerie zeigen wir Ihnen den interessanten Konzepte-Vergleich.